Thilo Sarrazin / 06.06.2019 / 06:13 / Foto: Kenneth Paik / 78 / Seite ausdrucken

Wenn Politiker Kinder haben, ist es gut für die Politik

Auch Politiker haben ein Privatleben. Ob sie Männer oder Frauen lieben, ob sie verheiratet sind, ob sie Kinder haben und wenn ja wie viele, mag für viele Bürger von menschlichem Interesse sein. Es hat aber weder mit ihren politischen Auffassungen noch ihrer Integrität, noch ihren politischen Leistungen etwas zu tun und sollte bei ihrer Beurteilung als Politiker auch keine Rolle spielen. 

Jedoch sind die Lebens- und Familienmodelle der Politiker auch ein Spiegel der Gesellschaft, der sie entstammen und die sie repräsentieren. In ihnen zeigen sich die Zeitströmungen und Probleme, die auch die Gesellschaft als Ganzes prägen. Das Private der Politiker ist zwar privat. In der Summe ist es aber eben auch, wenngleich unbeabsichtigt, exemplarisch für die Gesellschaft.

Der forschende Blick auf die Lebensläufe amtierender Spitzenpolitiker zeigt das Exemplarische in geradezu bestürzender Nacktheit. Das wird anschaulich deutlich bei einem näheren Blick auf die aktuellen Listen der Mitglieder der Bundesregierung und des Senats von Berlin.

Ursula von der Leyen liegt an der Spitze

Das Bundeskabinett hat 16 Mitglieder. Davon sind elf verheiratet. Sieben Mitglieder des Kabinetts sind kinderlos. Auf die übrigen neun entfallen 22 Kinder. Sieben davon hat die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), vier der Innenminister Seehofer (CSU), und drei Kinder hat die Bildungsministerin Karliczek (CDU). Auf die 10 Kabinettsmitglieder der CDU/CSU entfallen 15 Kinder, auf die sechs Kabinettsmitglieder der SPD 7 Kinder.

Durchschnittlich haben die Mitglieder der Bundesregierung 1,5 Kinder. Das ist, wie in der Gesamtbevölkerung, weit weg von der Bestandserhaltung, diese würde nämlich 2,1 Kinder erfordern. Die Kabinettsmitglieder der CDU/CSU haben (dank Ursula von der Leyen) durchschnittlich 1,7 Kinder, jene der SPD durchschnittlich 1,2 Kinder.

Hinsichtlich Geburtenlücke und Kinderlosigkeit ist das Bundeskabinett offenbar ein guter Spiegel der Gesellschaft: Es gibt einen hohen Anteil von Unverheirateten und Kinderlosen und nur eine kleine Minderheit von großen Familien. Immerhin, im Bundeskabinett gibt es noch Kinder und Familien.

Mit 59 zum ersten Mal Vater

Das sieht anders aus im rot-rot-grünen Senat von Berlin: Nur drei der 11 Senatsmitglieder – der Regierende Bürgermeister Michael Müller,  der Innensenator Andreas Geisel und die Bildungssenatorin Sandra Scheeres – sind verheiratet. Sie haben jeweils zwei Kinder. Der Finanzsenator Kollatz wurde kürzlich mit 59 Jahren erstmals Vater, die Bausenatorin Karin Lompscher hat einen Sohn. Auf den 11-köpfingen Senat entfallen also acht Kinder. Fünf davon entfallen auf die drei männlichen Senatsmitglieder der SPD. Die drei Senatsmitglieder der Grünen und zwei der drei Senatsmitglieder von der Linken sind kinderlos.

Wer sich in einer Großstadt wie Berlin für ein Engagement in der Politik interessiert und im politischen Machtkampf durchsetzt, ist offenbar eher nicht familienorientiert, und Kinder bleiben die Ausnahme.

Bis auf Michael Müller, der gelernter Drucker ist, haben alle Mitglieder des Berliner Senats studiert und ganz unterschiedliche Abschlüsse. Es sind keineswegs nur Politologen vom linken Berliner Otto-Suhr-Institut. Ihre Lebensläufe zeigen aber auch, dass sie sich durchweg früh – spätestens mit Mitte dreißig – die Politik zum Beruf erwählt und kaum je Erfahrungen in der Wirtschaft gesammelt haben. In der Politik geht es ihnen überwiegend um mehr soziale Gerechtigkeit, um mehr Gleichheit und mehr ökologische Nachhaltigkeit. Diese Ziele werden hartnäckig, oft chaotisch, aber auch unerbittlich verfolgt. 

