Cora Stephan / 20.07.2020 / 15:00 / 31 / Seite ausdrucken

Paritätsgesetz: Wir sind eine Demokratie und kein Ständestaat!

Sie hätten doch nur ins Grundgesetz schauen müssen, die roten und grünen Parteien in Thüringen, dann hätten sie gewusst, dass sie auf dem falschen Dampfer waren. Die von ihnen im Juli 2019 verabschiedete Änderung des Landeswahlgesetzes, mit der Parteien gezwungen werden sollten, ihre Landeslisten paritätisch mit Männern und Frauen zu besetzen, ist vor dem Verfassungsgerichtshof in Weimar gescheitert. Die lesenswerte Begründung liest sich wie eine Nachhilfestunde in Sachen Demokratie. Dem „Prinzip der Repräsentation“ gemäß, heißt es da, „vertritt jede und jeder Abgeordnete das gesamte Volk und ist diesem gegenüber verantwortlich. Die Abgeordneten sind nicht einem Land, einem Wahlkreis, einer Partei oder einer Bevölkerungsgruppe, sondern dem ganzen Volk gegenüber verantwortlich; sie repräsentieren das Volk grundsätzlich in ihrer Gesamtheit, nicht als Einzelne.“

„Im Parlament schlagen sich die parteipolitischen Präferenzen des Volkes nieder, nicht dessen geschlechtermäßige, soziologische oder sonstige Zusammensetzung.“ M. a. W.: Weder Hautfarbe noch Herkunft, weder die soziale Schicht noch die sexuelle Neigung oder das Lebensalter spielen dabei eine Rolle. Wir leben nicht in einem Ständestaat, in dem jede Interessengruppe eine eigene Vertretung beanspruchen darf.

Heiter stimmt im übrigen auch, dass der rotrotgrüne Vorstoß vor Heteronormativität nur so strotzt: war nicht kürzlich noch Geschlecht ein bloßes Konstrukt? Und wo bleiben die Diversen?

Wollen Frauen nicht, was sie sollen?

Doch ebenso verblüffend ist, dass CDU und FDP eine Klage gegen das so offenkundig verfassungwidrige Gesetz der AfD überlassen haben, die sich nun als einzige Opposition verstehen darf, die Demokratie und Rechtsstaat verteidigt. Auch im Land Brandenburg wird sie gegen das dort verabschiedete Paritätsgesetz klagen. Und solange wir noch Richter haben, wird sie auch dort obsiegen.

Nun könnte man einwenden, dass doch gar nichts dagegen spricht, mehr Frauen in die Parlamente zu bringen. Sicher, nur: warum sollen ausschließlich Frauen in der Lage sein, die Interessen von Frauen zu vertreten? „Die“ Interessen „der“ Frauen gibt es nicht, schließlich wollen nicht alle in Führungspositionen oder in Aufsichtsräte einziehen oder die nächste Verteidigungsministerin werden. Dass sie heutzutage an solchen Karrieren noch gehindert würden, dürfte ein Gerücht sein, sie werden ja regelrecht angebettelt. Könnte es sein, dass sie nicht wollen, was sie sollen?

Denn um in ein Parlament gewählt zu werden, müssten Frauen in eine Partei eintreten. Das tun sie jedoch nicht zu den gewünschten 50 Prozent, egal, wie heftig sie umworben werden. Womöglich haben sie keine Lust auf allzu häufige Kungelsitzungen.

Kurz: sind nicht zuallererst die Parteien gefragt, wenn es um etwas geht, das sie sich offenbar wünschen, aber nicht hinkriegen? Brauchen sie dafür ein Gesetz, das sie dazu nötigt? Konsequenterweise müsste es dann auch eins geben, das Frauen dazu zwingt, paritätisch in Parteien einzutreten.

Wenn nur noch das zählt, was man zwischen den Beinen hat

Die CDU wird dieses Problem noch beschäftigen. Annegret Kramp-Karrenbauer, stolz darauf, eine Quotenfrau zu sein, möchte, dass sich die CDU auf eine verbindliche Frauenquote von 50 Prozent bis 2025 verständigt. Doch woher die Frauen nehmen, wenn die Partei nur über gut 26 Prozent weiblicher Mitglieder verfügt?

