Burt Bacharach, der „King of Easy Listening”, ist tot. Er schuf legendäre Kompositionen wie „What the World Needs Now Is Love”, „I Say a Little Prayer” und „Walk on By“.
Als der damals 91-jährige Burt Bacharach (oben im Foto mit Stevie Wonder) am 9. Juli 2019 auf die Bühne der Philharmonie im Münchener Gasteig gewackelt kam, kam es spontan zu standing ovations, die schier gar kein Ende mehr finden wollten. Kein Wunder, sein erstes Deutschlandkonzert lag zwar erst ein Jahr zurück, hatte ihn aber nur nach Berlin geführt. Nachdem sich dann alle wieder beruhigt und hingesetzt hatten, erzählte Bacharach, dass dies tatsächlich sein zweites Konzert in München sei. Das erste Mal war er nämlich schon 1960 zu Gast in der bayerischen Hauptstadt gewesen. Damals allerdings noch mit Marlene Dietrich, die er als musikalischer Leiter und Pianist seit Mitte der 50er bis in die frühen 60er Jahre begleitet hatte.
Der 1928 in Kansas City im US-Bundesstaat Missouri geborene Nachkomme deutsch-jüdischer Vorfahren wuchs nach dem Umzug der Familie nach New York City im Stadtteil Queens auf. Seine Mutter, die selbst Klavier spielte und malte, sorgte dafür, dass auch der kleine Burt das Klavierspielen lernte. Dieser fand offenbar so viel Freude daran, dass er später Musik studierte, wobei er sich insbesondere für Jazz-Harmonielehre interessierte. Schon als Teenager hatte er sich mit frisierten Ausweispapieren in die Jazz-Clubs der New Yorker 52nd Street gemogelt und mit großen Ohren Bebop-Legenden wie Count Basie und Dizzy Gillespie gelauscht.
Am liebsten wäre Bacharach auch Jazzmusiker geworden. Für Popmusik hatte er ohnehin nicht besonders viel übrig. Aber als er schließlich den Auftrag bekam, für den Horror-Science-Fiction-Film „The Blob“ von 1958 einen radiotauglichen Titelsong zu schreiben, wollte er diese Gelegenheit nicht vorbeiziehen lassen und sagte kurzerhand zu. Wie er einmal in einem Interview erzählte, sei er sehr überrascht gewesen, wie schwierig es war, einen guten, eingängigen Popsong hinzubekommen.
Unvergessliche Songs für Dionne Warwick
Etwa zur selben Zeit lernte er in der Hitschmiede des New Yorker Brill Buildings den Textdichter Hal David kennen, dessen großer Bruder Mack den Text zu „The Blob“ beigesteuert hatte. Die beiden beschlossen, fortan zusammenzuarbeiten und konnten schon bald die ersten Früchte ihrer gemeinsamen Bemühungen ernten: Zwei ihrer frühen Songs, „The Story of My Life“, gesungen von Marty Robbins, und „Magic Moments“ in der Version von Perry Como, wurden zu Hits sowohl in den USA als auch auf der anderen Seite des großen Teichs, in Großbritannien.
So richtig in Fahrt kam ihre gemeinsame Karriere jedoch erst, als sie Anfang der 60er Jahre die Sängerin Dionne Warwick entdeckten. Warwick – die eigentlich Warrick hieß und nur durch einen Schreibfehler der Plattenfirma zu dem zweiten „W“ in ihrem Namen kam – wurde zu ihrer Haus- und Hofsängerin. Mit ihr hatten die beiden Songbirds die richtige Stimme zu ihrer Musik gefunden – was sich auch schon bald in Chart-Erfolgen auszahlen sollte: Mit den Songs von Bacharach & David avancierte Warwick zu einer der erfolgreichsten Sängerinnen in den USA, die über zwölf Millionen Schallplatten verkaufte und sich mit über zwanzig Titeln in den Top 40 der US-Single-Charts platzieren konnte; mit sieben davon unter den ersten zehn. Dazu gehören so unvergessliche Evergreens wie „Anyone Who Had a Heart“, „Walk On By“ (bei dem erstmals die typische Trompete zu hören ist, die so charakteristisch für viele Bacharach-Kompositionen werden sollte) sowie „This Girl's in Love with You“ oder „I Say a Little Prayer“, das 1968 ebenfalls zu einem großen Hit für die überragende Aretha Franklin wurde.
Durch seinen Erfolg als Hitmaker erhielt Bacharach zudem vermehrt Aufträge für Filmmusik: etwa für die Bond-Parodie „Casino Royale“ aus dem Jahr 1967, für die er den gesamten Soundtrack komponierte, aus dem die Hit-Single „The Look of Love“, gesungen von Dusty Springfield, hervorging. Die Engländerin hatte schon in den Jahren zuvor große Erfolge mit Songs aus der Feder von Bacharach und David – wie „Wishin' and Hopin'“ oder „I Just Don't Know What To Do with Myself“ – verbuchen können und darf sicher zu den besten Interpretinnen ihrer Kompositionen gezählt werden.
