112-Peterson: Die Psychologie eines Losers

Der Künstler Robert Crumb stand in der Highschool ganz unten und verarbeitete dies in Cartoons, was ihn schließlich berühmt machte. Die Gesellschaft hat wenig Verständnis für männliche Loser.

Der Künstler Robert Crumb (*1943) ist für seine Cartoon-Darstellungen vogelköpfiger Frauen bekannt. Es gibt außerdem die hervorragende Dokumentation „Crumb“ von 1994 über ihn, die beste Doku, die ich bislang überhaupt gesehen habe. Er gibt zu, an der Highschool in jeglicher Hinsicht ein Losertyp gewesen zu sein, also ist die Beschäftigung mit ihm eine „Studie der Loser-Psychologie“. Gleichzeitig ist sein Fall sehr komplex, denn er war ein extrem intelligenter und unglaublich kreativer Loser (...) Schließlich wurde er berühmt. Er war einer der Begründer der Underground-Comics-Bewegung in den 60er Jahren, die praktisch der Ursprung jedes Graphic Novels sind. Er ist also einer der Protagonisten in dieser Nische.

Besagte Dokumentation ist eine brilliante Analyse des Verhältnisses zwischen Scheitern und Erfolg sowie sexuellen Scheiterns und sexuellen Erfolgs. Denn in einer denkwürdigen Szene spricht er darüber, wie er als Jugendlicher ein gebrochenes Herz zeichnete, da ihn alle Mädchen ablehnten. Er berichtet, dass er sich praktisch jenseits der Verachtung befand. Denn aus Sicht der Mädchen befand er sich nicht einmal annähernd in der Kategorie der akzeptablen Datingpartner. Er existierte also komplett außerhalb des Spiels, zurückgewiesen von der Weiblichkeit als solcher.

Er malte also Bilder von vogelköpfigen Frauen mit Zähnen. Sie haben mächtige, dicke Oberschenkel, große Hinterteile – körperlich kräftige, einschüchternde Frauen. Wie Mütter. Manchmal zeichnete er winzige Männerfiguren dazu, die an den Beinen der riesigen, baumhohen Frauen hochklettern. Sie sind aggressiv und tyrannisch.

Der Grund für diese Bilder liegt natürlich vordergründig darin, dass bis dato jede Frau, der er sich jemals näherte, ihn aufs Extremste zurückwies und mit nichts als Verachtung strafte. An einer Stelle der Dokumentation sagt er: „All das änderte sich, als ich erfolgreich wurde.“ Man kann den Groll und die Bitterkeit in seiner Stimme deutlich hören.

Jedenfalls hat sich seine Stellung gegenüber der Damenwelt geändert, als er mit Mitte 20 erfolgreich wurde. Er war noch ziemlich jung, hatte aber vorher genug Zeit als Außenseiter am unteren Ende der männlichen Dominanz-Hierarchie verbracht.

Besagte Reportage stellt all das brilliant heraus. Es ist im Grunde eine Studie der Freudianischen Psychopathologie: Er hatte einen autoritären Vater und eine duldsame Mutter. Letztere spielt im Film eine zentrale Rolle. Ich habe diese Doku mittlerweile bestimmt 40 Mal gesehen und immer wieder in meinen Seminaren gezeigt, Szene für Szene. Es gibt ja nicht so viele Darstellungen, die die Welt aus der Perspektive eines männlichen Losers präsentieren. Natürlich spielt die Subkultur immer wieder damit. Aber diese Dokumentation bringt den ganzen Komplex wirklich auf den Punkt.

Wie tiefgreifend eine solche Prägung sein kann, zeigen die Schicksale seiner beiden Brüder. Einer wurde zum Triebtäter und endete auf den Straßen San Franciscos und der andere beging Selbstmord, indem er mit Mitte 50 Möbelpolitur trank. Letzterer wurde ebenfalls an der Highschool gemobbt und lebte sein ganzes Leben bei seiner Mutter. Der Film ruft natürlich Mitgefühl für die dargestellten Schicksale hervor, aber gleichzeitig wird deutlich, dass die Gesellschaft im Prinzip wenig Verständnis für solche männlichen „gescheiterten Existenzen“ hat.

