Gastautor / 08.10.2017 / 14:34 / Foto: Geolina 163 / 13 / Seite ausdrucken

Wie die Linke sich gegen Rechts verrennt

Von Thomas Eisinger.

Das Grundübel der politischen Situation in Deutschland besteht darin, dass es keine rechte Partei geben darf. Anders als in allen westlichen Demokratien, wo es immer Rechts, Mitte und Links gibt (außer in den USA, wo es kein „Links“ geben darf, denn das wäre Kommunismus und ist des Teufels), wurde in Deutschland spätestens seit dem „Kampf gegen Rechts“ eine komplette politische Richtung quasi verboten. Wer nun denkt, dies hätte primär mit der deutschen Vergangenheit zu tun, der irrt.

Es ist vielmehr eine äußerst erfolgreiche Machterhaltungsstrategie der CDU: Während Merkel ein linkes Thema nach dem anderen für sich vereinnahmt und damit ihre Wählerschaft in dieser Richtung ausdehnt, sollte die Dämonisierung „rechter“ Parteien verhindern, dass die rechte Flanke der CDU angegriffen werden kann. Eine wunderbare Strategie: Gewinne auf der linken Seite ohne Verluste auf der rechten Seite, so geschehen bei der Wahl 2013 als CDU/CSU fast die absolute Mehrheit erreicht hat.

Nun konnte sich die AfD trotz vier Jahre langer Dämonisierung durch Parteien und Medien spätestens mit diesem Wahlergebnis tatsächlich etablieren. Wie war das möglich? Zu Beginn muss verstanden werden, dass es – wie in allen westlichen Demokratien – auch in Deutschland ein gesundes und berechtigtes „Rechts“ gibt. Dies beinhaltet die Pflege traditioneller Werte, die Liebe zu Familie, Land und Heimat, das Bedürfnis nach Sicherheit und Planbarkeit - gerade auch fürs Alter – und die Überzeugung, dass Gesetze eingehalten werden müssen.

Wer sich diese Punkte ansieht, wird feststellen, dass nichts Verwerfliches darunter ist. Es ist die Idee, Bewahrenswertes zu bewahren und in Sicherheit leben zu wollen, und zwar am besten aus eigener Kraft und Verantwortung und nicht unter Zuhilfenahme des wohltätigen Staates. Wenn dieses „Rechts“ Raum bekäme in Deutschland, dann bräuchte es eine AfD in dieser Form sicher nicht. Denn in Wahrheit gelingt unsere Gesellschaft nur durch eine Kombination von Rechts und Links: durch Stärkung der Selbstverantwortung des Einzelnen („rechts“), Bewahren von erfolgreichen Traditionen („rechts“) und gleichzeitig Modernisierung überholter Traditionen („links“) sowie der Solidarität der Gemeinschaft für alle, denen ein gutes Leben nicht ganz aus eigener Kraft gelingt („links“).

Auch wenn es viele Gründe gibt, so sind es im Wesentlichen zwei entscheidende Fehler, die die real existierende Linke (SPD, die Linke) gemacht hat und beständig wiederholt: die Idee, die Solidargemeinschaft auf ganz Europa und sogar die ganze Welt auszudehnen ist für alle, die wirklich auf die Solidarität des deutschen Sozialstaates angewiesen sind, gnadenloser Hohn. Jeder kann sich einfach ausrechnen, dass es faktisch nicht möglich ist, das deutsche soziale Netz in ganz Europa oder sogar noch weiter aufzuspannen. Die offenen Grenzen sind also in Wahrheit ein fundamentaler Widerspruch zum Solidaritätsgedanken, der zentralen Idee der Linken. Denn Solidarität kann es nur in abgegrenzten Gebieten geben. Eine weltweite – finanzielle – Solidarität, nur von Deutschland getragen, ist faktisch unmöglich.

Wieviel proaktive Gestaltungskraft liegt vor uns?

Der zweite Kardinalfehler der Linken ist es, die „Rechten“ pauschal zu verteufeln und jede inhaltliche Diskussion abzulehnen. Denn die Menschen, die der Solidarität der Gemeinschaft bedürfen, merken sehr wohl, dass die Rechten (und hier gibt es in Deutschland nur die AfD) mittlerweile viel eher ihre ureigenen Interessen vertreten. Die praktizierte Diskussionsverweigerung über „rechte“ Themen ist wie Hohn für alle Menschen, die genau in diesen Themenfeldern den größten gesellschaftlichen Diskussionsbedarf sehen.

