Von Rainer Mohr.
Geburtstagswünsche sind zwar überwiegend persönlicher Natur und werden nur selten öffentlich ausgesprochen. Aus aktuellem Anlass möchte ich aber einen öffentlichen Glückwunsch aussprechen. Ich lade Sie ein, sich diesem Glückwunsch anzuschließen.
Der Geehrte ist ein englischer Plattenstar.
Das Geburtstagskind steht in der Woche seines Geburtstags auf einem absoluten Spitzenplatz in den Charts, und dies seit Beginn der Statistiken über Plattenverkäufe. Er besetzt derzeit nicht nur die Nummer 1 der Single-Charts im Vereinigten Königreich, sondern er ist noch mit einer anderen Tatsache Spitzenreiter: er ist der älteste Sänger, der jemals eine Number-One-Single-Disc besang. Damit verdrängt er den bisherigen Rekordhalter, Sir Tom Jones, auf Rang 2, Louis Armstrong auf Platz 3, und der bisherige Inhaber der Bronzemedaille, Tony Christie, fällt aus dem Medaillenspiegel raus.
Verkauft hat er seine Single bislang 82.000 mal. Behalten hat er vom Erlös keinen Penny.
Die Rede ist von „Captain“ Tom Moore, der am 30. April 2020 seinen einhundertsten Geburtstag begeht.
Feuerwehrleute und Krankenhauspersonal applaudieren
Begonnen hatte es damit, dass er erhofft hatte, über eine Strecke von 100 Runden in seinem Garten Spenden von 1.000 Pfund zu erlaufen, nur begleitet von seinem Rollator. Den erlaufenen Spendenbetrag wollte er dem englischen nationalen Gesundheitsfonds spenden, um seine Dankbarkeit für dessen Leistungen, unter anderem im Kampf gegen Corona, zu würdigen.
Man erinnere sich daran, dass Boris de Pfeffel Johnson (im Volksmund: BoJo) seinen Wahlkampf zum Brexit zu großen Teilen mit dem Argument geführt hatte, dass die vielen Millionen des britischen Steuerzahlers besser dem nationalen Gesundheitswesen als dem bürokratischen Brüssel zugutekommen sollten.
Mittlerweile zeigt das BBC Fernsehbilder, in denen uniformierte Soldaten dem ehemaligen Offizier Spalier stehen und mit militärischen Ehren grüßen. Feuerwehrleute und Krankenhauspersonal stehen vor dem Grundstück und applaudieren.
Der Hundertjährige gibt alles
Auf der anderen Seite des Kanals darf man Bilder von Militärs als Teil der Zivilgesellschaft zeigen; dies wäre in Frankreich und Italien ebenfalls möglich, in Deutschland wäre dies nicht denkbar. Im Königreich tappert ein alter Mann durchs Bild und erhält Beifall, in Deutschland wertet man diese Generation als „Umweltsau“ oder „Nazisau“ ab.
Der Hundertjährige gibt alles (körperlich, dazu jetzt auch noch einen Haufen Geld), während unsere junge Generation auf den Marktplätzen hüpft und fordert, dass die Erwachsenen (nicht die Hüpfer selbst) was tun müssen, weil die Jugend „beklaut“ wird. Mehrere Freitage Schule schwänzen gilt als Handlungsinitiative, während ein Dutzend freier Schultage infolge Corona (ein wesentlicher Teil der schulfreien Tage war ja ohnehin Osterferien) zu einem Aufschrei führt, dass die Vorbereitungszeit für die Abiturprüfung ungerechterweise verkürzt ist und eine Prüfung damit unzumutbar, so nach mehr als zwölf Jahren Schule. Und ein alter weißer Mann, auch noch Ex-Soldat, verknüpft dagegen seinen Ansporn, dass „man“ etwas tun müsse, mit einer erfolgreichen Initiative. Chapeau.
Happy birthday to you, Captain Tom. And I want to thank you, for you prove before the world that even an old guy can move mountains, literally speaking. What an example of courage, initiative and generosity. You did well, you saved my day, Sir.
Ach so, der Song.
Der Tommy covert (im Duett) den Song „You´ll never walk alone“. Die Einnahmen aus dem Verkauf gehen an den “National Health Service Charities Together Fund“. 32 Mio. Euro sind bislang allein durch seinen „Wohltätigkeitsspaziergang“ zusammengekommen. What a man.