Peter Grimm / 09.01.2024 / 08:30 / 81 / Seite ausdrucken

Wer hat Angst vorm bösen Bauern?

Es ist hierzulande neu, dass Traktoren und Lastwagen zum Protest gegen die Regierung den Verkehr lahmlegen. Die Regierenden scheint das nervös zu machen, denn sie warnen davor, dass jede Demonstration gegen ihre Politik von rechts instrumentalisiert werden könnte. Das scheint wichtiger zu sein als die Anliegen der Demonstranten.  

Eine Durchsicht zu diesem Thema finden Sie hier. Das Folgende ist eine Transkription des Durchsicht-Beitrags.

Diese Woche des Protests – vor allem der Bauern – sorgte schon seit Tagen für heiße Debatten. Es ist für die Deutschen eine neue Protestform, dass überall im Lande Traktoren und Lastwagen den Verkehr lahmlegen, um gegen Beschlüsse der Regierung zu demonstrieren. Die Regierung wiederum scheint das nervös zu machen, denn statt liberaler Gelassenheit gegenüber regierungskritischem Protest, die zwischenzeitlich in der Bundesrepublik einmal üblich war, warnt sie jetzt davor, dass jede Demonstration gegen ihre Politik von rechts instrumentalisiert werden könnte. 

Damit beschäftigen sich die Regierenden scheinbar mehr als mit den Anliegen der Demonstranten. Es beunruhigt sie offenbar, von den Bauern und ihren Unterstützern mit der Wirklichkeit konfrontiert zu werden. Diese mangelnde Gelassenheit zeigten der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck am Montag bei einer YouTube-Ansprache und der FDP-Parteivorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner auf dem Dreikönigstreffen seiner Partei am Samstag sehr deutlich. 

Christian Lindner: Ich sehe deshalb mit Sorge die aktuellen Proteste der Landwirtinnen und Landwirte.“ 

Robert Habeck: „Der Bauernverband betont immer wieder, dass er gewaltfrei und friedlich demonstrieren will. Die Erfahrungen der letzten Demonstrationen zeigen allerdings, dass das nicht bei allen ankommt. Wenn an Traktoren Galgen hängen, wenn Traktorkollonnen zu privaten Häusern fahren, dann ist eine Grenze überschritten.“

Christian Lindner: „Die gefährliche Situation, in die mein Kollege Robert Habeck gekommen ist, war völlig inakzeptabel.“

Welche gefährliche Situation? Es gab bei dem Protest am Fähranleger nach allen Bildern, die man kennt, offenbar keine Gewalt. Die Begegnung mit Demonstranten gegen einen selbst ist sicher nicht angenehm, aber wie viele Firmenchefs haben solche Begegnungen schon beispielsweise mit einer streikenden Belegschaft hinter sich gebracht? Wie viele Bürgermeister oder Landräte sprachen schon mit größeren Gruppen protestierender Bürger, die auch wütend waren? Aber für Ampel- Minister ist eine überraschende Begegnung mit unzufriedenem Landvolk „völlig inakzeptabel“? Und wie viele Galgen an Traktoren gab es denn? Wer ist denn in seinem Privathaus von Traktoren bedrängt worden? Ist es wirklich so schlimm, dass selbst der Vorsitzende einer sich als liberal verstehenden Partei öffentlich nach dem Staatsanwalt rufen muss?

Christian Lindner: „Die Sachbeschädigungen, auch die angekündigten Blockaden sind unverhältnismäßig. Hier, wie sonst, kann es nur eine Konsequenz geben: Landfriedensbruch, Nötigung, Sachbeschädigung, das sind Fälle für den Staatsanwalt.

Lassen Sie sich nicht unterwandern und instrumentalisieren! Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um."

Viele der protestierenden Bauern und auch Regierungskritiker aus anderen Gewerken finden wohl eher, dass sich Lindner und Regierungskollegen verrannt haben und umkehren sollten. Immerhin, einige Politiker gibt es, die sich ohne solcherlei Ermahnungen hinter den Bauernprotest stellen, beispielsweise ein Landesminister mit eigenem Agrarhintergrund.“

Kommentar Bayerischer Rundfunk: Die Bauernproteste sieht Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger als politische Notwehr.

Hubert Aiwanger: Ich rufe sie auf, die Özdemirs, die Lindners, die Ricarda Langs, die Baerbocks, sie sollen sich doch einen Bauernhof pachten, sollen uns zeigen, wie es geht. Sie sollen billig und gut arbeiten, möglichst viel arbeiten und möglichst ökologisch und ohne Pflanzenschutz und ohne Dünger und ohne dass die Kuh pupst. Und sollen so weiterhin die Bevölkerung ernähren. Ich würde ihnen sagen, dieses Experiment würde scheitern und wir wären am Verhungern“.

