112-Peterson: Was ist geistige Gesundheit?

Im Laufe der Zeit ist mir klar geworden, dass unsere links-protestantische Definition von Vernunft oder geistiger Gesundheit falsch ist.

Wir haben die Tendenz zu glauben, dass Vernunft an die interne psychologische Organisation gekoppelt ist. Man ist also gesund, wenn die Psyche gut konstituiert ist. Man ist bei Verstand, wenn man in Bezug auf neurologische Funktionen biologisch gesund ist. Man begreift eine gute psychische Konstitution also als etwas individuelles.

Die Idee der Selbstverwirklichung ist daran gekoppelt. Man ist gesund, wenn man ein gesundes Individuum ist. Und Gesundheit ist die Beschreibung eines gut konstituierten Individuums. Damit könnte einhergehen, dass man irgendwelche sozialen Einschränkungen des Blühens unserer Individualität als antithetisch zu unserer Gesundheit betrachten könnte. Die „zersetzende Kritik“ an sozialen Institutionen – wie Partnerschaft, Familie oder Beruf – scheint unumstößllich davon auszugehen. Nach dem Motto: „Nichts sollte meine Selbstverwirklichung einschränken. Alle sozialen Faktoren stehen im Widerspruch zu dieser spontanen Organisation und meiner Gesundheit als solcher.“

Ich würde sagen, dass dies nicht das richtige Vertständnis des Begriffes „geistige Gesundheit“ ist. Es ist zu atomistisch, zu individuell. Ich würde stattdessen fragen: „Wie gesund kann man in einer schrecklichen Ehe sein?“ Und hier ist egal, wie gut die eigentliche individuelle Konstitution ist. Das ist eine ganz andere Frage.

Kein Wunder, dass ein solcher Mensch deprimiert ist

Wenn ich Klienten hatte, die zu mir wegen Depressionen kamen, versuchte ich zunächst immer herauzufinden: Sind sie depressiv oder haben sie einfach ein schreckliches Leben? Denn das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Wenn man depressiv ist, hat man ein Leben, das im Grunde funktionieren sollte, das aber trotzdem nicht gut läuft. In dem Fall schildern die Leute oft, dass sie eigentlich einen guten Job, eine tolle Famlie und einen liebevollen Partner haben. Und trotzdem geht es ihnen schlecht. Dann muss man das natürlich vertiefen. Es klingt aber nach einer typischen Depression.

In anderen Fällen sagen Leute, dass es ihnen schlecht geht, dass sie leiden und nicht mehr leben wollen, bei denen sich herausstellt, dass sie keinen Partner, keine Freunde, keinen Kontakt zu ihrer Familie und keinen Job haben. Man kann sich auf diese Weise durch das Leben eines Menschen arbeiten und sich fragen, ob er – ja was? Ob er vernünftig eingebettet ist in eine Hierarchie sozialer Faktoren.

Und wenn die Antwort nein ist – kein Partner, keine Familie, keine Kinder, keine Freunde, kein Job, keine Karriere, keine Bildungslaufbahn, kein ehrenamtliches Engagement, keine Kirchengänge, kein spirituelles Leben, keine Routinen – dann ist der Betreffende nicht depressiv, sondern hat einfach ein schreckliches Leben. Auf multi-dimensionaler Ebene. Kein Wunder, dass ein solcher Mensch deprimiert ist. Denn bei ihm läuft ja absolut gar nichts.

Das interessante an dieser Betrachtungsweise ist, dass es sich nicht wirklich um eine Diagnose auf individueller Ebene handelt. Es ist eine Diagnose in Bezug auf die Beziehung zwischen dem Individuum und der sozialen Struktur seines Lebens (...) Geistig gesund sein würde demnach nicht bedeuten, als abgekapseltes Individuum bei guter Konstitution zu sein. Geistige Gesundheit würde sich somit einstellen, wenn man innerhalb einer Hierarchie der sozialen Ordnung gut aufgestellt ist.

