Ich bewundere Carl Gustav Jung. Er interessierte sich sehr für die Faktoren, die die Erleuchtung verhindern. Wenn Erleuchtung möglich und erreichbar ist, wieso kann nicht jeder erleuchtet sein? Wenn es nur darum geht, den goldenen Pfad der Glückseligkeit befolgen zu müssen – das hört sich einfach an, wieso ist dann nicht jeder erleuchtet? Jungs Einstellung dazu ist eine völlig andere.
Jung glaubte, dass man vor allen Dingen diszipliniert sein muss, wenn man die eigene Persönlichkeit verändern will. Aber darüber hinausgehend muss man denjenigen Anteil der eigenen Persönlichkeit integrieren, der schrecklich ist, der die Regeln brechen kann. Das Furchtbare muss als Teil der eigenen Persönlichkeit anerkannt werden. Mir gefällt diese Vorstellung sehr.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben. Etwa vor 20 Jahren geriet folgendes in die Schlagzeilen einer der führenden kanadischen Zeitungen: Der damalige Minister für Auswärtiges, Lloyd Axworthy, äußerte sich über das, was unter Milosevic im ehemaligen Jugoslawien geschah, über die Gräueltaten, die dort verübt wurden. Er sagte, dass er mit so etwas nicht gerechnet habe, weil seine Vorstellungskraft für dieses Ausmaß an Bösem nicht ausreiche. Da dachte ich mir: „Du glaubst wohl, dass du mit dieser Aussage Deine moralische Überlegenheit signalisierst? Aber von meiner Warte aus zeugt sie bloß von Feigheit und geschichtlicher Ignoranz. Denn für die Aufgaben als Außenminister musst Du sehr wohl über Vorstellungskraft fürs Böse verfügen. Hast Du sie nicht, dann gewinnt der Erstbeste, der sie hat, der besiegt dich.“
Oder denken wir an die Harry-Potter-Geschichten. Harry kommt mit dem Bösen in Berührung. Ein kleiner Anteil in seiner Seele, tief in seinem Inneren, ist so schwarz, wie es dunkler gar nicht geht und deswegen kann er ja mit Schlangen sprechen. Ohne diesen Anteil könnte er niemals siegen. Vom psychologischen Standpunkt aus ist das völlig stimmig. Denn wenn man nicht in der Lage ist so zu denken, wie böse Menschen denken, dann ist man ihnen schutzlos ausgeliefert. Sie werden für uns unvorstellbare Erfolge haben und sie werden gewinnen.
Die knallharten Typen
Die besten Männer, die mir im Leben begegnet sind, traf ich während meiner Schulzeit. Viele meiner Freunde brachen in der 10. Klasse die Schule ab. Viele von ihnen waren physisch sehr gut entwickelt, ziemlich stark und sie hatten die Nase voll davon, die Hand heben zu müssen, um Erlaubnis für den Gang zur Toilette zu bekommen. Sie wollten das nicht mehr. Einer meiner Klassenkameraden wurde von der Schule verwiesen, nachdem er den Turnlehrer körperlich angegriffen hatte. Dabei war der Turnlehrer ein richtig starker Bursche, er konnte einen Kreuzhang machen, es war also keine triviale Sache für meinen Freund, sich gegen ihn zu behaupten. Man hat ihn jedenfalls rausgeschmissen. Es fiel mir damals auf, dass die Jugendlichen, deren Charakter ich am meisten bewunderte, diejenigen waren, die entweder selbst die Schule abgebrochen haben oder von der Schule verwiesen wurden. Das waren die knallharten Typen, die es satt hatten, Regeln zu befolgen, die ihrem Charakter nicht gerecht wurden. Sie gingen hinaus in die Welt und fanden beispielsweise Arbeit auf einer Bohrinsel, das war damals möglich. Das war echt harte Arbeit. Es war nicht so, dass sie den leichteren Weg gehen wollten.
Ein harmloser Mann ist kein guter Mann. Ein guter Mann ist ein sehr gefährlicher Mann, der seine Gefährlichkeit freiwillig unter Kontrolle hält. Das merkt man auch bei einem der zentralen Frauen-Themen. Der Archetyp des Helden ist zwar ein zentrales Männer-Thema, aber es gibt unterschiedliche Helden-Archetypen, die für Frauen relevant sind. Einer davon ist in der Geschichte über „Die Schöne und das Biest“ verkörpert. Die Schöne hat kein Interesse an einem Kerl, der kein Biest ist, sie interessiert sich für den Mann, der ein Biest ist, und das ist richtig so. Ihr Interesse gilt dem Biest, das zivilisiert und diszipliniert werden kann, das seine gezähmten Biest-Eigenschaften in den Dienst einer Familie stellen kann. Genau so sollte es sein!
Dies ist ein Ausschnitt aus dem Jocko Podcast 98 mit Jordan B. Peterson, hier geht es zum Ausschnitt und hier zur gesamten Sendung.