Dies ist ein Auszug aus einem Gespräch zwischen Jordan B. Peterson und dem US-amerikanischen Bestseller-Autor und Männerrechtler Dr. Warren Farrell. Hier geht’s zum gesamten Gespräch.

Foto: jordanbpeterson.com

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Leserpost

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Gerhard Hotz / 15.12.2021

Nur ein Beispiel von vielen. Der Anteil von Outsidern oder Freaks an den Durchbrüchen in Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur ist erstaunlich hoch. Andere Beispiele: van Gogh, Beethoven, Einstein.

Paul Siemons / 15.12.2021

Meine Theorie ist seit langem, dass all die Frauen, die uns heute politisch tyrannisieren, früher in der Tanzstunde, in der Disco und bei der Dorfkirmes stets sitzen geblieben sind und sich dann irgendwann schworen, es der Welt später heimzuzahlen.

Werner Arning / 15.12.2021

Die Mutter scheint ihre Söhne in für diese verheerender Art und Weise emotional an sich gebunden zu haben. Der Vater war vermutlich weder für seine Ehefrau, noch für seine Söhne emotional zugänglich. Deshalb „hielt sich“ die Mutter an ihre Söhne. Unbewusst mag sie Männer gehasst haben. Die Söhne waren mit der ihnen aufgebürdeten Rolle hoffnungslos überfordert. Ihrerseits erlebten sie die Mutter als dominant, vielleicht sadistisch und möglicherweise als übergriffig. Daraus resultiert wohl die Angst vor dem weiblichen Geschlecht, welches in unterschiedlicher Weise „kompensiert“ wurde. Die Angst kann sich etwa in Frauenhass ausdrücken. Der eine Sohn ist gleich bei ihr geblieben. Er resignierte wohl komplett und hat sich dann mit einem Putzmittel vergiftet (hatte die Mutter zufälligerweise einen Putzfimmel?), der zweite hat seine Angst vor Frauen in „frauenfeindlichen“ Bildern verarbeitet und nichts wie Verachtung für Frauen übrig. Der dritte wurde zum Triebtäter, deren Motivation nicht selten eine kompensierte Angst vor, und Hass auf Frauen ist. Ja, Mütter können Leben schenken, sie haben aber auch die Kraft, Leben zu nehmen. Es geht mir um realistische Betrachtung, nicht um Schuldzuweisung oder Entlastung.

Karol Bayer / 15.12.2021

Diese Biografien werfen ein Schlaglicht auf das selbstzerstörerische Element unserer Gesellschaft. Das Männerbild, das jungen Mädchen vor allem von Medien vorgegaukelt wird, ist noch klischeehafter und oberflächlicher als die objektifizierende Sexualisierung von Frauen. Beide Geschlechter fahren damit nicht gut, bei Männern führt das zu einer statistisch belegbaren Entfremdung von der Partnersuche, die zu einem erheblichen Anteil an Männern in der Bevölkerung führt, die ihr Leben lang keine Partnerin haben. Frauen haben es bei der (kurzfristigen) Partnerwahl zwar leichter, doch zeigt der hohe und immer größer werdende Anteil alleinerziehender Mütter sehr deutlich, dass auch das andere Geschlecht unter toxischen Vorstellungen vom Idealpartner leidet. Im Vordergrund stehen auf beiden Seiten Äußerlichkeiten und primitive Klischees, die im Widerspruch zur hochentwickelten Technologiegesellschaft stehen, die eigentlich Intellektuelle und Begabte benötigt. Doch bei der Partnersuche gilt nicht der stille Intellektuelle als Ideal, sondern der körperlich durchsetzungsfähige, großgewachsene Adonis, obwohl dieser paradoxerweise in der Hierarchie der Leistungsgesellschaft ganz unten steht. Für Frauen ist der selbstgefällige Macho interessanter, obwohl das Risiko der Untreue und der Geringschätzung für die Partnerin sehr hoch ist, während loyale, auf Ausgleich und tragfähige Zukunft orientierte Männer als schwächlich und unattraktiv gelten. Dabei sind letztere die fähigen Ernährer, die fürsorglichen Väter und die Kümmerer, wenn in der Familie z.B. gepflegt werden muss. Ironischerweise fordern Feministen genau diesen Typ Mann als Ideal, stattdessen vermittelt die moderne Gesellschaft Mädchen das exakte Gegenteil als Ideal. Treppenwitz: der intelligente, unauffällige Mann kann sich alleine gut durchbringen und seine Misserfolge bei Frauen durch Erfolge im Beruf kompensieren. Die vom Macho geschwängerte Frau, die dann als Alleinerziehende kämpfen muss, hat Pech.