 

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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Ralf Pöhling / 28.02.2024

Und nun der zweite Streich: Man stelle sich eine Situation vor, in der ein Mensch nicht artgerecht leben kann, also so ganz banale Dinge wie unbehelligtes Spazieren im Park, abends irgendwo etwas Essen gehen, Privatsphäre in den eigenen vier Wänden und damit alle Dinge die Mann oder Frau so üblicherweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit tun, nicht mehr möglich sind, weil eine Horde Spanner mit ihren Überwachungsinstrumenten jeden einzelnen Schritt der Person überwachen und die überwachte Person das auch gesichert weiß. Was dann? Kann man eine solche Person, der so etwas widerfährt, genauso psychologisch beurteilen, wie einen depressiven Normalbürger, in dessen Leben eigentlich alles geregelt läuft? Nein, natürlich nicht. Und jetzt kommt noch ein Punkt dazu: Wenn die Person gesichert weiß, dass sie seit Jahren dauerüberwacht wird und keine Privatsphäre mehr hat und diesen Umstand dann auch noch zu ihren eigenen Gunsten ausnutzt und die Überwacher andauernd mit Absurditäten narrt, um sie auf die falsche Fährte zu bringen, was folgt dann für die psychologische Bewertung daraus? Ist die Person dann irre oder nicht vielleicht sogar ein meisterhaftes Chamäleon, was einen kompletten internationalen Sicherheitsapparat mit all seinen “Fachleuten” und all den technischen Spielereien komplett am Nasenring durch die Manege führt? Wer ist hier der Psycho, wer ist hier pervers im Kopf? Der Überwachte oder nicht doch viel eher seine Überwacher? Eine Dauerüberwachung einer Person damit zu rechtfertigen, dass dies ihrem Schutz diene, während man ihr selbst den Waffenschein versagt, mit dem sich die Person in Anbetracht ihrer exzellenten beruflichen Expertise hervorragend selbst schützen könnte, ist schon eine selten dümmliche Erklärung für Staatsterrorismus schlimmster Ausprägung. Es stellt sich die Frage, woher der Westen das Recht nimmt, die Russen wegen Nawalny zu kritisieren. Wir sind hier im Westen schlimmer. Viel schlimmer. Der gesamte Westen ist mental total kaputt.

Ralf Pöhling / 28.02.2024

Der erste Streich: Wunderbar auf den Punkt gebracht. Wie sagt der Jurist? “Es kommt darauf an”. Das gilt natürlich auch für die körperliche und damit geistige Gesundheit, denn beides lässt sich ja nicht trennen. Nehmen wir mal ein körperliches Beispiel, dann wird es sofort ersichtlich: Wenn ein Sportler unter Belastung einen Puls von 130 hat, dann ist das nicht etwa ungesund oder abnormal, sondern ein Zeichen für einen guten gesundheitlichen Zustand. Wenn jetzt aber jemand einen Ruhepuls von 130 beim Fernsehschauen auf der Couch hat, ist das überaus bedenklich, denn der übliche Ruhepuls liegt bei einigermaßen gesunden Menschen bei etwa 80. Man muss also die Umstände der Lebensbedingungen mit im Blick haben. Das gilt natürlich erst recht für den Geist und unter welchen Bedingungen er agieren muss. Ein Polizist, ein Feuerwehrmann, ein Soldat im Einsatz, oder auch ein Agent der Aufklärung im Feindesland, reagiert körperlich und auch mental im Einsatz ganz anders und hat deswegen erhöhten Puls und in dem Moment auch andere Blutwerte, da das Adrenalin ja durch den Körper rauscht. Solche Jobs sind eben stressig und fordern Körper und Geist ganz anders, als sich der Durchschnittspsychologe das vorstellen kann. Natürlich gibt es dabei, eben wie beim sportlichen Training, einen Trainingseffekt und damit eine Gewöhnung an das gefährliche Umfeld. Anders könnte man solche Jobs länger gar nicht ausführen. Ein Normalbürger unter lebensgefährlichem Stress reagiert deshalb körperlich viel intensiver, als jemand, der fortwährend einer solchen Situation ausgesetzt ist. Nichtsdestotrotz bleiben hier bei beruflich gefährdeten Personen natürlich Besonderheiten in den Verhaltensweisen/den Körperfunktionen sichtbar, die mit denen eines stressfrei lebenden Normalbürgers nicht vergleichbar sind. Bewertet man eine solche Person jetzt ohne Kenntnis über deren echte, teils hochgefährliche Lebensumstände, kommt man unweigerlich zum falschen Schluss. Der zweite Streich folgt sogleich.

