Cora Stephan / 26.11.2013 / 19:26 / 2 / Seite ausdrucken

Zurück zu den Wurzeln

In jedem Hotelklo wird die Welt gerettet und für unsere Umwelt gespart, ob an Handtüchern, Klopapier oder Spülung. Die Frauenquote gilt, egal, was Frauen davon halten. Und geraucht wird nur draußen. Also bitte: Die Grünen haben an allen Fronten gesiegt! Was wollen sie mehr?

Besser gefragt: wozu braucht man sie noch? Den Todesstoß versetzte ihnen Angela Merkel schon vor Jahr und Tag, als sie den Abschied von der Atomkraft verkündete. Das, die Anti-AKW-Bewegung, war einmal das Herz der Grünen und der Punkt, an dem Ökos und K-Grüppler einst zusammenfanden. Und nun das Ende. Grün hat sich zu Tode gesiegt. Das, womit sie früher einmal Neuland betraten, gehört mittlerweile zur Standardmöblierung der Parteienlandschaft.
Fast möchte man den Alternativgrünen von damals ein Tränchen hinterherweinen, den Waldschraten, Wallebärten und Strickliesels. Denn auch eine Partei wie keine andere sind die Grünen schon lange nicht mehr. Sicher, im Zuge der Normalisierung haben sie nicht nur liebenswerte Schrulligkeiten, sondern auch fundamentale Missverständnisse abgelegt – etwa über Sinn und Zweck eines Gewaltmonopols des Staates oder über den Nutzen frei gewählter und von der Partei unabhängiger Abgeordneter. Aber sind sie deshalb gleich zum politischen Doppelsprech verurteilt, der die Bündnisgrünen heute genauso öde macht wie all die anderen?

Bei näherer Betrachtung könnte man auf die Idee kommen, dass sich ihr Markenkern genau darin beweist: in der frömmelnden Floskelei vom Guten, Wahren und Schönen. Und gerade das haben die anderen Parteien von den Grünalternativen gelernt.

Deren Unwiderstehlichkeit bestand ja nie in ihren „Themen“ allein, sondern im Anspruch auf ihre Alleinvertretung. Wer sich mit tiefer Überzeugung in die Brust wirft und die Rettung der Welt, der Natur, der Frauen, also der Menschheit verspricht, dem kann man schwerlich widersprechen: wer möchte es sich schon mit den Ganz Großen Dingen verderben? Also! Die Grünen haben, ganz im Sinne einer „Politik in der ersten Person“, die persönliche Betroffenheit, das Gefühl und die Moral vor den kalten „Sachzwang“ und die noch kälteren Interessen gestellt. Das Ergebnis ist ein Programm mit Kuschel-Optik – für die Empfehlung eines „Veggie-Days“ gebührt ihnen deshalb eine Auszeichnung für die erfolgreiche Infantilisierung der Politik.

Doch mittlerweile menschelt es sogar bei den Liberalen, die sich „mitfühlenden Liberalismus“ verordnet haben. Alle Parteien scheinen den Begriffswandel des Politischen hinzunehmen, der sich darin ausdrückt. Dabei heißen sie Parteien, weil im Parlament Repräsentanten unterschiedlicher Interessen, also „parteilich“ miteinander konkurrieren sollen. Heute konkurriert man nur noch um die gelungene Darstellung moralischer Untadeligkeit und sozialer Wärme – und Interesse, das einst Ausweis für Ehrlichkeit war, ist ein schmutziges Wort geworden.

Es ist bezeichnend, dass in den derzeitigen Verhandlungen um die „Groko“ – ein Wort, das lautmalerisch ausdrückt, wonach manch einem dabei ist – keine einzige Frage verhandelt wird, die mehr als symbolischen Wert hat. Weder spricht man über Europa und den Euro, noch über die Schuldenkrise, noch über die dramatisch gescheiterte „Energiewende“, auf die gerade die Grünen so unkritisch stolz sind. Dass die gigantischen Subventionen, die dabei im Spiel sind, Zocker anlocken – windige Investoren bis hin zu den Hell’s Angels und der Mafia – verwundert niemanden, der rechnen kann. Auch nicht, dass die Ökoindustrie mittlerweile eine mächtige Lobby unterhält.

Hier liegt womöglich der eigentliche Grund, warum die Grünen verzichtbar geworden sind. Wenn noch nicht einmal eine Partei, in der „Natur“ einst hoch firmierte (was immer jeweils darunter verstanden wurde) zur Kritik am Desaster der „Energiewende“ fähig ist, dann hat sie ihren letzten Daseinszweck verfehlt. Wer Natur und Umwelt einer unausgereiften Technologie opfert, weil es um ein angeblich höheres Ziel gehe, hat sich vom „grünen“ Gedanken verabschiedet. Und von der Nachhaltigkeit: der irgendwann nötige Rückbau der Windkraftanlagen wird der vorhandenen Zerstörung ganzer Landschaften eine weitere, kostenträchtige hinzufügen. Aber so ist das eben, wenn man im „Gattungsauftrag“ unterwegs ist: da müssen halt Opfer gebracht werden, das hat schon Lenin so gesehen. Opfer der anderen, natürlich.