Die Linke hatte bisher die Hoheit darüber, was in Deutschland diskutiert werden darf und was nicht. Der AfD ist es in den letzten Jahren gelungen, dieses Themenspektrum berechtigterweise zu erweitern: EU, Euro, Einwanderungsrecht, Abschiebepraxis für illegale Einwanderer, Anwendung des Asylrechts… Alles äußerst relevante Themen für eine Gesellschaft, deren inhaltliche Diskussion aber durch die bestehenden Parteien und große Medien weitgehend unterbunden wurde beziehungsweise stets in Kategorien wie „rassistisch“, „nationalistisch“ oder „Nazi“ „entsorgt“ wurde. So entstand der Eindruck, es gäbe in Deutschland keine Opposition mehr. Und wie nennt man eine Demokratie ohne Opposition?

Wie wird alles wieder gut? Nie wird es wieder so werden, wie es einmal war. Dieser Satz gilt immer seit es Menschen gibt. Die Frage ist vielmehr, wieviel proaktive Gestaltungskraft liegt vor uns respektive wieviel plumpe Reaktion auf äußere Ereignisse müssen wir noch erdulden. Mit der reinen Machtpolitikerin Merkel an der Spitze wird es keine längerfristigen Konzepte geben, zumindest keine, die sie uns mitteilen würde. Und so lange gerade die linke Seite sich verschleißt im „Kampf gegen Rechts“, kann der Merkelismus weiter unangetastet reine Machtpolitik betreiben.

Wenn Rechts und Links erkennen würden, dass sie vielfach dieselben Ziele verfolgen, nur unterschiedliche Lösungswege vorschlagen, dann könnte man auf der Sachebene zu einem echten Diskurs finden. Denn de facto braucht es beide Richtungen, um den Menschen zu dienen.

Thomas Eisinger ist strategischer Berater, Coach und politisch interessierter Bürger.

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Leserpost

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Volker Kleinophorst / 09.10.2017

Ich bin Jg. 1957. Als ich anfing zu wählen, war die CDu eine rechte Partei. Bis Merkle kam ist sie nach allgemeiner Lesart eine gewesen. Insofern stimmt nicht, dass es in der BRD keine rechten Parteien geben darf. Das ist erst mit der Einführung des Merkelismus so. Übrigens eine Abart des Sozialismus. Sozusagen der deutsche Weg.

Christian Erkelenz / 09.10.2017

Ganz tolle Analyse, meinen Glückwunsch. Allerdings wird es wohl ein Wunschtraum bleiben: Die dogmatischen Verkrustungen sind zu erstarrt. Ebenso sind die beschriebenen machtpolitischen Strukturmechanismen zu tiefgehend. Beides aufzulösen halte ich fast für unmöglich. Ein offener Dialog wird nur kommen, wenn die AfD immer stärker wird, sich gleichzeitig von radikalen Kräften trennt und am Ende Machterwerbspartei wird. Dann bricht am Ende das Kartenhaus der Verbote irgendwann in sich zusammen. Und Machiavelli stößt an seine Grenzen. Österreich lässt grüßen….

Thomas Eisinger / 09.10.2017

Liebe Karla Kuhn, das sich “linke” und “rechte” zusammentun war so nicht gemeint (und auch nicht geschrieben). Was ich damit meine ist, dass es inhaltlich nicht um ein entweder-oder geht, sondern um ein sowohl-als-auch. Oder konkreter und sehr verkürzt: starke Förderung der Selbstverantwortung (dann braucht es wenig Wohlfahrtsstaat, um gut zu leben) und gleichzeitig Solidarität für all diejenigen, die es nicht aus eigener Kraft schaffen. Die Grenze ist fließend und hier lohnt es sich beständig zu verhandeln. Allerdings wird dies unmöglich, wenn man gar nicht definieren kann, wer Solidarität erhalten soll, weil es keine Grenzen mehr gibt…

