Zunächst in eigener Sache: Ich bin nicht Richard Wagner. Ich bin nicht der FAS-Autor, der letzten Sonntag den Thüringer CDU-Politiker Peter Krause verteidigte, aber seine Grundthese über die Diktatur der Anständigen und deren militantem Festhalten an der Diskurshoheit teile ich. Der Grund, warum ich dieses hier schreibe, ist also nicht das Bedürfnis zu dementieren, dass ich Richard Wagner sei, es geht vielmehr um Fragen der Verleumdung und der unseriösen Vorgangsweisen, die unsere medial strukturierte Öffentlichkeit beherrschen.
In ihrer heutigen Ausgabe (vom 16.5.08) fragt sich die „taz“ nicht mehr, in wie weit Peter Krause rechts steht, er ist ja nun, da er auf das Amt des Kulturministers in Thüringen verzichtet hat, erledigt, nein, die wachsame „taz“ fragt sich jetzt, wie weit der FAS-Autor Richard Wagner selbst rechts stehen würde.
Wir wissen natürlich um das Ausmaß der rechten Gefahr und auch um die Notwendigkeit ihrer kritischen Begleitung. Wir wissen aber auch, dass dieses Thema nicht nur zahlreiche Aufrechte in diesem Land ernährt, sondern auch die Möglichkeit verschafft (politische) Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. Der Antifaschismus verbreitet nicht nur einen guten Klang, er macht oft genug auch die Beweise überflüssig. Dem CDU-Politiker Peter Krause, einem Mitbegründer des „Neuen Forums“ in Jena, das Teil der DDR-Opposition war, wurde bekanntlich, außer einer weit zurückliegenden viermonatigen Redaktionsarbeit bei der rechtskonservativen „Jungen Freiheit“, auch die Publikation von 2 Artikeln im, wie es heißt, Theorieorgan der Neuen Rechten „Etappe“ vorgeworfen. Und zwar, man höre und staune, „neben“ einer lateinischen Version des Horst-Wessel-Liedes. Obwohl ich zugebe, dass ich, was die Massenwirksamkeit einer Latein-Version des berüchtigten Nazi.-Marsches angeht, große Zweifel hege, sei hier trotzdem auf die Details des einschlägigen Publikationsvergehens von Peter Krause eingegangen. Bei den beiden Artikeln von Krause handelt es sich um Rezensionen zu Büchern von Ernst Nolte und Panajotis Kondylis. Kondylis ist im übrigen der Verfasser des Standardwerkes „Die Aufklärung im Rahmen des neuzeitlichen Rationalismus“. Bei dem in der gleichen Zeitschriftenausgabe veröffentlichten Horst-Wessel-Text handelt es sich tatsächlich um ein Faksimile einer Latein-Übersetzung aus dem Jahr 1934. Es wird unter dem Rubrum Cultur-Curiosa abgedruckt. Nur der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass Walter Jens, in einem Interview in der Zeit von 1993 berichtet, wie sein Lateinlehrer den etwas ungelenken Text des Naziliedes durch lateinische Übersetzung zu entlarven wusste. Jens spricht von einem Lehrstück in Sachen politischer Grammatik.
Alles viel zu kompliziert für den aufrechten Antifaschisten? Es kommt, im Jahr der 68er-Beweihräucherung, noch verwirrender für unsere Nutella-Demokraten. Einer der beiden Herausgeber der Etappe heißt nämlich Günter Maschke. Er ist bekanntlich ein Altachtundsechziger und Carl-Schmitt-Exeget. Ein Widerspruch? Zu den Autoren soll auch der Büchner-Preisträger Martin Mosebach gehören, der Verfechter der lateinischen Messe. Was er im Theorieorgan veröffentlicht hat, konnte ich nicht feststellen. Auf der Webseite der „Etappe“ aber begegnet man tatsächlich dem Latein. Und zwar in Gestalt eines Lorem ipsum. Das aber stammt sicher nicht von Mosebach.
Die Wahrheit ist, dass es in Deutschland ein beliebter Sport geblieben ist, die Liste der Rechtszugehörigkeit, die man gern als Rechtslastigkeit identifiziert, laufend zu aktualisieren. Die Liste der Linksverbundenheit dagegen gilt immer noch als Who’s Who der guten Gesellschaft. Eines der Organe der kämpferischen Linken, das, wie es höflich heißt, neben seinem erklärten Antifaschismus auch die Pflege der historischen Legitimität der DDR betreibt, ist die „Junge Welt“, vom Verfassungsschutz in seinem Bericht von 2006 als linksextremistisch eingestuft. Das Ressort Innenpolitik wurde in dieser Linkspostille von 2002 bis 2005 von Ulla Jelpke geleitet. Ulla Jelpke ist Bundestagsabgeordnete der LINKEN. Damit gibt es kein Problem und das wäre auch gut so, gäbe es das andere Problem nicht, beispielsweise das mit Peter Krause.
Davon sind wir aber meilenweit entfernt. Und das hat nicht zuletzt mit der feinsinnigen Unterscheidung der beiden finsteren Diktaturen des 20. Jahrhunderts zu tun. Auch im Jahr 2008 ist der Begriff Antifaschist ein Ehrennahme und die Bezeichnung Antikommunist ein Schimpfwort. Solange diese Unterscheidung beibehalten wird, können unsere öffentlichen Debatten nicht wirklich frei sein. In einer Gesellschaft, in der ein Dieter Stein von der „Jungen Freiheit“ (vom 13.5.08) uns triumphierend entgegenhalten kann: „Freiheit ist die Essenz der Demokratie“, ist etwas faul. Wie wäre es, liebe Nutella-Demokraten, wenn wir uns mehr um die Freiheit kümmern würden, um unsere, um die der anderen, meinetwegen auch um die der Andersdenkenden.