Herbert Ammon, Gastautor / 14.09.2021 / 17:00 / Foto: Tomaschoff / 12 / Seite ausdrucken

Ratlose Wähler

Aktuelle Umfragen prophezeien ein Kopf-an-Kopf-Rennen von CDU und SPD. Und dann? Blüht uns Rot-Rot-Grün, Jamaika, Kenia? Und was bedeutet heutzutage eigentlich noch das Prädikat „bürgerlich“?

Die in Wellen und Varianten verlaufende Corona-Pandemie kommt den Parteien gerade recht. Sie taugt hinsichtlich der „richtigen“ Strategie im Umgang mit dem Virus für alle Parteien als Wahlkampfthema, nicht nur für die AfD und das jüngste im populismusanfälligen Volk entsprungene Gewächs „Die Basis“. Corona lenkt ab von den Themen, die für die Zukunft des Landes entscheidend sind: Erhalt der Wirtschaftskraft, sinkendes Bildungsniveau, Bevölkerungsentwicklung, Einwanderung („Zuwanderung“), politischer Islam und Integration, Rentensystem, Zinspolitik der EZB und Inflation, europäische (!?) Schulden- und Außenpolitik.

Aus Sicht der Parteien, die sich Hoffnungen auf Regierungsübernahme machen, sind derlei Fragen dem Volk, dem zum Wahlakt bestellten Souverän, auch gar nicht zuzumuten. Sie würden nur populistische Emotionen wecken.

Da die Freien Wähler diesmal mutmaßlich noch unter fünf Prozent landen werden, haben wir auf das, was uns nach dem 26. September beschert wird, wieder mal keinen Einfluss. Noch dürfen wir raten, wie das Koalitionsspiel ausgeht: Ampel unter Scholz, Rot-Grün-Rot, ebenfalls unter Scholz? Jamaika unter Laschet, Kenia unter Laschet, gar noch „Deutschland“, auch unter Laschet? Alle Umfragen, selbst die letzte aus dem CDU-nahen Allensbach (27 Prozent für die SPD, nur 25 für die CDU/CSU) sprechen gegen einen CDU-Kanzler Laschet. Da mögen die Geschlossenheit und Siegeswillen simulierenden Wahlkämpfer und -innen des alten Kanzlerwahlvereins CDU noch das Wunder an der Urne herbeibeschwören wollen. 

Was ist überhaupt noch „bürgerlich“?

Um das Unheil eines Linksrutsches abzuwehren, appellieren CDU und FDP an Gewissen und Ängste der „bürgerlichen“ Wähler. Dem derart umworbenen Wahlbürger stellt sich die Frage: Was ist anno 2021, im digitalen Zeitalter, überhaupt noch „bürgerlich“? Etwa die „Event Culture“? Gewiss nicht die „Cancel Culture“. „Bürgerlich“ präsentieren sich inzwischen vor allem die Grünen, die für den Wahlkampf sogar das ehedem verpönte bürgerliche Familienglück entdeckt haben.

Und so mögen die Zweckoptimisten um Laschet – Söder zählt trotz aller Rhetorik eher nicht dazu – am Ende doch noch auf eine „bürgerliche“ Koalition hoffen, also auf „Jamaika“. Gemeinsam wird man dann das Klima retten, indem man die Laufzeit der letzten deutschen AKWs verkürzt und Atomstrom aus Polen und Tschechien importiert. Laschet gilt jedoch als Befürworter von Nordstream 2. Mal sehen, was die Grünen nach der Wahl dazu sagen.

Den Umfragen nach stehen die Chancen für Laschet und eine „bürgerliche“ Koalition schlecht. Das Rätselspiel beginnt also von vorne. Wie hält es Scholz mit der „Linken“, steht uns Rot-Grün-Rot bevor? Dürfen wir auf Lauterbach vertrauen, der ein Bündnis mit der röteren „Die Linke“-Partei ausschließt? Nein, denn „Die Linke“ würde jede Kröte schlucken und für den Frieden – wichtigster Progammpunkt neben Renten, Mieten, Mindestlohn und Klima – selbst die NATO samt Interventionismus hinnehmen. Dann bliebe für die unterlegenen „Bürgerlichen“ nur noch die Hoffnung, dass sich bei den Grünen der „Die Linke“-Gegner Cem Özdemir gegen Göring-Eckardt durchsetzt.

Fragen über Fragen, die die Wähler – in diesem Falle ist das Partizip „die Wählenden“ semantisch sogar zutreffend – bei ihrer Stimmabgabe leider nicht lösen können. Steht ein Machtwechsel und eine historische Zäsur bevor? Wir wissen es nicht. Vor allem aus dem Umfeld der FDP ist zu hören, es gelte, „taktisch“ zu wählen. Richtig, aber wie?

