Thilo Schneider / 10.11.2019 / 10:00 / Foto: Timo Raab / 12 / Seite ausdrucken

„WerhaddndenLeberkäs?“: Politik in Mundart

Der Bürger draußen im Lande fragt sich ja gelegentlich, wie das so ist mit der Politik. Wie wird sie gemacht, wer sind die handelnden Personen und wie kommen diese in Positionen, in denen sie dann Unheil stiften können? Als Parteimitglied der CSPAFDPGrünLinke möchte ich daher heute den Lesern einen Einblick in das geben, was der Politlaie so unter „Parteibasis“ versteht und wie eben Politik da, an der Basis, gemacht wird.

Es ist ein x-beliebiger Freitag in der Provinz, die CSPAFDPGrünLinke hat zum monatlichen Stammtisch beim Deutschen Kaiser (günstigstenfalls ist der Pächter ebenfalls Parteimitglied) geladen. Dies bedeutet konkret, dass der GKV („Große Kreisvorsitzende“) ein Thema vorbereitet und vielleicht sogar jemanden mit einem „Impulsreferat“ beauftragt hat, das dann er oder jener vorträgt, während die Parteikameradengenossenfreundekollegen andächtig lauschen und nur manchmal vom Bier nippen. In unserem Beispiel hat sich der GKV des Themas „Renovierung des Kindergartens Eichkätzchen“ angenommen. Er steht also vor der versammelten Parteimann- und Frauschaft und legt los:

„Ja, also, liebe Parteikameradengenossenfreundekolleginnen und Parteikameradengenossenfreundekollegen, es geht um die Renovierung des Kindergartens Eichkätzchen …“ Kathi, die Kellnerin, kommt herein und brüllt „werhaddndenLeberkäsghabt?“ „… Ernst, des warst Du. Also, die Renovierung vom Kindergarten. Es geht um die Mittel …“ Paul brüllt dazwischen: „Kathi, wennde widder kommst, bringst mer noch a Bier, bittschön! Ja, Pils!“ Der GKV steht da, lächelt verlegen und wartet, ob noch jemandem eine Bestellung einfällt, aber Paul ist fertig. „Mach weider!“, fordert er den GKV auf. Der GKV hebt an: „Also, die Sanierung hat die Stadt schon im Budget eingeplant, aber die Renovierung kommt jetzt teurer …“ „Des kenn isch“, plärrt Ewald dazwischen, „isch hab unser Bad ledzdes Jahr renoviern wolle …“ „Ja, Ewald, ist recht“, fällt ihm der GKV ins Wort, „… auf jeden Fall will jetzt der Stadtrat einen Nachtragshaushalt beschließen …“

Kathi ist wieder da. „Wer haddn des Export gehabt?“, will sie wissen. „Der Paul“, hilft der GKV nach, aber er irrt sich. „Pils! Isch hatt e Pils bestellt!“, korrigiert Paul und Kathi gibt zu, sich vertan zu haben. „Isch bring Dir e Pils, isch hab misch da vertan“, erklärt sie. Ungerührt von dem Drama fährt der GKV fort: „…also und wegen des Nachtragshaushalts wäre jetzt die Frage, ob wir dafür oder dagegen sind. Zur Gegenfinanzierung …“ „De Gehwesch unne am Mänzer Dor müsst aach verbreidert werde!“, gibt Karl-Heinz in die Gegenfinanzierung hinein zu bedenken. „Ja, Karl-Heinz, darüber können wir ja im Anschluss …“, schlägt der GKV vor, aber Karl-Heinz lässt nicht locker: „Nix! Jedzz! Isch hab des schon vor einem Jahr und isch hab des schon vor zwei Jahrn gesacht und isch hab des schon vor drei Jahrn gesacht und was is bassiert? Nix is bassiert!“