Harald Hotz / 15.12.2021

Eine bemerkenswerte Biographie und auch sicher ein Beispiel dafür, wie man sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen kann. Vielleicht unterscheidet es den “großen Loser”, vom Versager, daß er sich nicht aufgibt, sondern neu erfinden kann. - Allerdings finde ich, daß wir inzwischen zu viel Verständnis für Loser haben, wir wählen sie sogar in den Bundestag und die Loser dort, wählen sie dann zu Bundeskanzler*innen. Man könnte mit Nietzsche sogar wieder den Haß auf alles “Wohlgeratene” diagnostizieren, der inzwischen allerorten dominiere. Daß manche unserer Vorzeigeloser sogar den Verstand “gelost” haben, kann man an Zitaten wie “Es wird keine roten Linien geben!”, und “Wir werden es uns nicht gefallen lassen, dass eine winzige Minderheit von enthemmten Extremisten versucht, unserer gesamten Gesellschaft ihren Willen aufzuzwingen” erkennen. Das erinnert an andere Zitate: “Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!” - “Eine ganze kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich unvernünftiger, verbrecherisch-dummer ...” - Da ist doch ein großer Unterschied zu diagnostizieren zu den Worten eines wahrhaft großen Losers: “Wir wollen mehr Demokratie wagen!”

Hans Reinhardt / 15.12.2021

Und was wird ein hässlicher Loser, der weder intelligent noch kreativ ist, heute? Gesundheitsminister!

Rainer Niersberger / 15.12.2021

Nur zur richtigen Einordnung : Seine “Stellung” zur Damenwelt hat sich geaendert, weil sich deren “Stellung” zu ihm geaendert hat. Und diese Änderung hatte (natuerlich) nichts mit seiner Person als solche zu tun, denn die duerfte in etwa gleich geblieben sein, sondern, was nun nicht überrascht, mit seiner Prominenz. Diese oder aehnliche “Erfahrungen” sind inzwischen Standard und von den (jungen) Herren auch als Schlüssel erkannt. Selbst eine (gescheiterte) z - Prominenz steigert das Wohlgefallen der Damen enorm, voellig unabhängig von dem jeweiligen Typen uebrigens, denn der Prozess, der hier in einem bestimmten Hirnareal abläuft, hat mit diesem und seinen Qualitäten nicht das Geringste zu tun. Weder er, noch die Damen sind nun “plötzlich” andere Menschen geworden. Er hat lediglich den entscheidenden Triggerfaktor, Belohnung /Bestaetigung/ Konkurrenz, fuer Groupieverhalten “gefunden”.  Da gibt es dann kein Halten mehr.  Substantiell mag jeder das bewerten wie er will.

Wilfried Cremer / 15.12.2021

ich kann Kalifornien nicht denken, ohne Crumb im Hinterkopf zu haben. Man sieht ja, dass er richtig lag und da jetzt alles crumb geworden ist.

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