Mieten sind wichtiger

Dagegen spielen die wachsenden Diskrepanzen in der Bildung – das fortwährende Absinken des durchschnittlichen Bildungsniveaus an den Berliner Schulen, das Auseinanderklaffen der Bildungsleistung nach ethnischer Herkunft und Religion, die Entwicklungsdefizite, mit der ein immer stärkender anwachsender Teil der Berliner Kinder bereits in die Schule kommt – für das Problembewusstsein der Berliner Politiker keine nennenswerte Rolle. Sie interessieren sich auch nicht dafür, dass bürgerliche Familien nur wenige Kinder haben und oft ganz darauf verzichten. Schon gar nicht beschäftigen sie sich damit, was man dagegen tun könnte. All dies geht an der Berliner Stadt- und Landespolitik weitgehend vorbei.

Solche Probleme sind im Wahrnehmungsraster der politisch Verantwortlichen offenbar nicht ausreichend abgespeichert. Es scheint weitaus wichtiger, die Mieten niedrig zu halten, Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber zu verhindern und sich im Interesse des Klimawandels immer neue Hindernisse für den Autoverkehr in der Stadt auszudenken.

Man sieht an diesen Beispielen: Wer selber keine Kinder hat, wer infolgedessen auch keine Enkel erwartet, wird in der Politik leicht dazu verführt, die wirklich gewichtigen Probleme zu unterschätzen und sich auf ideologische Konzepte zu konzentrieren: Der Kampf ums Weltklima oder eine abstrakte – wie immer definierte – Gerechtigkeit sind doch kein Eigenwert. Sie erhalten ihren inneren Sinn nur, wenn man sie nicht verabsolutiert, sondern als Rahmenbedingungen für eine leistungsfähige und vitale menschliche Gesellschaft sieht.

Deren Gefährdung muss man bekämpfen. Wenn Politiker in wachsendem Umfang (und in einer Stadt wie Berlin bereits weit überwiegend) auf Familien und Kinder verzichten – weil sie offenbar das entsprechende Lebensmodell gar nicht mehr im Kopf haben –, dann zeigt  dies aus meiner Sicht eine Schieflage an, die weitaus gefährlicher ist, als Feinstaub und Erderwärmung es jemals sein können.

Foto: Kenneth Paik U.S. NARA via Wikimedia

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Leserpost

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Dr. Gerhard Giesemann / 06.06.2019

War vor ein paar Jahren auf Mauritius im indischen Ozean, konnte dort mit einer jungen Frau sprechen, die mir sagte: Wenn du allein lebst, dann geht es.  Die war soo süß. Mauritius ist hoffnungslos überbevölkert. Denken wir daran: Die Jungen von heute sind die Alten von morgen. Und der Moslem wird DIE als Letzte füttern, believe it or not. Der will gefüttert werden - wenn er die Fütterung selber machen muss, dann hat er den gleichen Saustall wie der, aus dem er herkommt. Glückauf, ihr Helden der Zukunft - wo doch nur eine ziemliche beschissene winkt.  Bin froh, meine Restlaufzeit ist überschaubär, Alhamdulliläh. Après moi, le déluge. Make love, not babies.

Geert Aufderhaydn / 06.06.2019

@Albert Pflüger “Elter2” “nicht diskriminierend”? Ich bestünde jedenfalls, darauf, Elter1 zu sein - diskriminierend hin/diskriminierend her. Im übrigens ist diese Sprachregelung meines Wissens schon seit Jahren durchgesetzt im europäischen Amtsdeutsch. An den Unis Potsdam und Leipzig sprechen sich ja auch erwachsene Dozenten/Innen mit “Herr Professorin” an . . .

Dr. Gerhard Giesemann / 06.06.2019

@Dr. Ralph B.: An welchen ideologischen Wahn denken Sie? Dem die regressiven Frauen ihre Kinder opfern? Dem welcome der allseits bekannten archaischen Männer? Für frisches Blut? Kinder haben mag wie eine Droge wirken - die Natur, das alte Luder lässt grüßen. Stehen ein kath. Priester, ein ev. Pfarrer und ein Rebbe so beieinander und diskutieren die Frage : Wann beginnt das Leben? Nach langem Hin und Herr sagt der Rebbe: Meine lieben Brüder im Glauben, ihr habt alle nicht recht, denn wisset: Das Leben beginnt, wenn die Kinder aus dem Hause sind … .