Dabei könnte es gut sein, dass Wähler und Wählerin ein ganz anderes Problem quält: dass es nunmehr offenkundig ist, dass es in der Politik nicht darum geht, dass sich der Kompetenteste durchsetzt, der gerne auch eine Frau sein darf. Gewiss, in der Frauenbewegung kursierte einst der Spruch: Gewonnen haben wir erst, wenn Frauen an der Macht genauso beschränkt sein dürfen wie Männer. Ziel erreicht, möchte man entnervt rufen, wenn nur noch das zählt, was man zwischen den Beinen hat und nicht, was sich im Kopf abspielt.

Und wäre es nicht an der Zeit, über das deutsche Wahlrecht nachzudenken, demzufolge nur die Hälfte der Volksvertreter vom Souverän direkt gewählt werden, während alle anderen über Listen in die Parlamente geraten, Listen der Parteien, die meist nach parteiinternen Kriterien besetzt werden, die nichts mit der Qualifikation zur Repräsentation der Interessen aller zu tun haben müssen?

Die modische Aufteilung des Wahlvolks in zu begünstigende Teilmengen wird den Parteien nicht das Wohlwollen jener einbringen, auf die sie setzen. Außer Frau Kramp-Karrenbauer will nämlich keine Frau, die etwas auf sich hält, eine Quotenfrau sein.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Homepage des NDR.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Matthias Fischer / 20.07.2020

Eigentlich ist es doch ganz einfach: Jede Partei verweigert solange Männern die Aufnahme bzw. schmeißt sie raus, bis die Hälfte der Mitglieder Frauen sind.

Matthias Fischer / 20.07.2020

Wenn es in Deutschland noch nach dem Grundgesetz ginge, wäre Frau Merkel seit vielen Jahren nicht mehr die deutsche Bundeskanzlerin, wir hätten eine wehrfähige Bundeswehr und gegen Frau von der Leyen wäre ein Strafverfahren wegen Veruntreuung und einer Reihe anderen Delikten anhängig. Wir hätten, wie viele andere europäische Länder auch, eine PKW-Maut für ausländische Kraftfahrer, weil hierüber nur das deutsche Parlament und nicht irgendwelche europäischen Mickeymouseinstitutionen zu entscheiden hätten. Die Grenzen wären gegen illegalen Zuzug gesichert und es würde sich nicht schleichend die Scharia als Rechtsordnung durchsetzen. Freie, kritische Meinungsäußerungen würden nicht als Straftaten verfolgt werden und im Gegenzug wäre nicht jede Straftat unter dem Label “Pressefreiheit” und “Satire” erlaubt. Sogenannte Genderwissenschaften würden nicht mit Steuergeldern gepampert sondern wären reines Privatvergnügen. Schlepper würden als solche verurteilt und nicht von den zwangsweise beitragsfinanzierten Medien gelobhudelt. Grete gäbe es in der öffentlichen Wahrnehmung überhaupt nicht. An Dieselfahrverbote würde kein Mensch denken. Und, und, und… Kurzum - das öffentliche Leben käme wieder vom Kopf auf die Füße. Aber das Grundgesetz gilt bestenfalls nur noch als Feigenblatt - wo es passt. Unliebsame, aber verfassungskonforme Entscheidungen werden als europarechtswidrig gebrandmarkt und eine frühere Bundesministerin droht mit einem europäischen Vertragsverletzungsverfahren. Alle Parteien finden die parlamentarische, verfassungswidrige Frauenqote toll - die einzige Partei, die ein verfassungskonformes Urteil erwirkt, wird als undemokratisch angeprangert. - Wer Linke, Grüne und Dumme wählt, kriegt Chaos als “Politik” serviert. Ein Volk erhält diejenige Regierung, die es wählt und somit auch verdient ...

Walter Weimar / 20.07.2020

Schön zu lesen, auch zum Lachen, über Grün und Rot, die Untätigkeit von CDU und FDP. (eine wahre Viererbande) Nur interessiert es die große Masse des Volkes nicht. Diese lassen sich vom Volksempfänger ihre Birne weichspülen.

Mathias Rudek / 20.07.2020

Liebe Frau Stephan, das war auf den Punkt, getroffen und versenkt. Mit wenigen Zeilen haben sie alles zu diesem Thema des ideologischen Paritätsanspruchs gesagt, was gesagt werden kann. Diese hohlen Ansprüche von Volksvertretern, die als unfähige Dünnbrettbohrer ständig ideologie-besoffen die Sau durch’s Dorf treiben. Und zum Glück haben hier Verfassungsrichter ihre Aufgabe auch wahrgenommen und Politiker aus der Kategorie “schwer erziehbar” ins Recht zu weisen. Von einer Frau Hennig-Wellsow, die Frau für’s Grobe an Herrn Ramelows Seite gibt sich uneinsichtig, ich habe aber von diesem Typus nichts anderes erwartet. Ich denke, dem Gros der Bürger ging dieser Quoten-Kram am Allerwertesten vorbei.

