112-Peterson: Besser sprechen – besser leben

Warum wohl hat sich im Laufe der Geschichte unter den Reichen die Tradition etabliert, ihren Kinder eine humanistische beziehungsweise geisteswissenschaftliche Bildung angedeihen zu lassen? Weil ihnen vollkommen klar ist, dass nichts mehr Macht verleiht als belesen und redegewandt zu sein.

Nichts macht uns gefährlicher, als unsere Sprachgewandtheit zu verbessern. Dies gelingt durch Lesen, vor allem von gewichtiger Literatur, durch Denken – und natürlich durch das Sprechen selbst.

Wie kann man dies nicht als zentralen Punkt in Sachen Bildung betrachten? Wollen wir wirklich unfähig sein, uns gut zu artikulieren und über alles stolpern, das wir versuchen, kommunikativ und gedanklich anzugehen? Das führt doch nirgendwohin!

Unter diesen Umständen hat man nicht einmal einen Begriff von der eigenen Person. Man besteht eigentlich nur aus Gefühl, das sich ausdrücken will – möglicherweise sogar in Gewalt – weil man einfach nicht die passenden Worte finden kann. Man stolpert umher, stößt sich verbal überall, ist plump, langweilig – und weit davon entfernt, geistreich zu sein und zu glänzen.

Und bestimmt wird man unter diesen Umständen auch nicht flachgelegt – höchstens aus Mitleid. Letzteres ist möglicherweise nicht die ausschlaggebendste Motivation – aber trotzdem nicht unerheblich.

(...)

Auf meiner Website befindet sich eine Liste von aus meiner Sicht großartiger Literatur, bestehend aus ungefähr 100 Titeln. Ich habe diese Auflistung zusammen gestellt, weil es sich dabei um Bücher handelt, die einen enormen Einfluss auf mich hatten. Sowohl als wissenschaftlicher Denker als auch als philosophischer oder psychologischer Denker. Ich möchte jeden dazu ermutigen, diese Bücher zu lesen, der seine Artikulationsfähigkeit verbessern und alle damit verbundenen Vorteile genießen möchte. Und die Vorteile, die sich daraus ergeben, sind immens, bezogen auf alle Lebensbereiche.

Natürlich ist man nach der Lektüre dieser Literaturliste nicht allwissend, aber man weiß definitiv eine Menge mehr als zuvor.

(...)

Warum wohl hat sich im Laufe der Geschichte unter den Reichen die Tradition etabliert, ihren Kinder eine humanistische beziehungsweise geisteswissenschaftliche Bildung angedeihen zu lassen? Bestimmt nicht, weil diese Leute blöd sind! Nein, ihnen ist vollkommen klar, dass nichts mehr Macht verleiht als belesen und redegewandt zu sein.

Natürlich kann man jedem Geisteswissenschaftler vorwerfen, dass er ja nichts konkretes gelernt hätte und möglicherweise sollte man ein geisteswissenschaftliches Studium mit konkreten Praxiserfahrungen unterfüttern. Aber nichts ist wertvoller beim Erklimmen der Karriereleiter in jedem beliebigen Unternehmen als die Fähigkeit zu kommunizieren.

Man liest, um zu lernen. Man kommuniziert, um zu verhandeln, zu planen, Strategien zu entwickeln, andere zu ermutigen, ins Boot zu holen und auf die eigene Seite zu ziehen. Wenn man ein Händchen für Sprache hat, kann einen so gut wie nichts aufhalten. Und das sollte man jungen Leuten vermitteln, vor allem jungen Männern.

Dies ist ein Auszug aus einem Gespräch zwischen Jordan B. Peterson und Andrew Schulz. Hier geht's zum Auszug und hier zum gesamten Gespräch.