Geert Aufderhaydn / 06.06.2019

Habe seit drei Jahren eine 21jährige Untermieterin, Studentin der Statistik.  Eine nette, ausgeglichene Person, für mich die Idealmieterin. Sie (sehr hübsch) und alle ihre männlichen Kurzzeitlebensabschnittspartner sind, was Politik angeht, völlig ahnungslos. Das Wort “interpolieren” ist unbekannt (Statistikstudium!). Natürlich werden alle z.Zt. trendigen Strömungen aufgenommen wie z.B. die “offene Beziehung” und div. Umweltgimmicks, Plastik usw. blabla, aber man übertreibt es auch nicht. So ein bißchen von allem etwas. Sie hat neulich in Albanien Urlaub gemacht; es war “einfach toll”. Demnächst zieht sie aus; als Untermieterin und Fast - wie - WG - Mitbewohnerin werde ich sie in in höchsten Ehren halten, es bleibt aber ein großes Fragezeichen, so, als hätte mir gerade jemand mit einem Gummihammer auf den Kopf geschlagen und ich frage mich - “kann das tatsächlich so gewesen sein?”

Geert Aufderhaydn / 06.06.2019

@Martin Michael Hab ich früher auch geglaubt. Aber, Herr Michael, ES WIRD KEINEN BÜRGERKRIEG GEBEN! Die Deutschen werden sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden und einer mit muslimischer Mehrheit an die Macht gewählten Religionsdiktatur weichen. In anderen europäischen Länder ist es kurz davor. Das hindert aber z. B. die Schweden nicht daran, ein regelrechtes Glücksgefühl zu empfinden.

Anders Dairie / 06.06.2019

Der Bestand eines Staat ist vorrangig eine Frage der Menge seiner Kinder bzw. der Familiegröße.  Prof. Heinssohn meint dazu,  dass Europa ein mickriger Konti-nent geblieben wäre,  wenn die Verluste durch Krankheit,  Kriege und Nöte nicht von den Familien ausgeglichen würden.  Ein drastischer Spruch:  “...Europa hat seine Ausdehung in der Welt (Amerika, Australien, Afrika)  bzw. Kolonien aus der Portokasse bezahlt!”  Und bei Kriegen gehen die Jugendlichen von 16 bis 21 in die erste Sturmreihe, sogar mit Begeisterung. Das zum D-Day 2019 gefeierte Anlandemanöver in der Normandie ist ein gutes Beispiel:  Die ersten Reihen wurden aus Jugendlichen gebildet—und fast komplett niedergemacht. Die Montgomerys und Eisenhowers wussten, was sie taten !  In den nicht annähernd voll bestückten Bunkern saßen teils Hiwis aus dem Osten.  Trotz der Übermacht von bis 1 zu 20 wären die Angriffe bei den Amerikanern beim “Omaha Beach” beinahe zusam-mengebrochen.  Der Film “Der Soldat James Ryan”  bildet die Tragödie in der 1. Juniwoche 1944 nicht annähernd ab”.

herbert binder / 06.06.2019

@Buitoni. Meinen Respekt, lieber Herr Buitoni. Ich wünschte, der Text wäre von mir. Vor allem die so gänzlich unterschiedliche “Gestrickheit” der beiden Geschlechter wird (noch?) viel zu wenig thematisiert. Vor allem nicht die möglichen bzw. tatsächlichen Auswirkungen auf dem politischen Feld - und darum geht es ja hier ausschließlich.

Geert Aufderhaydn / 06.06.2019

Ich halte es nicht für unbedingt sinnvoll, als Politiker Kinder zu haben; man kann nur eines gut machen: Vater sein oder Politiker. Wie will er denn bei einem 16Stundentag für seine Kinder da sein? Und noch etwas: mir geht langsam das ewige “Ihr müßt Kinder machen, sonst sterbt ihr aus”  -  Mantra auf den Geist. Ich bin mir sicher, daß Deutschland   auch mit 30Mio Einwohnern prima klar käme, wahrscheinlich sogar besser als mit 82 Mio. Und bei 30Mio Einwohnern wäre es vielleicht nicht nur plötzlich schick, Kinder zu haben, man könnte sie auch bezahlen. Sogar der Durchschnittsverdiener. Dazu müßte man aber zuerst mal die Grenzen dicht machen in einem Land, dessen Grenzen man “nicht schützen kann” (Merkel). Aber vielleicht sollte dann auch jemand anders die Grenzen schützen als eine kleine, dickliche Mutti ohne politische Einstellung . . .

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