Eines der berühmtesten Songwriting-Teams in der Geschichte der Popmusik
Gegen Ende der 60er Jahre schrieb Bacharach dann die Filmmusik zu der Western-Komödie „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ (dt. „Zwei Banditen“). Für den Soundtrack und das von B. J. Thomas gesungene „Raindrops Keep Fallin' on My Head“ bekam Bacharach 1970 seinen ersten Oscar. Zudem erreichte der Song die Spitze der Charts in den USA, Kanada und Norwegen und wurde zu Thomas' größtem Hit sowie zu Bacharach und Davids erstem Millionenseller, der noch heute neben dem famosen „What the World Needs Now Is Love“ von Jackie DeShannon und dem wunderbaren „Close to You“, besonders schön in der Version von den Carpenters, zu ihren bekanntesten Liedern zählt.
Im Laufe der Goldenen Sechziger stiegen Bacharach & David zu einem der erfolgreichsten und berühmtesten Songwriting-Teams in der Geschichte der Popmusik auf. Bacharachs meisterhafte Kompositionen, die den Ruf genießen, zwar leicht ins Ohr zu gehen, aber gar nicht so einfach nachzupfeifen sind, und Davids originelle Texte, in denen beispielsweise jemand seine eigene Heimatstadt nicht mehr findet („Do You Know the Way to San Jose“) oder die Gefahren des Verliebtseins aufgezählt werden („I'll Never Fall in Love Again“) wurden zu Klassikern, die von den Größten der Großen aus allen musikalischen Genres interpretiert wurden und bis heute in Coverversionen, Tribute-Alben und Samples verewigt werden.
Im Jahr 1973 kam es wegen des desaströsen Flops des Musical-Films „Lost Horizon“, zu dem Bacharach und David die Filmmusik geschrieben hatten, zum Bruch zwischen den beiden Partnern. In einem Interview erinnerte sich Bacharach, dass nach einer langen Phase stetig wachsenden Erfolgs nun alles den Bach runterzugehen schien: Musikalisch konnte er nicht mehr punkten, seine bereits zweite Ehe ging in die Brüche und auch bei seinen geliebten Pferdewetten hatte ihn das Glück verlassen. Erst mit Beginn der 80er Jahre zeichnete sich wieder Besserung ab, als die Songwriterin Carole Bayer Sager in sein Leben trat. Die beiden wurden ein Paar, heirateten und schrieben zusammen Musik, die endlich wieder den langersehnten Erfolg brachte. Ihr von Christopher Cross gesungenes „Arthur's Theme (Best That You Can Do)“ aus dem Film „Arthur“ wurde 1982 mit einem Oscar ausgezeichnet. Und der Song „That's What Friends Are For“, mit dem 1985 auch die Zusammenarbeit mit Dionne Warwick kurzzeitig wieder auflebte, die das Stück gemeinsam mit Elton John, Gladys Knight und Stevie Wonder einsang, schaffte es auf Platz 1 der US-Charts und erhielt 1987 gleich zwei Grammys.
Zu Beginn der 90er Jahre zerbrach auch seine Ehe mit Bayer Sager. Aber schon 1993 heiratete Bacharach die 32 Jahre jüngere Jane Hansen, die ihm zwei Kinder schenkte. Sein Sohn Oliver spielte zuletzt die Keyboards in seinem Live-Ensemble. Musikalisch ließ Bacharach nochmal durch die Zusammenarbeit mit Elvis Costello zu dem Album „Painted from Memory“ von 1998 aufhorchen sowie mit seinem Soloalbum „At This Time“ aus dem Jahr 2005, für das er selbst die Texte schrieb, in denen er sich mitunter auch mit politischen Themen auseinandersetzte. Beide Alben wurden mit Grammy Awards honoriert. 2020 veröffentlichte er erstmals seit fünfzehn Jahren wieder neue Musik mit dem amerikanischen Songwriter und Multiinstrumentalisten Daniel Tashian für die leider etwas nichtssagende EP „Blue Umbrella“. Es sollte sein letztes musikalisches Statement bleiben: Am vergangenen Mittwoch, dem 8. Februar 2023 starb der „King of Easy Listening“, der seine Musik lieber als „Romantic Music“ bezeichnete, im Alter von 94 Jahren in seiner Wahlheimat Los Angeles.
YouTube-Link zu einer von Burt Bacharachs schönsten Kompositionen, „The Look of Love“, in einer eigenen Instrumentalversion aus dem Jahr 1967 und mit der typischen Bacharach-Trompete
Hans Scheuerlein ist gelernter Musikalienfachverkäufer. Später glaubte er, noch Soziologie, Psychologie und Politik studieren zu müssen. Seine Leidenschaft gehörte aber immer der Musik.