Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 02.03.2012 / 19:16 / 0 / Seite ausdrucken

Ein CO2-Nullsummenspiel

Groucho Marx meinte einst, man müsse aus den Fehlern anderer lernen, weil man gar nicht lange genug leben kann, um sie alle selbst zu machen. Würden australische Politiker seine Warnung beherzigen, könnten sie die 10 Milliarden Australische Dollar (rund 8,1 Mrd. EUR) sparen, mit denen sie die Clean Energy Finance Corporation ausstatten wollen.

In diesem Fall wurden die Fehler anderer zuvor von den Deutschen gemacht. Schon länger als ein Jahrzehnt, seit der damaligen Wahl der Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten und Grünen unter Kanzler Schröder im Jahr 1998, sind die Deutschen Vorreiter bei der Einführung erneuerbarer Energien. Allerdings haben sie in dem Bemühen, mit ihrer Politikgestaltung einer Zukunft mit „sauberer“ Energie näher zu kommen, einiges in der ökonomischen Logik grundsätzlich durcheinander gebracht – und Australien ist gerade dabei, diese Irrtümer zu wiederholen.

Die Regierung Schröder hatte sich zum Ziel gesetzt, erneuerbare Energien wie Sonnenenergie und Windkraft zu fördern, und verabschiedete deshalb das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Dieses Gesetz trat im Jahr 2000 in Kraft und garantierte hohe Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien. Ohne diese Garantien wären „saubere“ Energien gegenüber herkömmlichen Energiequellen wie Kohle, Gas und Kernkraft niemals konkurrenzfähig gewesen.

So weit, so gut - wenn man eine Senkung des Kohlendioxidausstoßes befürwortet und sich keine großen Gedanken über gewährte Subventionen oder die daraus entstehenden höheren Energiepreise macht. Leider stellte sich im Falle Deutschlands bald heraus, dass das EEG auf Grund seiner Wechselwirkung mit anderen politischen Klimaschutzmaßnahmen vollkommen nutzlos ist.

Während Deutschland versuchte, die Treibhausgasemissionen durch Förderung alternativer Energien zu verringern, leitete die Europäische Union durch Einrichtung eines Emissionshandelssystems eine ganz andere Klimaschutzpolitik ein. Dieses System beruhte auf dem ‘Cap-and-Trade’-Prinzip: Für die Gesamtemissionen wurde eine Höchstgrenze festgesetzt und die Kohlendioxidpreise ergaben sich aus dem Handel mit Verschmutzungsrechten.

Eigentlich heißt es ja: “Zweimal falsch ergibt kein richtig”, doch hier war es eher so, dass zweimal richtig ein falsch ergaben: Es ist sinnlos, die Senkung von Kohlendioxidemissionen zu subventionieren, wenn die Gesamtsumme der Emissionen ohnehin gedeckelt wird.

Der Wirtschaftswissenschaftler Kristian Niemietz vom Londoner Institute of Economic Affairs fand kürzlich eine treffende Analogie zu dem, was derzeit in der deutschen Energiepolitik vor sich geht. „Das ist das Gleiche, als würde für die Gesamtmenge an Alkohol, die konsumiert werden darf, eine jährliche Höchstgrenze festgesetzt und dann die Herstellung alkoholarmer Biere und Weine subventioniert: diese Subventionen würden zwar den Gesamtverbrauch nicht unter die Höchstgrenze drücken, aber das Geld der Steuerzahler würde verschleudert und die Verbraucher müssten sich schließlich mit labberigen Getränken bescheiden, die sie zu Marktpreisen keinesfalls gekauft hätten.” Genau.

Ersetzt man ‘Menge an Alkohol’ durch ‘CO2-Emissionen’ und ‘alkoholarme Biere’ durch ‘erneuerbare Energien’, wird deutlich, warum die Subventionierung von erneuerbaren Energien und der Emissionshandel zusammen nichts bewirken können. Der physische Effekt von Energiesubventionen beträgt in einem Umfeld, in dem die Gesamtmenge der Emissionen durch ein Handelssystem im Voraus festgelegt wird, genau Null. Nicht ein einziges Gramm Kohlendioxid wird eingespart, wenn man Geld in erneuerbare Energien pumpt. Das hat nichts mit Missmanagement im System zu tun, sondern folgt einfach der inneren Logik von zwei nicht miteinander zu vereinbarenden Umweltschutzmaßnahmen.

