Ein allseits gefürchteter Kandidat hat zwar Stimmengewinne erzielt, ist allerdings weit hinter dem erwarteten oder befürchteten Ergebnis zurückgeblieben. Die wichtigen Regierungsparteien haben Verluste erlitten, aber die Parteifreunde des Ministerpräsidenten bleiben trotz der Einbußen stärkste Kraft im Parlament. Allein der Umstand, dass das politische Establishment nicht krachend zusammengebrochen ist, reicht für Europas Granden inzwischen schon, einen großen Sieg zu feiern.
"Niederlande, oh Niederlande, du bist ein Champion! Wir lieben Oranje für sein Handeln und sein Tun! Herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Ergebnis!", jubelte der deutsche Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU). Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) freute sich über den "Erfolg für Europa". Als der jetzt gefeierte Ministerpräsident trotz wüster Drohungen und Beschimpfungen konsequent dabei blieb, die Propagandaauftritte zu unterbinden, mit denen türkische Regierungspolitiker in den Niederlanden für Erdogans „Verfassungsänderung“ genanntes Ermächtigungsgesetz werben wollten, hielten sich diese Jubler auffällig zurück. Weder unterstützte der deutsche Außenminister den Nachbarn, noch liebte der Kanzleramtsminister „Oranje für sein Handeln“.
Dabei war es diese konsequente Haltung, mit der Ministerpräsident Mark Rutte den prognostizierten Durchmarsch von Geert Wilders verhindern konnte. Viele niederländische Wähler haben es honoriert, dass sich die Regierung gegenüber der türkisch-islamistischen Führung in der Türkei nicht unterwürfig gezeigt hat. Wer als Holländer zwar islamistische Unterwanderung fürchtet, aber deshalb nicht gleich den Koran verbieten oder Moscheen schließen lassen will, der konnte Rutte wählen und musste seine Stimme nicht Wilders geben, um ein Zeichen seines Unmuts zu setzen. Das lässt sich, was die jetzigen Jubler übersehen, nicht auf die Länder übertragen, in denen sich schon des Rechtspopulismus verdächtig macht, wer die Gefahren des politischen Islam und der ungeregelten Massenzuwanderung vor allem junger Männer, die genau von ebendiesem politischen Islam geprägt wurden, offen diskutieren möchte.
"Schade, dass es nicht geklappt hat, jetzt müssen wir auf das nächste Mal warten. Wir haben auch nicht verloren, sondern vier oder fünf Sitze dazu bekommen. Ich garantiere Ihnen, der patriotische Frühling beginnt jetzt. Die anderen Parteien haben unsere Standpunkte übernommen. Damit haben wir sogar vielleicht mehr Einfluss“, kommentierte Geert Wilders sein – verglichen mit den Erwartungen – schlechtes Abschneiden. Ob nun ein „patriotischer Frühling“ beginnt, ist ungewiss. Aber manche Debatte im neuen Parlament könnte Wilders bestimmt nutzen. Dazu werden ihm womöglich ein paar bislang nicht ausreichend beachtete Wahlsieger dieser Wahl verhelfen.
Die Immigrantenpartei wird erstmals im Parlament vertreten sein
Die noch recht junge Immigrantenpartei Denk wird erstmals im Parlament vertreten sein. "Die neue Niederlande haben heute eine Stimme im Parlament bekommen“, jubelte Parteiführer Tunahun Kuzu. Kuzus Partei wurde bei ihrer Gründung vor drei Jahren in den Medien, auch in vielen deutschen Medien, mit viel Wohlwollen begleitet. Allerdings scheint es sich mitnichten um eine spontane Parteigründung aus der bunten Gesellschaft heraus zu handeln. Kuzu und sein Mitstreiter Selcuk Öztürk gelten als Gefolgsmänner Erdogans. Für die deutsche Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Linke) ist Denk eine von „Erdogans fünften Kolonnen“ in Europa:
„Als erstes setzte Ankara in den Niederlanden 2014 an. Dort verließen zwei türkeistämmige Abgeordnete, Tunahan Kuzu und Selcuk Öztürk, Ende 2014 die sozialdemokratische Partei (PvdA) im Streit um die Integrationspolitik der Regierung und gründeten die Partei DENK, die sich als Gegenmodell zur rechtspopulistischen, islamfeindlichen PVV von Geert Wilders sieht. Unmittelbarer Anlass war der Beschluss von Sozialminister Lodewijk Asscher (PvdA), türkische Organisationen wie Milli Görüs, die als Arm der Muslimbruderschaft und willfährige Unterstützerin der AKP in Europa gelten, in den Niederlanden schärfer zu überwachen.
Die beiden Abgeordneten waren mit dieser Maßnahme entschieden unzufrieden. Mit ihrer neuen Partei DENK vollziehen sie jeden Schritt Erdogans unkritisch nach und sprechen folgerichtig auch nicht vom Völkermord an den Armeniern. DENK hat bereits 2.600 Mitglieder und könnte bei den nächsten Parlamentswahlen 2017 bis zu fünf Abgeordnetensitze erlangen.“
Fünf Sitze sind es zwar nicht geworden, doch die Präsenz im Parlament dürfte gelegentlich für Aufsehen sorgen, Aufsehen, das Wilders nützen dürfte. Oder bleibt Rutte auch nach dem Wahlkampf so konsequent gegenüber islamistisch-türkischen Anmaßungen?
Der Denk-Abgeordnete Kuzu wird jedenfalls kein Parlamentsneuling sein. Sein letztes Parlamentsmandat hatte er, wie schon erwähnt, noch mit der PvdA gewonnen. Für allgemeine Aufmerksamkeit sorgte Kuzus demonstrative Weigerung, dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu bei einem Besuch im niederländischen Parlament die Hand zu geben. Bei seinen Wählern kommt so etwas sicher gut an. Und Wilders wird es zu nutzen wissen.
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