Wenn die SPD nicht achtgibt, wird sie den Grünen in den Abwärtssog folgen. Auch die SPD sah sich im 19. Jahrhundert als Vertreterin der Menschheit. Erst nach 1945 reifte sie zu einer Partei, die im besten Sinne Interessen vertrat, nämlich die der Industriearbeiterschaft (und damit auch der Wirtschaft). Mit den Gewerkschaften zusammen wurde sie zum Garant der sozialen Marktwirtschaft. Gewiss, die Treue zum Steinkohlebergbau war irgendwann anachronistisch. Und der Kampf für einen „Mindestlohn“ riecht nach der alten Gewerkschaftsstrategie, Einsteiger, die mit niedrigen Löhnen in den Markt drängen, wegzubeißen. Im Grunde aber hat die SPD ihre Klientel der Facharbeiter und Handwerker, Techniker und Ingenieure längst verlassen und verraten. Statt dessen grast sie ebenso wie alle anderen bei den Staatsabhängigen und den städtischen Milieus, in denen man heute immerhin auch andere Weine als die aus der Toscana kennt.
Die Partei des Fortschritts, die sie einst sein wollte, ist sie schon lange nicht mehr. Sonst wären es die Sozialdemokraten, die ein Ende der absurden Energiepolitik forderten - im Vertrauen auf die deutsche Ingenieurskunst, deren Erfindungsreichtum längst zu besseren Lösungen des Energieproblems geführt hätte, wären nicht die Gelder in die falsche Richtung geflossen. Statt dessen schaut die Partei gelassen zu, wie dem Wirtschaftsstandort Deutschland Schaden zugefügt wird. Heute scheint der Partei alles andere wichtiger zu sein als Arbeitsplätze.

Im Blick auf die Zukunft wünscht man sich ein Zurück zum alten Markenkern: zurück zur Natur bei den Grünen. Dass sie sich in einer Koalition mit der hessischen CDU zu einer neuen liberalen Kraft entwickeln, ist zu viel gehofft. Und zurück zum Fortschritt bei der SPD. Dafür ist Opposition eine gute Ausgangsposition. Hessen vorn!

Im Vertrauen: das Erbe der gescheiterten Energiewende und der nutzlosen Klimapolitik kann man getrost der Kanzlerpartei überlassen.

 

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Gerhard Keller / 28.11.2013

“Das, die Anti-AKW-Bewegung, war einmal das Herz der Grünen und der Punkt, an dem Ökos und K-Grüppler einst zusammenfanden.” Ja, und der Trauspruch lautete: “Kernkraftwerke in China sind gut, weil sie dort dem Volke dienen.”

Elisabeth Lahusen / 27.11.2013

Ein Amerikaner, ein Japaner und ein Deutscher bekommen eine neue Technologie erklärt. Der Amerikaner ist begeistert: „Wow,kann man das für Kinofilme verwenden?“ Der Japaner : „Interessant, aber geht das nicht kleiner?“ Dem Deutschen bricht der Schweiß aus: „Oh mein Gott, es wird uns alle umbringen. Warum ist das noch nicht verboten worden?“

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Cora Stephan / 16.05.2024 / 06:00 / 155

Toxische Weis(s)heit: Merkel schreibt ein Buch

Ich bereue es. Schon seit langem. Ich habe Angela Merkel gewählt. Schlimmer: Ich habe sogar dazu aufgefordert, sie zu wählen! Die damaligen Gründe finde ich…/ mehr

Cora Stephan / 09.05.2024 / 10:00 / 17

Toxische Weis(s)heit – Mit Gewalt an die Weltspitze

Deutschland galt lange als sicheres Land. Das ist lange vorbei, und Otto-Normalo leidet still darunter. Die Politik merkt erst jetzt was und macht ein großes…/ mehr

Cora Stephan / 02.05.2024 / 10:00 / 49

Toxische Weis(s)heit: Nancy und das Kalifat der Reichsbürger

So also ist das: Erst errichten die Reichsbürger ein Kalifat, um dann ins Deutsche Reich von 1871 zurückzukehren?  Gut, dass es den Prozess gegen die…/ mehr

Cora Stephan / 08.03.2024 / 06:15 / 49

Männer! Richtige Männer! Es gibt sie noch!

Botschaft an alle Männer, die heimlich daran zweifeln, dass es 99 Geschlechter gibt, ein Mann per Selbstermächtigung zur Frau wird und Frauen die besseren Menschen…/ mehr

Cora Stephan / 29.02.2024 / 11:00 / 51

Daniela Klette und der vergessene Linksextremismus

Die Innenministerin ist voll des Lobes angesichts der Festnahme von Daniela Klette, 65 Jahre alt, Mitglied der RAF, Dritte Generation. Fahndungserfolg nach nicht einmal 30…/ mehr

Cora Stephan / 15.02.2024 / 06:05 / 65

Toxische Weis(s)heit: Die Heuchler von Ulm

Eine Stadt die in der Coronazeit durch besonders rigide Freiheitseinschränkungen von sich reden machte, setzt sich plötzlich für „Vielfalt und Demokratie“ ein. Ulm ist ein…/ mehr

Cora Stephan / 10.02.2024 / 12:00 / 36

Merz in Grün?

Was geht im Kopf eine Politikers wie Friedrich Merz vor, der die Grünen erst zum Hauptgegner erklärt und dann eine Koalition mit ihnen nicht mehr…/ mehr

Cora Stephan / 25.01.2024 / 10:00 / 35

Preisverleihungen nur noch auf Bewährung!

Wer einen Preis verliehen bekommt, weil er was besonderes geleistet hat, sollte sich sehr genau überlegen, mit wem er künftig redet. Sonst ist der womöglich…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com