Gastautor / 06.02.2016 / 11:00 / 19 / Seite ausdrucken

Wenn die Krankenkasse Pferdepisse bezahlt, sind wir in Deutschland

Von Patrick Guidato

Besonders sanft, besonders schonend, besonders natürlich und nicht von der ach so bösen Pharmaindustrie hergestellt - das sind nur einige der Versprechen, die alternativmedizinische Praktiken und Präparate geben. Doch können Globuli, Klangmassagen und heilsames Berühren wirklich halten, was sie versprechen? Gilt das alte Sprichwort „Wer heilt hat recht“? Nein. Alternativmedizinische Praktiken und Präparate sind die Wiedergeburt der Quacksalber, Wunderheiler und Scharlatane, die im vor einigen Jahrhunderten noch nicht allzu selten mit Fackeln und Mistgabeln vom Marktplatz gejagt wurden.

Die Geschichte der Schulmedizin und Pharmakologie ist schon immer von einem Kampf gegen die Esoterik geprägt gewesen. War es zu früheren Zeiten noch das Monopol der Kirche über die Meinungshoheit, so konnte sich die Schulmedizin vor allem seit Mitte des 19. Jahrhunderts über alle Zweifel hinweg durchsetzen. Die Entdeckung von Mikroorganismen, Antibiotika und Impfungen führte zu fast undenkbaren Fortschritten in der Behandlung und Bekämpfung von Krankheiten.

Die Möglichkeiten der Schulmedizin wirkten fast Grenzenlos und so erklärt sich auch die Stilisierung von Ärzten zu „Göttern in Weiß“. Doch nach dem Boom folgte die Depression. Die alltäglichen Wehwehchen, wie grippale Infekte, Kopf- und Rückenschmerzen und den allgemeinen Verschleiß im Alter vermag die Schulmedizin bis heute nicht zu heilen. Auch tauchten vermehrt Krebserkrankungen, vor allem aufgrund der deutlich verlängerten Lebensdauer und Herz- und Kreislauferkrankungen aufgrund des deutlichen Überangebots an Nahrung und der steigenden Bewegungsarmut auf. Selbst neue, unheilbare Infektionskrankheiten wie Hepatitis und HIV bahnten sich ihren Weg. Die Schulmedizin wirkte macht- und ratlos.

In dieser Stunde der Schwäche witterten die Alternativmediziner ihre Chance für eine Rückkehr auf die Bühne des Geschehens. Sie nutzten die Angst und Unsicherheit der Patienten aus und starteten eine Schmutzkampagne gegen die Schulmedizin nach der anderen. Impfungen würden Autismus verursachen, die Nebenwirkungen von synthetisch hergestellten Medikamenten wären zu groß, die Schulmedizin wäre kein ganzheitlicher Ansatz, sondern würde nur Symptome behandeln, waren nur einige der Argumente die, wie ein alter Volksglaube, gestreut wurden.

Dazu  kamen Fehler und Skandale der Schulmedizin, wie Contergan und spektakulär fehlgeschlagene Medikamentenstudien, welche die weiße Weste der Schulmedizin weiter beschmutzten. Ein weiterer herber Schlag für die Schulmedizin war der Siegeszug des Internets und von Google. Seitdem jegliche Information für jeden frei zugänglich ist, werden Laien mit eine Fülle von Informationen geflutet und die Möglichkeit zur Bewertung und Differenzierung fehlt quasi vollständig. Sucht man im Internet nach einer X-beliebigen Krankheit findet man direkt unter den ersten Suchergebnissen naturheilkundliche, alternativmedizinische und esoterische Behandlungsmöglichkeiten die mit pseudowissenschaftlichen Heilsversprechen werben und zudem noch ganz auf dem Trend der Bio- und Ökowelle surfen.

Dabei gibt es eine Vielzahl von Behandlungsmethoden und Arten der Quacksalberei. Angefangen bei der Naturheilkunde, die auf den ersten Blick noch harmlos wird, auf den zweiten Blick aber viele Probleme mit sich bringt, die in der Schulmedizin nicht auftauchen. Als Naturheilkundlich werden vor allem Präparate aus Pflanzenextrakten beschrieben. Geworben wird dabei vor allem mit der Natürlichkeit und der sanften Wirkungsweise des Präparats, nicht selten wird auch eine Jahrhunderte andauernde traditionelle Verwendung dieser Pflanze angepriesen. Verschwiegen wird dabei, dass pflanzliche Extrakte qualitativen Schwankungen unterliegen und neben dem gewünschten Wirkstoff auch weitere Inhaltsstoffe, teilweise in großen Mengen, enthalten, die Nebenwirkungen auslösen oder den Wirkstoff hemmen können. Auch ist der Wirkstoff häufig in deutlich zu geringen Dosen enthalten, als das er seine Wirkung vollständig entfalten könnte. Werden pflanzliche Präparate bei Alltags Wehwehchen verwendet, richten sie keinen großen Schaden an, helfen können sie aber fast nie. Ein pharmazeutisch hergestelltes Präparat, welches den gleichen Wirkstoff, aber in größeren Mengen und in höherer Reinheit enthält, kann hingegen deutlich wirksamer und schonender sein, als jeder Pflanzenextrakt, da hier genau definierte Mengen und Inhaltsstoffe vorhanden sind.