Olga Thon / 28.02.2024

Es tut mir leid, Herr Petersen, aber schon wieder verallgemeinern Sie und stellen Ihre Meinung als die einzig gültige dar. Somit enttäuschen Sie mich erneut. Was ist los mit Ihnen? Halten Sie sich auf einmal für Gott? Oder warum meinen Sie, dass ausgerechnet Ihre Meinung der Wahrheit entspricht? Muss man sich Sorgen um Ihre eigene geistige Gesundheit machen? Denn so ein Verhalten ist eigentlich ein Zeichen für Narzissmus wenn nicht gar mehr? Was ist, wenn Sie in diesem Punkt die Ursache und die Wirkung verwechseln?

Gabriele Klein / 28.02.2024

PS Notiz zu meinem Kommentar betr. abnormale Gesellschaften. Um hier etwas Hoffnung zu machen (wir brauchens sie dieser Tage dringend) sei auf einen sehr guten Artikel hingewiesen: “As Trust in Government Falls, Spiritual Faith Rises” By J.B. Shurk in “American Thinker” February 26, 2024” Entsprechende Persönlichkeiten, die das Böse nicht nur benennen, sondern die mit gutem Beispiel , sinnvolleren Alternativen u. unzähligen followers voran gehen, um einen Strich durch die Rechnung des Bösen zu machen gabs in d.Geschichte hindurch zum Glück auch. Gerade im Bible Belt der USA. In diesem Sinne hoffe ich auf Peterson’s Werk, das klar eine “Marktlücke” schließt die von keinem andern als diesem Psychologen geschlossen werden kann, egal wie sich die AGITPROP auch dagegen dreht und wendet. Ich wünsche Peterson eine vergleichbare Gefolgschaft wie gewissen Pastoren aus dem Bible Belt. dazu brauchts keine Lizenz, die stört da bloß. Nur so, in Bezug auf den Schöpfer selbst, gelingt die Heilung einer ganzen Gesellschaft. Aus sich selbst heraus jedoch niemals. Denn die Dialektik des Bösen gebirt nichts Gutes. Sodom wurde von außen zerstört und Babel auch (obgleich man auch argumentieren kann dass sowas letztlich sowieso implodiert.Denn, eine Gesellschaft ohne gemeinsamen Nenner überlebt nicht u. die Hirngrütze eines Zweibeiners kann niemals das Paradies der restlichen 99% d. Menschheit abbilden. So viel zu K. Marx, Mao, Hitler Stalin u.Co.

Gabriele Klein / 28.02.2024

Und wenn die Antwort nein ist – kein Partner, keine Familie, keine Kinder, keine Freunde, kein Job, keine Karriere, keine Bildungslaufbahn, kein ehrenamtliches Engagement, keine Kirchengänge, kein spirituelles Leben, keine Routinen – dann ist der Betreffende nicht depressiv, sondern hat einfach ein schreckliches Leben. Na ja, so oder so ähnlich sieht die Vita von manch namhaftem Künstler aus. Bin da erinnert an “The Moon and Sixpence” v.. W. Somerset Maugham, der sich dabei zumindest teils angeblich auf Gaugin bezieht.  Die Geschichte hab ich als recht desolat mit sehr bitterem Nachgeschmack in Erinnerung, die Bilder von Gaugin jedoch als wunderschön.

Thomas Taterka / 28.02.2024

Noch ein Wort : Lassen Sie niemals zu , daß ein Arzt Sie aus politischen Gründen herablassend behandelt . Das ist nicht sein Job . Weisen Sie jedweden Versuch sofort zurück oder stehen Sie auf und verlassen Sie die Praxis . Dann bleiben Sie geistig gesund , auch wenn sie Probleme haben könnten , die Sie vielleicht behandlungsbedürftig machen . - Wenn Sie geistig stabil sind , handeln Sie so bei jeder Herablassung andererseits , immer , d.h. Sie gestatten so etwas NIEMAND , unter keinen Umständen .

Joachim Willert / 28.02.2024

Du brauchst Menschen, die dir sagen können, was du nicht hören willst. (Robert de Niro ). Jetzt noch ein wenig Überwindung und die Sache ist geritzt.  ( aun di zakh iz kzatsn )

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