Deshalb sollten wir mit einem solchen oder ähnlichen Experiment auch gar nicht anfangen. Christian Lindner jedenfalls lässt es nicht nur gegenüber den Bauern an liberaler Gelassenheit fehlen. Die politische Führung scheint äußerst dünnhäutig geworden zu sein.

Christian Lindner: „Wer hetzerische Whats-App-Kacheln im Freundeskreis verschickt, wer Ressentiments toleriert, wer die Verächtlichmachung demokratischer Politikerinnen und Politiker belacht und wer sich für Fakten nicht mehr interessiert, der schwächt nicht nur die liberale Demokratie, sondern gefährdet am Ende auch die eigene Freiheit.

Lachen über die Regierung gefährdet die eigene Freiheit? War das ernst gemeint, eine spezielle Art von Humor oder wurden hier nur zwei Textbausteine ungeschickt zusammengefügt? Vielleicht ist der große Vorsitzende Lindner auch nur etwas nervös wegen eines Umfrageergebnisses der letzten Tage. 

In Sachsen, bei der im September anstehenden Landtagswahl hätte seine Partei nach aktuellen Zahlen nicht nur keine Chance, in den Landtag einzuziehen – dieses Schicksal träfe auch die SPD und dies erstmals in ihrer Geschichte –,  das Ergebnis des kleinsten Berliner Koalitionspartners war herausragend schlecht. Und während diese beiden Parteien aus dem Landtag fliegen würden, bekommt ausgerechnet die Partei, die alle, von der CDU bis zu den Linken, mittels Ausgrenzung klein halten wollten, ein Rekordergebnis.

Moderatorin Welt TV: Die AfD liegt in Sachsen laut einer aktuellen Wahlumfrage bei 37 Prozent und damit deutlich vor der CDU. Die SPD kommt nur noch auf 3 Prozent und wäre also nicht mal mehr im Landtag vertreten, genauso wie die FDP, die nur auf ein Prozent kommt.“    

Moderator Welt TV: Und da zeigt sich: Also der Erfolg der AFD ist vor allen Dingen in Ostdeutschland ja weiter ungebrochen. Es wird ja in Sachsen in Brandenburg und in Thüringen gewählt, aber die SPD Co-Vorsitzende Esken, die redet auf einmal davon, die AfD müsse verboten werden. Also Frau Esken, da fragt man sich auch, was das soll.“

O-Ton Saskia Esken: „Wenn eben ein Verfassungsschutz, wenn Verfassungsschutzgremien, Behörden zu der Auffassung kommen, dass eine Partei als ganz gesichert rechtsextrem zu gelten hat, dann muss auch das Schwert des Verbotes gezogen werden. Es ist von großer Bedeutung für unsere Demokratie, dass wir deutlich machen, dass diese Partei unsere Demokratie bekämpft, dass sie die Interessen der Menschen nicht vertritt, sondern nur die eigenen Interessen“.

Während die einen, wie die Genossin Esken, die AfD verbieten wollen, tun andere so, als könnten sie die Abgrenzung zu der Partei mit den in Sachsen höchsten Zustimmungswerten immer noch aus einer Position der Stärke pflegen. Doch wie der sächsische CDU-Innenminister Armin Schuster solche Realitätsleugnung demonstriert, hat immerhin einen gewissen Unterhaltungswert. 

O-Ton Armin Schuster: „Also wissen Sie, ich bin ehemaliger Fußballer,  deswegen habe ich gelernt, auf meine eigene Mannschaft zu gucken. Mit 33 Prozent stehen wir 8 Monate vor dieser Wahl aus meiner Sicht ganz gut da. Ich weiß, dass wir noch ein bisschen aufholen müssen, noch ein paar Tore machen müssen, wenn Sie so wollen. Aber da bin ich jetzt eigentlich optimistisch.“

Moderatorin Welt TV: Wieso sind Sie denn da optimistisch? Dann könnten Sie ja auch nur eine Koalition eingehen mit Linken und Grünen und mit den Linken wollen Sie ja eigentlich auch nicht?“

O-Ton Armin Schuster: „Na ich muss die Koalition ja nicht jetzt eingehen, sondern wenn, müssen wir das im September.

Was für eine Frohnatur. Er müsste eine Koalition erst im September eingehen, deshalb sollten wir vor der Wahl nicht drüber reden. Das könnte ja potentielle sächsische CDU-Wähler abschrecken, die den SED-Erben auch nicht indirekt zur Macht verhelfen wollen. 

Robert Habeck gibt sich gegenüber den AfD-Erfolgschancen und vielleicht auch denen der ganz neuen Parteien nicht so ignorant wie der sächsische Innenminister und beschwört im politischen Kampf gegen selbige den gemeinsamen Feind.