Eine ebenfalls sehr häufige Behandlungsmethode ist die Homöopathie. Hierbei wird der Wirkstoff so lange verdünnt, bis er nicht mehr nachweisbar vorhanden ist. Die Homöopathie geht davon aus, dass je höher die „Potenz“ (Verdünnung) eines Medikaments ist, desto höher ist seine Wirksamkeit. Das ist natürlich völliger Blödsinn. Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien kann mittlerweile belegen, dass homöopathische Präparate keinerlei Wirkung entfalten. Selbst der häufig angepriesene Placebo Effekt wird teilweise sogar unterschritten. Im Alltag kommt trotzdem häufig das Argument „Wenn es doch hilft?“ oder „Meiner Mutter war bei 10 unterschiedlichen Ärzten und erst die Homöopathie hat geholfen.“ Dem kann man gelassen und sicher entgegnen, dass Homöopathische Präparate niemals helfen können, das Problem der Mutter sich aber vielleicht auch nach 10 Arztbesuchen von selbst erledigt hat.

Ein größeres Problem stellt Homöopathie dar, wenn sie Anstelle von Therapien, bei schweren Erkrankungen, wie Krebs, verwendet wird. Hier verlassen sich Patienten auf das Wirkungsversprechen des Herstellers, welches er aber niemals einhalten kann. Krebs lässt sich  nicht durch Zuckerkügelchen heilen. Es gibt keinen einzigen dokumentierten Fall in dem die Verwendung von homöopathischen Präparaten eine Wirkung auf Tumorgewebe hatte. Was ja auch Sinn ergibt, denn außer Zucker ist in einem Globuli quasi nichts enthalten. „Ärzte“ die schwere Erkrankungen mit homöopathischen Mitteln behandeln, begehen Körperverletzung und im schlimmsten Fall sogar Totschlag.

Auch die aus der traditionellen chinesischen Medizin stammende und sogar unter einigen Schulmedizinern anerkannte Akkupunktur muss kritisch gesehen werden. Unter dem Deckmantel der fernöstlichen Medizin und Esoterik wird hier behauptet, dass Nadeln an bestimmten Körperstellen, die aus einer religiösen Weltsicht abgeleitet sind, würden bei Schmerzen und Krankheiten Linderung verschaffen. Studien die nach wissenschaftlichen Standards durchgeführt werden konnten, dies aber ebenfalls nicht belegen. Akkupunktur hat keinen, über ein Placebo hinausreichenden Effekt. Doch geistern auch Studien durch die Welt, die sogar dazu geführt haben, dass Akkupunktur bei bestimmten Erkrankungen von den Krankenkassen übernommen werden kann. Dieser Trend allerdings ist fatal, denn die in diesem Kontext vor allem zitierte GERAC Studie enthält diverse wissenschaftliche Fehler und ist nicht nach modernen Studienstandards durchgeführt worden.

Über pflanzliche Medizin, Homöopathie und Akkupunktur hinaus gibt es eine Vielzahl von noch esoterischeren Behandlungsmethoden, die häufig mit Begriffen aus der Wissenschaft und Medizin und pseudowissenschaftlichen Behauptungen und Theorien aufwarten, um ihre Patienten zu überzeugen. Alle diese Behandlungen haben gemein, dass sie ihre Wirksamkeit, anders als schulmedizinische Präparate nicht in ausgiebigen klinischen und prä-klinischen Studie belegen müssen. Alternativmedizinische Präparate können, sobald sie als dieses gekennzeichnet sind ohne jemals auf ihre Wirksamkeit geprüft worden zu sein, verkauft werden und dürfen mit den vollmundigsten Versprechen beworben werden.

Das erinnert an den Quacksalber, der auf dem Markt Pferdepisse als Haarwuchsmittel verkauft. Nur wird die Pferdepisse heute sogar von der Krankenkasse teilweise übernommen und in Apotheken verkauft. All das weckt den Anschein, als wären Alternativmedizin und Schulmedizin gleichwertig, doch spielen beide nach anderen Regeln. Müssten alternativmedizinische Präparate zunächst auf ihre Wirksamkeit geprüft werden und dürften sie nur das Versprechen, was sie auch halten, gäbe es heute kein einziges Präparat mehr auf dem Markt.