Foto: jordanbpeterson.com

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Jörg Nestler / 14.07.2021

Das Lesen von Büchern möchte ich aus einem anderen Blickwinkel betrachten. In Büchern lassen sich kluge Überlegungen finden, auf die man alleine nicht kommen würde. Der geistige Horizont wird dadurch erweitert. Man sollte aber bedenken, dass angelesenem Wissen Tiefe und Substanz fehlt. Das liegt daran, dass man lediglich fremde Gedanken aufgenommen hat, die bei einem selbst auch nur Gedanken sind. Gedanken sollen dem Menschen befähigen sein Leben zu gestalten. Sie können also nützlich sein, wenn man sie in logisch sinnvoller Weise verbindet, um ein planvolles, zielgerichtetes Leben zu führen. In Worte gefasst dienen sie der Kommunikation, einer weiteren wichtigen Bedeutung; denn ohne Kommunikation wäre ein gesellschaftliches Leben nicht möglich. Wer gute Kommunikationsfähigkeiten besitzt, kann sie für den beruflichen Erfolg nutzen - kein Widerspruch von mir zu den Aussagen im Artikel. Gedanken können Anstöße liefern, eigene neue Gedanken auslösen, Ideen entstehen lassen und das Leben verändern. Sie sind ohne Zweifel äußerst wichtig, als Gedanken im Kopf aber nicht mehr als Schall und Rauch. Tiefe und Substanz erhalten sie erst, wenn man sie im Leben umsetzt und aus dem Erlebtem seine Rückschlüsse zieht. Meines Erachtens ist es nur das eigene erlebte Leben, das einem Weisheit und geistige Tiefe bieten kann. Man sollte daher dem eigenem Leben mehr Aufmerksamkeit schenken als fremden Gedanken in Büchern. Weisheit entsteht durch Erleben, nicht durch Lesen.

Thomas Taterka / 14.07.2021

Wenn man bedenkt, wie alt und berühmt er inzwischen ist , dann wirkt seine Liste der Literatur doch seltsam ... unreif ,zusammengewürfelt . Überhaupt keine deutschsprachige Literatur übrigens.  Gut , viele große Autoren wurden erst seit den 90ern übersetzt ( Elias Canetti zum Beispiel )  - Keine Frage , Ihm fehlt ein guter Buchhändler. Bei ” Chapters ” rumzuwühlen ist kein Ersatz für einen ausgeschlafenen Fährtenleser der Gegenwartsliteratur. Einen unberatenen Leser erkennt man immer an seiner “unbalance” zwischen Klassiker - und Zeitgenossenlektüre. Er kann sich gar nicht vorstellen, daß ein Gegenwartsautor von Rang nicht von irgendwoher kommt , geschweige denn, daß er den Text eines künftigen Klassikers gerade in den Händen hält . Es gab auch Zeiten , da musste man selbst Botho Strauß oder Peter Handke noch empfehlen .  

Ilona Grimm / 14.07.2021

Nichts verleiht mehr Macht als belesen und sprachgewandt zu sein? Ui, das ist vielleicht der Witz des Jahrhunderts. Merkels Belesenheit drückt sich in ihrer Eloquenz aus. Ja, da sind wir uns völlig einig. Und dasselbe gilt für ACAB. Mir fallen etlichere weitere Kandidaten ein, aber die mag sich jeder selbst zusammenstellen. Hiiilfe!

Hans Brenner / 14.07.2021

Nicht das dumm daherschwätzen ist gemeint, nur wer sprachlich adäquat, dem erschließen sich ganz andere Horizonte. Nicht Geschwätzwissenschaften sind gemeint, sondern wer wahr und klar spricht auch so denkt und eben umgekehrt, daraus leitet sich dann letztlich auch in der dadurch ermöglichen Fähigkeit zur Erweiterung des Wissens die wahre Kompetenz. Schnatterinchen ist genau das Gegenteil dessen, sie schnattert zwar was der Riemen zieht, dreht sich aber immer im Kreis und verschließt sich so der Erkenntnis ihren Gedankenkäfig verlassen zu können. Klingt komisch, iss aber so.

Dieter Kief / 14.07.2021

Dr. Winfried Nöth, es ist Ihnen schon bewußt, dass der Dr. Peterson die reiche kulturelle Überlieferung i.n.s.g.e.s.a.m.t. als unverzichtbaren Teil unserer Identität - und damit auch unseres Erfolges ansieht - nicht zuletzt in dem - zugegeben: winzigen - Gesprächausschnitt oben . Ich meine, es sei unmöglich, die Naturwissenschaften gegen die geistige, sozialwissenschaftlliche und - religiöse! - Tradition - nicht zuletzt des Abendlandes - auszuspielen, - und sich dabei auf Dr. Peterson zu berufen.