„Der Sprungturm is doch noch gut?“

„Kalleinz, jetzt lasse doch erst einmal den Kreisvorsitzenden sprechen“, hilft Heidrun dem GKV. „Aber nachher!“, insistiert Karl-Heinz trotzig, ist aber im Moment zufrieden. „Danke, Heidrun“, bedankt sich der GKV, „also zur Gegenfinanzierung der höheren Kosten …“ „... des Bad is zum Schluss fast dobbelt so doier geworde!“, wirft Ewald erschüttert ein. Der GKV fährt aber, emotional völlig unberührt, fort: „Also zur Gegenfinanzierung hat der Bürgermeister vorgeschlagen, die Sanierung des Sprungturms vom Stadtbad …“ „Wer haddn den heiße Kamenbert gehabt?“, fragt die Kathi mit dampfendem Teller dazwischen und Karl-Heinz hebt die Hand. „Also, der Bürgermeister meint, wir könnten die Sanierung des Sprungturms …“, hebt der GKV erneut an, als Karl-Heinz geräuschvoll das Messer auf den Fliesenboden fallen lässt. „Isch bring Dir e neues“, erklärt Kathi hilfreich, während Karl-Heinz unter den Tisch kriecht, um das alte Messer aufzuheben.

„Der Sprungturm is doch noch gut?“, wirft unterdessen Paul in die Diskussion. „Nein“, sagt Heidrun, „ich war letzten Sommer dort. Da blättert der Putz, und die Stufen der Leiter sind ziemlich abgetreten.“ „Was muss mer denn überhaupt en Schprungturm habbe?“, fragt Ewald dazwischen. „Mir sin früher aach vom Beggerand ins Wasser gesprunge, des hat uns aach nix geschadt …“, ergänzt der wieder mit einem dreckigen Messer aufgetauchte Karl-Heinz und unterstützt somit das Argument seines Vorredners. „Also sollen wir den Bürgermeister da unterstützen!“, konstatiert der GKV die Diskussion und erntet allgemeines Gebrummel. „Dann stelle ich hiermit den Antrag, dass die CSPAFDPGrünLinke den Antrag des Bürgermeisters unterstützt, den Nachtragshaushalt zur Renovierung des Kindergartens zu verabschieden und im Gegenzug die Renovierung des Sprungturms im Stadtbad zurückzustellen! Wer ist dafür?“, fordert der GKV zum Abstimmen auf. Von den zehn Anwesenden gehen neun Arme in die Luft.

„Wer ist dagegen?“, fragt der GKV und Karl-Heinz hebt die Hand. „Der Gehwesch unne am Mänzer Dor müsst verbreidert werde“, begründet er seine Ablehnung. „Des willst Du doch aach nur, weil Du da sonst mit Deim Rollador nit durschkommst, wenn e Audo kommd“, fährt ihm Ernst in die Parade, der mit dem Leberkäse fertig und deswegen jetzt aufmerksam ist. „Des schpielt gar kä Rolle, isch hab des vor drei Jahrn scho gesacht …“, verteidigt sich Karl-Heinz und Heidrun ergänzt spöttisch: „… und vor zwei Jahren und letztes Jahr …“ „Komm Du ma in mei Alder, Mädsche“, entkräftet Karl-Heinz diesen Einwand und der GKV will „Enthaltungen?“ wissen. „Somit ist der Antrag mit Neun zu Eins ohne Enthaltung angenommen – schreib das auf, Tobias“, stellt der GKV in Richtung seines Sohnes fest.

In der Pressemitteilung wird es dann übermorgen heißen: „Nach einer hitzigen Debatte hat sich die CSPAFDPGrünLinke-Fraktion im Stadtrat Blödmannheim dazu entschieden, dem Antrag des Bürgermeisters, zur Gegenfinanzierung des Nachtragshaushalts für den Sprungturm des Stadtbads die Renovierung von Ewald Mayerhofers Badezimmer zurückzustellen, zuzustimmen.“

So geht Politik. So funktioniert das!

(Mehr Basispolitisches mit Leberkäse des Autors gibt’s unter www.politticker.de )

Foto: Timo Raab

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Matthias Braun / 10.11.2019

LOKAL Politik zwischen “HANDKÄS und MUSIK”-herrlich,erfrischend im Novembergrau. Danke Herr Schneider.

Dieter Kief / 10.11.2019

“Erbarmen mit den Politikern. - Eine Handreichung” - Hans Magnus Enzensberger in “Zickzack”, 1997 - einem der besten Bücher der Welt.

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