Diese Wettbewerbs- und Informationsverzerrung muss beendet werden. Hier müsste die politischen Entscheidungsträger sich gegen Esoterik und Scharlatanerie durchzusetzen und die gleichen Regeln für Alternativmedizin wie für Schulmedizin einzuführen, um den Verbraucher vor den verlockenden Lügen der Alternativmedizin zu schützen!

Dr. Patrick Guidato ist 30 Jahre alt und forscht in der medizinischen Grundlagenforschung an der Ruhr-Uni Bochum

Siehe hierzu auch diese Meldung: Zusammenschluss von Ärzten, Wissenschaftlern und Biologen will eine homöopathiekritische Internetplattform aufbauen.

Der Autor veröffentlicht auch hier http://gunsandburgers.com/

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Leserpost

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Waldemar Undig / 07.02.2016

Lese ich das hier auf der Achse richtig? Der Nannystaat soll sich gegen die Homöopathie durchsetzen, um den Verbraucher vor Scharlatanerie zu schützen? Also ich mag lieber mündige Bürger

Julian Emrick / 07.02.2016

Lieber Herr Dr. Guidato, vielen Dank für die klaren und deutlichen Worte. Beim Thema Naturheilkunde und Homöopathie muss man sich dann leider aber auch immer wieder die gleichen Kommentare der Befürworter der „alternativen Heilmethoden“ durchlesen. Oft wird in den Kommentaren suggeriert, dass die Pharmaindustrie böse und dass das mit dem Verkauf von teuren Medikamenten doch nur eine große Geschäftemacherei sei. Warum diese Pseudoargumente stets vorgebracht werden, habe ich noch nie verstanden. Nur weil die großen Pharmafirmen sicherlich des Öfteren moralisch grenzwertig agieren, heißt das doch noch lange nicht, dass Globulis, Klangmassagen und alle naturheilkundlichen Medikamente wirken! Nun sollte man fairerweise die homöopathischen und naturheilkundlichen Heilmethoden und Medikamente nicht alle in einen Topf schmeißen. Daher konzentriere ich mich im Folgenden auf die zurzeit populärste Irrlehre, auf die Homöopathie:  Denn die Freunde der Homöopathie vergessen oft, dass sich mit wirkungslosen Zuckerpillen sehr viel einfacher Geld verdienen lässt als mit konventionellen Pharmazeutika. Bei der Homöopathie müssen keine kostenaufwändige Studien oder langwierige, echte Arzneimittelprüfungen durchgeführt werden. Nur durch das Prinzip „Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt“ wird das Mittel ausgesucht. Der Glaube an dieses Simile-Prinzip und an das Prinzip der Potenzierung reicht in Deutschland als Begründung aus und wird schnell bewilligt. Die Gewinnspanne der Hersteller von homöopathischen Mitteln ist daher mit Sicherheit wesentlich größer als bei den konventionellen Pharmaproduzenten, denn Zucker und Alkohol ist nun mal sehr billig. Die Hersteller, wie z.B. Heel (ungefähr 180 Mio. EUR im Jahr Umsatz), haben kein Risiko, da schließlich auch keine Nebenwirkungen auftreten können. Sie benötigen nur Wasser und eine kleine Menge ihrer “Grundsubstanzen”. Diese werden ein paar Mal verdünnt, geschüttelt - fertig.

Werner Geiselhart / 07.02.2016

@Detlef Dechant Sehr geehrter Herr Dechant, bei Ihnen hat die Homöopathie-Lobby ganze Arbeit geleistet. Zu Punkt 1: Mit Kügelchen läßt sich enorm viel Geld verdienen, für 5g Zucker 30 € zu verlangen ist eigentlich recht lukrativ. Der Umsatz der Alternativmedizin geht inzwischen in die Milliarden. Zu Punkt 2: Mit dem Umsatz, den die Kügelchenfabrikanten machen, lassen sich schon repräsentative Gebäudekomplexe hinstellen. Für das Geld könnte man eigentlich anständige Arzneimittelprüfungen durchführen, die die böse Pharmaindustrie übrigens hunderte Millionen € pro Medikament kosten.

