Als ich heute morgen aufstand und überlegte, ob ich eine blaue oder schwarze Jogginghose anziehen sollte, entschloss ich mich instinktiv für die schwarze. Und dann las ich, dass Karl Lagerfeld gestorben ist.
„Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“ war eines seiner Bonmots. Ich gab ihm recht, trotzdem ich diese Art von superbequemem Beinkleid selber gerne anziehe. Aber natürlich nie und nimmer in der Öffentlichkeit. Ich bin sicher, nur diese Art des Tragens meinte der Modemacher; ein freier Geist wie er würde keinem Menschen vorschreiben wollen, was der bei sich zu Hause anzieht.
Dass der Deutsche Karl Lagerfeld zu einem der wichtigsten Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts werden würde, war früh zu erwarten. Sein Elternhaus war kosmopolitisch geprägt, seine Mutter unterstützte ihn darin, Deutschland zu verlassen. 1953, mit 20 Jahren, zog Karl Otto zusammen mit der Mutter nach Paris und begann ein Jahr später seinen ersten Job im Haute Couture Metier bei Balmain. Von da an ging's bergauf.
Lagerfeld war Dandy, Exzentriker, Egomane. Aber keiner von der Sorte, die sich dem mehr oder weniger gepflegten Müßiggang hingaben. In allem, was er tat, war er ein stets hochdisziplinierter Arbeiter; wenn er etwas anfing, tat er es mit Leib und Seele und dem unverzichtbaren Hang zur Perfektion. Nicht nur in seiner Tätigkeit als Modeschöpfer, der zuverlässig Jahr für Jahr seine Kollektionen präsentierte, sondern auch als talentierter Fotograf sowie als Designer.
Sein Hang zu hoher Allgemeinbildung ließ es zu, dass er sich kompetent zu weitaus mehr gedanklich positionieren konnte als nur zur Welt der Mode und des eleganten Lebens. Er besaß unzählige Bücher, hatte eine Riesensammlung von iPods mit Musiken aller Art und lebte am liebsten alleine, nachdem sein Lebensgefährte 1989 vestorben war. Nein, nicht ganz alleine, er hatte eine Katze namens Choupette, die seit 2011 ein wahrlich fürstliches Leben bei ihm führte. Choupette ist selber eine Persönlichkeit von internationalem Interesse, ihre 120.000 Follower auf Instagram werden sie in ihrem Schmerz nicht alleine lassen. Und sie ist der Kopf einer nach ihr benannten Accessoire-Kollektion.
Voller Bildung und Bildungshunger
Lagerfeld konnte nerven, zumindest mich. In Talkshows sprach er oft so schnell und fahrig, dass ich ihm ungerne zuhörte. Schon klar, der Mann konnte schneller denken als sprechen, und da musste er sich zwangsläufig verheddern. In gedruckten Interviews gefiel er mir deutlich besser, da merkte man, dass er voller Bildung und Bildungshunger steckte.
Seine Aufmachung in den letzten Jahren, nachdem er mit Cola Light abgenommen hatte, fand ich weitgehend geschmacklos. Irgendwo, es muss ja nicht allumfassend sein, verliert eben jeder mal die Kontrolle über sein Leben, davor war auch Dandy Lagerfeld nicht sicher. Die nicht zugeknöpften Handschuhe, mit denen er seine gealterten Hände vor Blicken schützte, die punkigen Ringe, die spillerigen Beinchen in den Röhrenhosen, das entsprach nicht meiner Vorstellung von Ästhetik. Was ihm natürlich völlig wumpe gewesen wäre.
Auch wenn er, wie wohl jede Diva, an seinem Alter zu drehen versuchte – geboren ist er 1933 und wurde somit 85 Jahre alt. Das ist doch nicht schlecht, auch wenn Lagerfeld wohl darauf spekulierte, unsterblich zu sein, oder wenigstens 100 zu werden. Es hat nicht geklappt, eine hässliche Krankheit kam ihm dazwischen. Bleiben wird von ihm vieles; in Deutschland werden sich Menschen vielleicht besonders lange an seine „skandalöse“ Aussage erinnern, dass er Kanzlerin Merkel wegen ihrer hemmungslosen Flüchtlingspolik verabscheue. „Wir können nicht Millionen Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen.“