Wie erfrischend dieser Text! Ich bin Enkelin von 2 Großvätern, die beide unfreiwillig in den Krieg geworfen und auf den Feldern geblieben sind, und Tochter von halbverwaisten Wirtschaftflüchtlingen aus dem Osten, aufgewachsen mit Erzählungen vor dem Krieg, aus dem Krieg und der Zeit danach, mit Diskussionen über das Wie und Warum unserer deutschen Geschichte in den letzten 100 Jahren. Für meinen Sohn und auch alle anderen wünsche ich mir innigst, dass dieses so bleibt: .......... “die künftige Freiheit des Individuums von vorgefertigten Patentlösungen, für das Kennenlernen und Begrüßen des Anderen, der diese Freiheit schätzt - und für die Abwehr all jener, die diese Freiheit mit Füßen treten.” .... Soll alles vergebens gewesen sein? Nein: so stelle auch ich mir Europa vor. “Übrigens ist es das einzige, das überlebensfähig ist.” Das unterschreibe ich und dafür lohnt es sich, zu leben und zu kämpfen, was sonst?
Toller Grossvater, Für Ihre “Vorstellung ” von Europa müsste die EU abgeschafft werden, weil es genau auf Grund von Ideen aus den Köpfen entsteht und das hat nichts mit der Wechselhaftigkeit und der Vielfalt der Natur zu tun. Vorstellungen sind für die Zukunft und die ist eben nur “Real” wenn sie zur Gegenwart wird und dann ist sie sicher anders als wir sie im Kopf hatten . Und verändert sie sich mit jedem Augenblick. Trotzdem kann man aus Ihren Erzählungen und Erkenntnissen doch einiges lernen. Es gibt auch immer mutige Menschen, die in sich selber spüren wer Sie sind und für was Sie sich einsetzen. Bedenkt man dazu, welchem Druck man unter Umständen in Kriegszeiten noch ausgesetzt ist, sind solche Leistungen bemerkenswert. Das zu können und es auch zu tun zeugt von “Leben”. und ist auch ein Teil von Feinheit. Leben braucht Mut und Vertrauen. b.schaller
Ludwig Thoma thematisierte diese Problematik bereits zu Ende des 1. Weltkriegs in seinem Gedicht FRIEDE: Über die Heide geht der Wind; Es flüstert im Gras, es rauscht in den Bäumen. Die dort unten erschlagen sind, Die vielen Toten, sie schweigen und träumen. Hören sie nicht den Glockenklang? Dringt nicht zu ihnen aus heiligen Räumen Halleluja und Friedenssang? Die vielen Toten, sie schweigen und träumen. Voll des Dankes ist alle Welt, Sie darf mit dem Lobe des Herrn nicht säumen; Wer im Kampfe fiel, heißt ein Held. Die vielen Toten, sie schweigen und träumen. Wenn die Herrscher versammelt sind, Bei festlichem Mahl lasst die Becher schäumen! Über die Heide geht der Wind; Die vielen Toten, sie schweigen und träumen. Ende er 60er Jahre las ich dieses Gedicht vermutlich in der Süddeutschen Zeitung. Im kulturellen Teil der Zeitung wurde im Hinblick auf den bevorstehenden Volkstrauertag der Toten beider Weltkriege gedacht. Mir stieg dabei die schmerzliche Erinnerung an meine Großmutter mütterlicherseits hoch, die nächtelang und jahrelang um die Rückkehr ihres im 2. Weltkrieg vermissten Sohnes betete und weinte. Ich bekam als Kind dies alles mit, weil ich an den Wochenenden, an denen meine Eltern abends die Kinovorstellungen besuchten, bei meiner Großmutter im Bett mit übernachten musste. Ihr Sohn – mein Onkel - war als Unteroffizier und Führer eines Panzerspähtrupps kurz vor Kriegsende in der letzten Abwehrschlacht um Berlin eingesetzt und gilt seitdem als „vermisst“. Mit seinen beiden schweren, im Russlandfeldzug erlittenen Verwundungen (Lungendurchschuss und Kopfsteckschuss) hätte er ein drittes Mal nicht mehr „einrücken“ müssen. Meine Großmutter, die kein Hehl aus ihrer Abneigung gegen Hitler und den von ihm angezettelten Krieg machte, flehte ihn an, zu Hause zu bleiben und sich um seine dreijährige halbverwaiste Tochter, die auch den Vater brauchte, zu kümmern. Als pflichtbewusster Soldat und treu ergebener Anhänger Hitlers meldete er sich wieder zum Kriegseinsatz und kam vermutlich in der Schlacht um Berlin ums Leben. Sie setzte sich immer wieder mit dem Suchdienst des DRK in Verbindung. Leider mit negativen Ergebnis. 1954 nach Rückkehr der letzten heimkehrenden Kriegsgefangenen aus Russland brach für sie eine Welt zusammen.
Die besagte Mitmenschlichkeit an Menschenfeinden ist nicht nur der linkische Versuch, die Vernichtung von Millionen Menschen in den KZs nachträglich zu kompensieren, also falsche Vergangenheitsbewältigung, sondern auch und erst recht falsche Gegenwartsbewältigung, ein unterbewusstes Ersatzleisten für die millionenfache Vernichtung von ungeborenen Kindern, die zu Opfern des linken Prestigeprojekts der sogenannten freien Liebe wurden und werden.
Interessante Geschichte. Den Schlusssatz unterschreibe ich voll und ganz. Viele von uns haben unter ihren Vorfahren solche Biografien. Noch mehr wissen aber leider so gut wie nichts darüber, wo sie selber eigentlich herkommen. Ich habe den Eindruck, dass die Generation WK 2 sehr häufig den Dialog mit ihren eigenen Nachkommen verweigert hatte. Entsprechend viele Entwurzelte taumeln heutzutage durch ihr eigenes Heimatland.
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