O-Ton Robert Habeck: Die Radikalen und Populisten haben Aufwind. Sie sind voll motiviert und mobilisiert. Entscheidend ist jetzt, dass die große schweigende Mehrheit sich einbringt, sprich wählen geht und sich klar macht, dass Demokraten Differenzen haben mögen, der politische Feind, der gemeinsame Hauptgegner jedoch die Antidemokraten sind.“

Ungeachtet der wichtigen Detailfrage, wen man alles zu den „Antidemokraten“ zählt, ist es natürlich wahr, dass man keine Antidemokraten in politische Ämter wählen sollte. Und wie verhindert man das? Indem man mehr Demokratie wagt oder indem man weniger Demokratie zulässt? Man kann eine Demokratie nicht mit Demokratieabbau verteidigen. Der aber findet in der heutigen Bundesrepublik statt. Sie wünschen ein konkretes Beispiel? Das mit Ampelmehrheit beschlossene neue Bundestagswahlrecht. Wenn Wähler einen Abgeordneten mehrheitlich direkt ins Parlament wählen, dann kann es künftig sein, dass er trotzdem kein Mandat bekommt und der Wahlkreis keinen eigenen Vertreter im Bundestag hat. 

Die um die Demokratie so besorgten Ampelmännchen haben das verbockt und könnten daran sofort etwas ändern. Aber sie rufen lieber andere zur Rettung der Demokratie auf.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: C.Suthorn C.Suthorn / cc-by-sa-4.0 / commons.wikimedia.org(Note the three necessary links to author, licence and image file in the attribution.), CC BY-SA 4.0, Link

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Karsten Dörre / 09.01.2024

Was interessieren mich Youtubeansprachen eines Regierungsmitgliedes?

Walter Gustav / 09.01.2024

Was ein Glueck, dass wir im besten Deutschland aller Zeiten leben, nicht auszudenken wenn es das schlechteste waere. Manche behaupten es waere das Schlechteste, na Rechstradikale und Nazis eben..

Fritz kolb / 09.01.2024

@Torsten Hopp: sehr richtig. Von Herrn Habeck, dem Deutschlandhasser, erwarte ich ja nichts anderes, wo nichts ist im Kopf, da kann auch nicht real-analytisch gedacht werden. Der Herr Lindner hat jetzt endgültig die FDP unter die 5%-Marke geredet, ignorant, dumm, völlig abgehoben und überheblich. Ich freue mich auf die Abwahl dieser Regierung und das Scherbengericht danach.

Patrick Meiser / 09.01.2024

Guter Artikel, Herr Grimm. Den Ampelmännchen:innen (und ‘außen’ auch) geht der sprichwörtliche A**** auf Grundeis. Die hätten sich im Leben nicht vorstellen können, daß dieser berühmte Tropfen, der das Faß zum überlaufen brachte, derart Zustimmung in der breiten Bevölkerung erfährt. Jetzt rächen sich all die Drangsalierungsorgien und Lügen bzgl. Corona und das Pendel schlägt erbarmungslos zurück. Man kann nur hoffen, daß die große Mehrheit nicht wieder auf das Gesülze der Union hereinfällt und die nochmals wählt.

jan blank / 09.01.2024

Tantenhaftes Gezeter um “Mäßigung” . Dargeboten von Gestalten, die selbst keine Hemmung haben alles und jeden, zu jeder Zeit, mit ihrer salbungsvollen Stuhlkreisrhetorik vollzumachen. Diese Kaste vermag zweifelsohne jedes Seminar und jedes politische “get together” hoffnungsfroh erglänzen zu lassen, aber bei Ärger in der Kneipe oder morgens an der innerstädtischen Nachtbusstation möchste die bestimmt nicht dabei haben. Entgegen der wohlfeilen Annahme, dass Gewalt keine Lösung sei, offenbart die Geschichte das Gegenteil. Sämtlichen entscheidenden Weichenstellungen der Geschichte gingen Gewaltakte voraus. Übrigens auch auf der Straße. Die kennen unsere Regenten aber nur vom Hörensagen. Deshalb kommt die Straße mit all ihren Realien jetzt zu ihnen. Wer in der Schule nicht aufpasst, bekommt eben Nachhilfe.

Chris Oede / 09.01.2024

Bemerkenswert ist, dass Habeck in seiner Rede den „erneuerten Republikanismus“ beschwört. Er besetzt also die Positionen der “Demokraten”, als auch der “Republikaner”. Saubere Einheitsfront! Eindrucksvoll ist auch das Timing der in die Proteste geplatzten Bombe von Beckenbauers Tod.

Markus Klein / 09.01.2024

Alle die nicht mit demonstrieren können ,  können   aus Solidarität mit ihrer Demokratieabgabe ,  ein Signal senden .

SHolder / 09.01.2024

Irgendwie haben der Habeck und ich eine elementar andere Vorstellung von dem Begriff Demokratie - an aller erster Stelle stünde hier die Gewaltenteilung!

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