Nun ist es jedoch nicht so, als hätten Ökonomen dieses Problem nicht erkannt. Bereits 2004 veröffentlichte der Wissenschaftliche Beirat des deutschen Wirtschaftsministeriums eine einstimmige Forderung zur Abschaffung des EEG. Die Fachberater der deutschen Regierung waren zu dem Schluss gelangt, dass dieses Gesetz trotz seiner enormen Folgekosten für Unternehmen und Verbraucher keinerlei Wirkung auf die Emissionen hätte, weil zugleich das europäische Emissionshandelssystem in Kraft sei. Im vergangenen Jahr kam die Monopolkommission - das deutsche Gegenstück zur Australian Productivity Commission - in einer Sonderuntersuchung der Energiepolitik zu dem gleichen Ergebnis.

Trotz solch vehementer Kritik von zwei offiziellen und hoch angesehenen Gremien wurde die Subventionierung nach dem EEG fortgesetzt. Die deutsche Regierung hat zwar inzwischen verlauten lassen, dass sie die Einspeisevergütungen vor allem für Solarenergie um bis zu 30 Prozent herabsetzen will, doch damit ist das grundlegende Dilemma nicht gelöst. Man kann alternative Energien fördern oder man kann ein Emissionshandelssystem betreiben. Aber man kann vernünftigerweise nicht beides haben.

Wenn die Deutschen dumm genug sind, ihre wirtschaftlichen Ressourcen für eine Politik zu vergeuden, die keinerlei Gewinn bringt, wäre das schlimm genug. Noch dümmer ist es jedoch, dass die australische Regierung trotz der deutschen Erfahrungen nun entschlossen ist, deren Fehler zu wiederholen.

Allerdings unterscheidet sich der genaue modus operandi der geplanten Clean Energy Finance Corporation vom deutschen EEG. Die Fördermittel für erneuerbare Energien fließen auf anderem Wege, nämlich durch die Bereitstellung von Kapital für Investitionen und nicht durch die Garantie von Einspeisevergütungen. Das Hauptproblem besteht jedoch weiter.

Da die Gillard-Regierung in Australien ein Emissionshandelssystem einführen will, das 2015 in Kraft treten soll, werden wir uns schließlich in einer Situation wiederfinden, in denen für die Gesamtemissionen für die Wirtschaft eine Höchstgrenze gilt, sobald das Emissionshandelssystem vollständig eingerichtet ist. Wie am deutschen Beispiel deutlich wird, kann unter solchen Umständen eine weitere Förderung erneuerbarer Energien nur zu niedrigeren Preisen für die Verschmutzungsrechte führen, nicht aber zu einer weiteren Emissionssenkung.

Wenn eine politische Maßnahme aus wirtschaftlicher Sicht unsinnig ist, warum setzen Politiker sie dann dennoch um? Darauf gibt es eine recht zynische Antwort: Die Emissionssenkungen durch ein Cap-and-Trade-System sind nicht sichtbar genug. Sie treten automatisch ein, ohne direkte Beteiligung von Politikern.

Politiker, die Fototermine lieben, würden daher Finanzmittel eher konkreten Projekten zuleiten, da sich dabei reichlich Gelegenheit bietet, mit Schutzhelmen und Sicherheitswesten auf Baustellen aufzutreten. Abgesehen von der Lobbytätigkeit für den Sektor erneuerbare Energien gibt es keine plausiblere Erklärung für diese Verschwendung von Steuergeldern. Aus rationaler, nicht interessegeleiteter Perspektive lassen sich politische Maßnahmen, die keinen Nutzen, sondern nur Kosten bringen, nicht rechtfertigen.

Das ist kein Argument gegen alternative Energien an sich. Aber Regierungen, die sie fördern wollen, sollten zumindest eine in sich stimmige Politik betreiben. In ihrer jetzigen Form ist sie nur in sich verschwenderisch.

‘A zero-sum carbon game’ erschien zuerst in Business Spectator (Melbourne), 1. März 2012. Aus dem Englischen von Cornelia Kähler (Fachübersetzungen - Wirtschaft, Recht, Finanzen).

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