Ich habe mich in meiner Forschung stark mit dem Big-Five-Persönlichkeitsmodell beschäftigt. In einem meiner Projekte haben meine Mitarbeiter und ich gezeigt, dass man die fünf Persönlichkeits-Faktoren dieses Modells (Aufgeschlossenheit, Gewissenhaftigkeit, Extravertiertheit, Verträglichkeit, Neurotizismus) noch in zehn Unterpunkte gliedern kann. Somit erhält man noch differenziertere Skalen, um die Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen zu beschreiben. Wir haben nun untersucht, inwiefern diese Unterpunkte mit einer bestimmten politischen Einstellung verbunden sind.
Dabei zeigte sich, dass Konservative im Schnitt höflicher und Linke empathischer und vertäglicher sind. Wir wussten nicht so recht, was wir damit anfangen sollen. Denn was genau versteht man unter „Höflichkeit“ eigentlich? Diese Eigenschaft scheint mit Obrigkeitshörigkeit verbunden zu sein. Oder vielleicht eher mit Respekt vor Autorität. Andererseits ist aber auch Gewissenhaftigkeit mit Respekt vor Autorität verknüpft. Was beinhaltet also Höflichkeit als Persönlichkeitsmerkmal, was nicht bereits durch Gewissenhaftigkeit abgedeckt ist?
In jedem Fall begeistert mich an meiner eigenen Forschung sowie an der Forschung anderer in diesem Feld der ziemlich revolutionäre Ansatz, dass politische Ansichten an das Temperament der jeweiligen Person gebunden sind. Denn das würde ja bedeuten, dass unsere Biologie uns größtenteils mit einem bestimmten Filter für Fakten ausgestattet hätte.
Wir glauben ja gerne, dass wir unsere rationalen Schlüsse aus den Fakten unserer Umgebung ableiten würden. Bedauerlicherweise aber gibt es um uns herum zu viele Fakten, sodass wir eine Auswahl treffen müssen. Das Temperament bestimmt zu einem großen Teil, womit wir uns auseinandersetzen.
Das macht sich beispielsweise auch in der Wahl unserer Lektüre bemerkbar. Menschen, die hohe Werte auf der Offenheits-Skala erzielen, greifen etwa viel häufiger zu Belletristik. Die Unterschiede beginnen schon beim eigentlichen Prozess der Informationsbeschaffung.
Dies ist ein Auszug aus einem Gespräch zwischen Jordan B. Peterson und Scott Barry Kaufman. Hier geht's zum Auszug und hier zum gesamten Gespräch.