Rainer Niersberger / 20.07.2020

Die letzte Bemerkung duerfte zutreffen, zugleich aber die Frage aufwerfen, wieviele Frauen es gibt, die etwas auf sich halten. Zumindest unter denen, die politisch aktiv sein wollen. Dabei koennte (oder sollte) man das “etwas auf sich halten” durchaus auch in einem noch deutlich umfassenderen Sinn verstehen, was aber den Eindruck nicht unbedingt aufhellt. Ruehmliche Ausnahmen immer ausgenommen, nicht nur in der Politik, wo sie aber noch rarer sind, als unter den Herren, was etwas heissen will. Die “Ordnung”, Wahrnehmung und der kategorial und objektbezogen zutreffende Gebrauch von Geist und Gefühlen, nicht zu verwechseln mit Reflexen, Impulsen, Affekten und Sonstigem aus dem Belohnungssystem, das permanent rauschende Feste feiert, ist ja auf der weiblichen Seite noch defizitaerer als auf der maennlichen, die nicht zuletzt durch die Feminisierung in ein identitaeres Rutschen kam, das bis heute, erfolgreich getriggert, anhält, siehe dazu auch und unter anderem die “männliche” Begeisterung fuer die Quote.

Andreas Müller / 20.07.2020

Wenn Frau Kramp-Karrenbauer erzählt, sie sei eine Quotenfrau, dann ist das keine Werbung für die Quote. Sie befindet sich ja im Abgang, weil sie mit der Funktion der CDU-Vorsitzenden deutlich überfordert war.

Stephan Braun / 20.07.2020

Das Urteil des thüringischen Verfassungsgerichtshof ist unverzeihlich und muss sofort rückgängig gemacht werden!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Cora Stephan / 08.04.2024 / 06:15 / 35

„Babys sind der Goldstandard des Menschenhandels“

Birgit Kelles Zorn ist in jedem Kapitel ihres neuen Buches über Leihmutterschaft zu spüren. Sie hat die ganze Szene und ihre Propagandisten bis ins letzte…/ mehr

Cora Stephan / 08.03.2024 / 06:15 / 49

Männer! Richtige Männer! Es gibt sie noch!

Botschaft an alle Männer, die heimlich daran zweifeln, dass es 99 Geschlechter gibt, ein Mann per Selbstermächtigung zur Frau wird und Frauen die besseren Menschen…/ mehr

Cora Stephan / 29.02.2024 / 11:00 / 51

Daniela Klette und der vergessene Linksextremismus

Die Innenministerin ist voll des Lobes angesichts der Festnahme von Daniela Klette, 65 Jahre alt, Mitglied der RAF, Dritte Generation. Fahndungserfolg nach nicht einmal 30…/ mehr

Cora Stephan / 15.02.2024 / 06:05 / 65

Toxische Weis(s)heit: Die Heuchler von Ulm

Eine Stadt die in der Coronazeit durch besonders rigide Freiheitseinschränkungen von sich reden machte, setzt sich plötzlich für „Vielfalt und Demokratie“ ein. Ulm ist ein…/ mehr

Cora Stephan / 10.02.2024 / 12:00 / 36

Merz in Grün?

Was geht im Kopf eine Politikers wie Friedrich Merz vor, der die Grünen erst zum Hauptgegner erklärt und dann eine Koalition mit ihnen nicht mehr…/ mehr

Cora Stephan / 01.02.2024 / 12:00 / 40

Toxische Weis(s)heit: Teure Migration

Eine holländische Studie ermittelte, dass zwei Drittel aller Einwanderer den niederländischen Staat Geld kosten. In Deutschland ist die Lage längst kritisch. Wer 2015 nicht nur Gefühle…/ mehr

Cora Stephan / 25.01.2024 / 10:00 / 35

Preisverleihungen nur noch auf Bewährung!

Wer einen Preis verliehen bekommt, weil er was besonderes geleistet hat, sollte sich sehr genau überlegen, mit wem er künftig redet. Sonst ist der womöglich…/ mehr

Cora Stephan / 11.01.2024 / 10:00 / 55

Bauer, Trecker, Fußtritt

Was derzeit bei den Bauern los ist, hat eine weit längere Vorgeschichte als der Versuch einer unfassbar täppisch agierenden Regierung, bei den Landwirten Steuervergünstigungen und…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com