J. Schnerr / 09.10.2017

Eigentlich bringt uns das ganze Rechts-Links-Getue keinen Schritt weiter! Stattdessen sollte man einfach die Frage stellen, was gut und was schlecht für das Land war und ist. Unter diesem Aspekt bleibt von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken nur ein Haufen Asche übrig. Diese 4 Parteien haben in der letzten Legislaturperiode alles das zu verantworten, was mit “Euro-Rettung”, Füchtlingskrise und beginnendem Zerfall der EU am prägnantesten umschrieben werden kann, obwohl es da noch viel mehr gibt. Unter diesem Aspekt ist es auch berechtigt die jetzt neu hinzugekommenen Parteien AfD und FDP zu betrachten. Dazu muss man aber erst mal sehen, was sie einzubringen in der Lage und willens sind. Ich denke viele Wähler und auch die Leser der Achse sind da ohne Scheuklappen und Schablonendenken sehr wohl in der Lage dazu. Es braucht eben jetzt mehr Parteien, weil die alten Großparteien sich zusehr auf eine bestimmte Klientel festgelegt hatten. Und sie können das, glaube ich, auch nicht mehr ändern. Es wird bei einem breiten Parteienspektrum bleiben. In den Niederlanden und in Österreich ist das schon lange Normalität; in Frankreich gibt es die alten Großparteien (Gaullisten, Sozialisten) nicht mehr. In Italien ebensowenig.

Klaus Brand / 08.10.2017

Wow! Fantastischer Text, kurz, prägnant und zukunftsweisend. Bitte mehr davon.

Thomas Klingelhöfer / 08.10.2017

Die Rückkehr der Vernunft in den politischen Diskurs würde ich ebenfalls sehr begrüßen, Herr Eisenfeld. Ich verstehe nicht, wie die klare Überforderung des hiesigen Gemeinwesens angesichts des prognostizierten Bevölkerungswachstums insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent in Abrede gestellt werden kann. Gibt es Menschen, die aus grundlegenden moralischen Erwägungen heraus den eigenen Untergang (und ihrer Kinder) herbeiführen wollen? Ich werde mich nicht von unserer Regierung zur Mutter Theresa wider Willen machen lassen.

Lutz Muelbredt / 08.10.2017

Es ist einer von vielen Streitpunkten der Geschichtsinterpretation, den National-Sozialismus als rechts zu bezeichnen. Welche soziale Verwerfungen während der Weimarer Republik sowohl SPD-Leute als auch Kommunisten und das Bürgertum zu den Nazis trieb, ist allenthalben bekannt. Eine Aufarbeitung dieser Wählerbewegungen konnte nach dem Krieg aus Zeitgründen nicht stattfinden, denn das Wohlstands-Schaufenster des Westens mußte gefüllt und der Russe in der Ost-Zone damit “beeindruckt” werden. Die Wirkung ist ebenfalls bekannt, 1989 war es soweit, diesmal liefen die Linken der Ost-Zone in Scharen zu den Konservativen über, denn die Linken im Westen hatten sich bereits bestens eingerichtet und keine Lust auf die Klassenbrüder aus dem Osten. Der spätere SPD-Kanzler Schröder sprach damals über die DDR auch von West-Polen. Ein Dilemma. Jedoch sehr aufschlußreich.

Dirk Jungnickel / 08.10.2017

Grundsätzlich ist dem Text zuzustimmen. Nur stört mich, dass unter Links SPD und (sogen.) Linke subsumiert werden. Obwohl die SPD aus der Geschichte nichts gelernt hat und der SEDPDSLinken   - neben dem Gros der Medien - als Steigbügelhalter diente, gibt es in der SPD immerhin noch Stimmen, die die Linke für nicht regierungsfähig halten.  Und wenn die Linke sich antifaschistisch gebärdet,  sollte man ihre Glaubwürdigkeit auf den Prüfstand stellen. In der “DDR” fungierte der Antifaschismus bekanntlich als Gründungsmythos. Das Unterdrückungssystem bediente sich allerdings und trotz alledem faschistoider Mittel.  Bedenklich ist nicht der Sieg der AfD sondern nach wie vor die Präsenz der Partei der Linken.  Denn - um Brecht abzuwandeln - der Schoss aus dem die Diktatur kroch, ist fruchtbar noch. Auch wenn das viele nicht realisieren.

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