Foto: Tomaschoff

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Wolfgang Schulze / 14.09.2021

Sehr geehrter Herr Ammon, die Wähler sind ratlos, sagen Sie. Und Corona taugt zur Ablenkung von anderen Missständen nicht nur für die AFD als Wahlkampfthema. Offenbar halten Sie nur die Freien Wähler für wählbar. Da die aber unter 5 Prozent blieben,hätte man auf das politische Geschehen nach der Wahl eh keinen Einfluss. Dafür präsentierten sich vor allem die Grünen bürgerlich. Na gut, Sie stellen „bürgerlich“ in Anführungszeichen. Haben Sie sich mal das Wahlprogramm der AFD angesehen? Bei welcher Partei finden Sie noch so ausführlich Aussagen zu den von Ihnen vermissten Themen wie „Bildungsniveau, Bevölkerungsentwicklung, Einwanderung , politischer Islam und Integration, Rentensystem, Zinspolitik der EZB und Inflation, europäische Schulden- und Außenpolitik“? Wenn Sie empfinden, dass der Wähler ratlos ist und nach Aussagen zu diesen Themen lechzt, warum empfehlen Sie dann nicht die Lektüre von Partei- und Wahlprogramm dieser Partei? Weil da ein paar Knallchargen irgendwann seltsame Sprüche abgesondert haben? Richtig, daran habe ich mich auch gestört. Aber seitdem hat sich einiges in der AFD sortiert und ich muss sicher nicht an die höchst merkwürdigen Einlassungen der Obergrünen wie Cohn Bendit zu Zeiten Ihrer Gründung zu Themen wie Sex mit Kindern erinnern. Ich mag auch nicht daran erinnern, dass wir vor der Wende im Lager der Bürgerbewegten in Ostdeutschland genügend Leute hatten, die nichts sehnlicher als einen besseren Sozialismus wollten. Nur ohne die hätten wir den eisernen Vorhang und die DDR immer noch. Und verkünden Sie nicht, Wahlen hätten keinen Einfluss auf die politische Zukunft unseres Landes. Man könnte sonst den Eindruck gewinnen, Sie wollten den Status Quo zementieren.

Peer Munk / 14.09.2021

Wir haben also eine in Wellen und Varianten verlaufende Coronapandemie? Und es gibt wichtigere Themen als die defakto Abschaffung von Grundrechten und demokratischem Rechtsstaat? Und wer sich dagegen positioniert, betreibt Populismus? Die Afd als eine der Parteien, denen man im Gegensatz zu CDU, SPD, FDP, Grüne und Linke nicht vorwerfen kann, an der Schaffung des unbefristeten “Notstandes” mitgearbeitet zu haben, wird unter den Teppich gekehrt? Ich kann den Gedankengängen des Autors nicht folgen.

g.schilling / 14.09.2021

““Wirtschaftskraft, sinkendes Bildungsniveau, Bevölkerungsentwicklung, Einwanderung („Zuwanderung“), politischer Islam und Integration, Rentensystem, Zinspolitik der EZB und Inflation, europäische (!?) Schulden- und Außenpolitik.”” Mein Gott wie kleinlich ist das denn. Hauptsache ist doch, die AFD bekommt so wenig Stummen wie möglich.

Albert Pflüger / 14.09.2021

Das sogenannte “taktische Wählen” führt lediglich zu einer Verengung der Wahlmöglichkeiten auf die “weiter so”  Parteien. Ich halte es für sinnvoller, strategisch zu wählen und die Opposition zu stärken, damit es den Regierenden nicht so leicht gemacht wird, sich über die Wünsche des Wahlvolks hinwegzusetzen. Mit einer starken Opposition im Nacken müssen sie immer damit rechnen, abgelöst zu werden, wenn sie allzu grob an den Interessen der Wähler vorbeiregieren, um ihre ideologischen Steckenpferde zu reiten, von Zuwanderung, Klimarettung und Energiewende bis hin zum “Kampf gegen Rechts”.

Martin Schumann / 14.09.2021

Die Fragen sind leicht zu beantworten: AfD wählen!

Walter Weimar / 14.09.2021

Wer selber denken kann, kann nicht ratlos sein. Wir sind nicht an einem Chinaimbiß mit 35 verschiedenen, doch fast gleichen Gerichten. Politik wird nicht in Fernsehsendungen und gar in vier Wochen vor der Wahl mit Phrasendrescherei gemacht, sondern am Handeln oder Nichthandeln der vergangenen Jahre. Zu viel für den deutschen Volksuntertan? Keiner hat gesagt das es einfach ist, selbst im Skat kann man nicht drei Luschen drücken, aber passen geht immer.

Karola Sunck / 14.09.2021

Es gibt nur noch eine Partei die ein bürgerliches Programm anbietet und das ist die blaue Alternative. Auch hier, als die einzige im Bundestag vertretende, verbliebene Opposition bekannt. Wenn ich einen Bundeskanzler/in direkt wählen dürfte, stände für mich Frau Dr. Alice Weidel an erster Stelle. Sie ist intelligent, kompetent und analysiert die miese Politik Merkels messerscharf. Mit der AfD als Regierungspartei und Frau Weidel als Bundeskanzlerin, könnte sich Deutschland von der desaströsen Politik Merkels in gewisser Zeit langsam wieder erholen. Aber die Mehrheit in diesem Lande ist einfach zu dumm, dieses zu begreifen!

Andreas Müller / 14.09.2021

Den Umfragen zufolge hätte die CDU bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen nicht vorne liegen können. Die Umfragen sahen bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt CDU und AFD nahezu gleichauf - im Ergebnis lag die CDU 16,3 % vor der AFD. Was fragt eigentlich Forsa ? Möchten Sie lieber von einem Lastwagen überfahren werden oder Olaf Scholz als Kanzler ? Im Ergebnis : Große Zutimmung für die SPD !

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