Rainer Niersberger / 14.07.2021

Da passt uebrigens der aktuelle Artikel von Herrn Casula ziemlich gut zum Thema, auch wenn Mr. Peterson sicher nicht diesen (deutschen) Irrsinn gemeint hat. Mir faellt gerade ein oder auf, dass Mr. Peterson vor allem die Herren ansprach. Wenn die Verbesserung der “maennlichen” Rhetorik, ueber Merkel hinaus, dzu führen wuerde, den ueberbordendenden Feminismus mit seinen verheerenden Folgen zurueckzudraengen, wuerde ich den Appell sofort unterschreiben. Allein, ich glaube es nicht, denn dieses “echte” Problem reicht tiefer und weit ueber die Sprache hinaus.

Rainer Niersberger / 14.07.2021

@Dr.Noeth : Problem zutreffend beschrieben und das Problem ist existentiell. Es korreliert mit der Beobachtung, dass Maulheldinnen mit Scheinerzeugung ohne jede Substanz, Bullshitproduzenten, die Meinungsfuehererschaft und Deutungshoheit erlangt haben. Eine gewisse Form angelernter Rhetorik ohne Inhalte, ohne wirkliches Erfassen und Verstehen, ohne Logik und hoechst eindimensional und unterkomplex hat die, eher lästige und vor allem deutlich zu stringente und geistig disziplinierende Wissenschaft ieS umfaenglich abgeloest. Der Siegeszug bestimmter Disziplinen und die Okkupation anderer durch diesen Zeitgeist ist ja nun kein Zufall. Um es deutlicher und banaler zu schreiben : Das permanente, pseudo wissenschaftliche Geschwafel ueber Kunstprobleme, Nebensaechlichkeiten oder gerne auch um das “eigentliche Problem” herum, ohne es, weil unangenehm und tabuisiert, hinreichend scharf und konkret zu benennen, bringt weder den Einzelnen, noch uns Alle weiter.  Und das “weiter"ist materiell wie vor allem auch immateriell zu verstehen und das Ergebnis kann man, so man will und in der Lage ist, ohne groessere Anstrengung in allen Bereichen erkennen. So bleiben hierzulande nur noch Geschwaetzwissenschaften im metaphysischen Raum übrig. Eine desastroese Entwicklung. Falls der Autor die Verbesserung der Rhetorik allgemein anspricht, hat er Recht, obwohl man heute mit Sprachbehinderungen (in der Politik) sehr weit kommen kann. Andere Aspekte scheinen wichtiger zu sein. Dass Sprache und Kognition miteinander verbunden sind, ist richtig. Diese Gesellschaft hat es aber nicht (mehr) so mit kognitiven Faehigkeiten, sie sind eher störend und hinderlich, weil misstrauenerweckend. Die Trigger punkte im Belohnungszentrum der Narzissten reagieren ueberwiegend auf ganz andere Reize.

Dr. Winfried Nöth / 14.07.2021

Die Aussage “nichts mehr Macht verleiht” würde ich umwandeln in “nichts gefährlicher macht”, da, wie der Autor andeutet, sprachliche Bildung Aufstieg ermöglicht, ohne dass dieser mit echter Problemlösungskompetenz hinterlegt ist. Universelle Problemlösungskompetenz erwirbt man am effizientesten im MINT Bereich, allerdings ist das deutlich schwieriger als eine geistes"wissenschaftliche” Ausbildung. Man vergleiche die enstprechenden Absolventenzahlen. Und genau da liegt das Problem: Im Westen versuchen die Eltern der letzten Jahrzehnte, für ihr mäßig begabtes Kind dennoch eine überdurchschnittliche Karriere zu ermöglichen, und das geht nur über die Geistes"wisssenschaft”. Ergebnis sind unzählige Varianten von Baerbocks, die die westliche Gesellschaft ins Abseits drängen. Besonders “gut” scheint das in Deutchland zu funktionieren, da hier die Geistes"wissenschaft” tatsächlich als solche etabliert ist, m.E. völlig zu Unrecht. Im Gegensatz dazu ist science im englischen Sprachraum im Wesentlichen für die Naturwissenschaften reserviert. In Asien hat man offenbar (noch) das Bewusstsein, dass Mathematik und Naturwissenschaften die Grundlage des materiellen Erfolges sind, und drillt seinen Nachwuchs entsprechend. Wir werden die Folgen dieser unterschiedlichen Entwicklung noch deutlich zu spüren bekommen.

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