„Pardon, wir haben gewonnen“

Von Rainer Mohr.

Der großartige jüdische Schriftsteller Ephraim Kishon verfasste nach dem Sieg der Israelis beim Sechstagekrieg die Satire „Pardon, wir haben gewonnen“. Nach über 50 Jahren ist das Werk aktueller denn je.

Es würde sich in diesen Zeiten anbieten, den großartigen jüdischen Schriftsteller Ephraim Kishon angemessen zu würdigen. Sofern eine einzelne Person eine Versöhnung zwischen verfolgten Juden und dem deutschen Nachkriegsstaat zementieren konnte, dann war es dieser Journalist und Schriftsteller. Eine angemessene Würdigung sollte jenem Israeli, der am 23. August 1924 in Budapest als Ferenc Hoffmann geboren wurde, im nächsten Jahr anlässlich seines Geburtstages zukommen; hier und heute ist nicht der Anlass für eine Erinnerung an ihn, aber wohl an eines seiner Werke.

Aber er machte seinem Geburtsnamen alle Ehre. Seine Texte waren voller Hoffnung: auf ein zivilisiertes Leben im neuen Staat Israel, auf ein Verzeihen eines Opfers gegenüber seinen Tätern. Kishon hat viel dazu beigetragen, die Gräben aus der Nazizeit vergessen zu lassen. Wegen seiner Nachsicht gegenüber den Erben seiner Verfolger durfte Deutschland sich beruhigt fühlen, entlastet.

Seine Satiren „Mein Kamm“ (eine Parodie auf das Buch des Trommlers) oder „Der Blaumilchkanal“ (geeignet als eine Hommage an das zukünftige Wasserstoffnetz im besten Deutschland) machten Ideologen und Bürokraten lächerlich. „Zieh den Stecker raus. ..“ beschreibt die Idiotie, wie Albernheiten zur Kunst erhoben werden. Die Figuren wie Jossele oder Podmanitzki legten Charaktere offen, die einjeder von uns im Alltag kennt: altklug, egozentrisch. Die Schilderung der Selbstbesoffenheit von Politikern in kleinen Anekdoten oder im ganzen Roman („Der Fuchs im Hühnerstall“) war schon seinerzeit eine geniale Abrechnung mit dem politischen Führungspersonal – damals eine Satire, heute eine moderate Beschreibung.

„Melodische Haß- und Rachegesänge“

Leider sind die monströsen Vorgänge, gegen die sich derzeit aktuell Israel zur Wehr setzen muss, nicht einmalig für dieses verfolgte Volk. Auch in der Vergangenheit hat dieser kleine tapfere Staat seine Eigenständigkeit gegen alle Widerstände verteidigen müssen. Aus den Ereignissen des Sechstagekriegs stammt Kishons Textsammlung „Pardon, wir haben gewonnen“ von 1967. Die Texte wurden begleitet mit Cartoons der bekannten israelischen Figur Srulik, einer Schöpfung des ebenfalls in Budapest geborenen Karikaturisten Karl Darosh.

Man kann die Fülle jener Texte, Ideen, Kritik und Schmunzeleien Kishons hier nicht wiedergeben, und dies soll auch nicht Gegenstand dieses Textes sein. Aber: Kein Euro, den man in den Erwerb eines seiner Texte steckt, ist vergebens! Den Band „Pardon, wir haben gewonnen“ kann man heute einzeln leider nicht mehr neu kaufen. Er ist jedoch innerhalb des Sammelbandes „Alle Satiren“ im Langen-Müller-Verlag erschienen, den ich Ihnen hiermit ans Herz legen möchte: Die Situation der Juden in einem muslimischen Umfeld wird Ihnen in den Schriften, die über ein halbes Jahrhundert alt sind, überdeutlich werden. Wie etwa beim folgenden Text (der eine Erläuterung innerhalb des „Pardon“-Buches ist, keine eigenständige Satire oder Geschichte):

„Wie die Geschichte lehrt, leben die Völker der Welt entweder im Frieden oder im Krieg. Israel lebt irgendwo dazwischen. Von dem sogenannten 'Waffenstillstandsabkommen' mit unseren arabischen Nachbarn, das wir 1948 unterzeichnet haben, ist eigentlich nur das Abkommen in Kraft getreten, und selbst das nur begrenzt: Unsere arabischen Nachbarn kommen ununterbrochen vom Waffenstillstand ab. Der sogenannte 'Frieden' ist, obwohl er sich in nächster Nähe befindet, für uns unerreichbar.

Aus diesem Zustand hat sich eine Art des Zusammenlebens entwickelt, die als weltpolitische Neuerung gelten darf: die kriegerische Koexistenz. Dazu tragen nicht unwesentlich die vielen Flüchtlinge bei, die 1948, als unser kaum gegründeter Staat von unseren arabischen Nachbarn überfallen wurde, das Land verließen, weil man ihnen versprach, daß sie nach wenigen Tagen – also nach der Vernichtung Israels und der Wiederherstellung Palästinas – zurückkehren könnten.

Als die Vernichtung nicht ganz programmgemäß ablief, blieben die palästinensischen Araber, wo sie waren. Ihre arabischen Brüder, außerstande, den Jammer der Flüchtlinge mitanzusehen, siedelten sie in Konzentrationslagern nahe der israelischen Grenze an, ließen sie von der UNNRA erhalten und lehrten sie schöne, melodische Haß- und Rachegesänge, um sie auf die Rückeroberung Palästinas vorzubereiten. Es versteht sich von selbst, daß dadurch die Friedensaussichten gefördert werden.“

Wie gesagt: Satire vom Feinsten. Heute noch bitterernst. Ideal für den Tannenbaum! Slawa Srulik.

„Alle Satiren“ von Ephraim Kishon, 2014, Langen Müller Verlag GmbH: München. Hier bestellbar.

 

Korrektur: Irrtümlich wurde dieser Text von Rainer Mohr zunächst dem Autoren Reinhard Mohr zugeschrieben. Rainer Mohr, geb. 1957, ist Diplom-Verwaltungswirt, arbeitete 30 Jahre lang in der niedersächsischen Kommunalverwaltung, unter anderem als stellvertretender Behördenleiter. 

Foto: Boris Carmi/ Israelische Nationalbibliothek CC BY 4.0 via Wikimedia Commons

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A.Schröder / 26.11.2023

Nicht nur daß Ephraim Kishons Werk aktueller denn je, auch die Tatsache das Israel nichts daraus gelernt hat, ist von Bedeutung. Oder ist es bloß die verordnete Angst in Israel, auf strengen Wunsch der USA, die arabische Welt könnte sich ganz friedlich vertragen und einig sein?

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