Joachim Wolfgang Stieler / 07.02.2016

Sehr geehrter Herr Guidato, mit Ihrem Beitrag tun Sie der Achse des Guten keinen Gefallen. Ihr Beitrag liest sich so, wie wenn etablierte Parteien mal wieder vergeblich versuchen gegen neue politische Strömungen anzukämpfen. Nur kämpft bei Ihnen hier die Schulmedizin gegen eine segensreiche Naturheilmedizin. Ihr Beitrag erinnert mich an einen kirchlichen Frühschoppen vor vielen Jahren bei uns am Ort nach dem sonntäglichen Gottesdienst. Es ging damals auch um das Thema Naturheilkunde. Es war auch ein Mitarbeiter eines nahegelegenen großen Pharmaunternehmens dabei. Er bezeichnete Naturheilkunde nur als Teufelswerk und vom Satan gemacht. Wahrscheinlich hatte er Angst um seine hohen Boni am Jahresende. Ich persönlich bin vor 25 Jahren von der Schulmedizin zur Naturheilkunde gewechselt. Diesen Schritt habe ich bis heute nicht bereut, haben mir die Naturheilkunder (Quacksalber nach Ihren Worten) mit einer profunden schulmedizinischen Ausbildung bereits mehrmals mit Homöopathie geholfen, wo die klassische Schulmedizin außer der Verschreibung teurer aber wirkungsloser Medikamente nicht weiter wusste. Grüsse J. Stieler P.S. Gerne schildere ich Ihnen Details in einem persönlichen Gespräch oder per e-mail.

Gisela Tiedt / 07.02.2016

Die Homöopathie erscheint mir wie dem Autor als Humbug, der nicht von den Krankenkassen finanziert werden sollte. Auch die Kritik an naturheilkundlichen, aber industriell hergestellten Präparaten, finde ich berechtigt. Wir sollten aber nicht übersehen, dass zahllose Schulmedikamente auf Heilpflanzen zurückgehen, zum Beispiel Aspirin, auch Penicillin. Der grundsätzlichen Kritik – naturheilkundliche Mittel sind nicht etwa schon deshalb harmlos, weil sie „Natur“ sind – ist zuzustimmen. Man erinnere sich nur kurz daran, dass auch der Knollenblätterpilz „rein pflanzlich“ ist. „Seit die Menschen nicht mehr religiös sind, glauben sie nicht an nichts, sondern an allen möglichen Unsinn.“ (Chesterton, zitiert nach H. Broder) Dem daraus resultierenden Bedürfnis nach etwas, woran man glauben kann, kommt so manch ein Schulmediziner nach und verteilt wider die eigene Überzeugung schon mal Zuckerkügelchen, um den Patienten nicht an den Heilpraktiker zu verlieren. Der Autor übergeht aber, dass so gut wie jede chronische Erkrankung seelisch überlagert wird und die Schulmedizin hier oft hilflos ist. Oder Medikamente verteilt, die Nebenwirkungen haben, welche man dann mit neuen Medikamenten behandelt – oft genug ein Teufelskreis. Ich erinnere mich an eine Oberärztin, die bei Neuzugängen in der inneren Abteilung häufig als erstes alle irgendwie entbehrlichen Medikamente absetzte. Und siehe da, den Patienten ging es besser. Des weiteren erwähnt der Autor nicht, dass körperliche Erkrankungen seelische Ursachen haben können. Schlicht deshalb, weil körperliche Schmerzen besser erträglich sind als seelische. Wer hier nur den Körper behandelt, verursacht eine Symptomverschiebung, die sich endlos fortsetzt. Der Autor blendet außerdem komplett aus, dass Glaube Berge versetzt und das nicht nur bei besonders leichtgläubigen Zeitgenossen. Wenn mich „Neu-Nichtraucher“ nach unterstützender Akupunktur fragen, setze ich Ohrakupunktur ein – ohne selbst daran zu glauben, aber ohne schlechtes Gewissen. Und zwar deshalb: Als ich Radfahren lernte, rannte mein älterer Bruder neben dem Fahrrad her und hielt den Sattel fest (Stützräder gab’s damals noch nicht). Als ich dann wieder abgestiegen war, sagte meine Freundin zu mir: „Der Peter hat schon lange losgelassen und du bist ganz allein weiter gefahren.“ Hätte sie mir zur Unzeit: „er hat losgelassen!“ zugerufen, wäre ich umgekippt. Entsprechend wirken Homöopathie und Akupunktur. Vielleicht sollte der Satz „Wer heilt, hat recht“ modifiziert werden: „Wer es schafft, die Selbstheilungskräfte zu mobilisieren, hat recht.“

Rainer Hartwich / 07.02.2016

Mit den Jahren deutlich lebensweiser geworden kann ich jetzt nach Jahrzehnten gut damit umgehen, wenn sich jüngere Menschen irren, sie wissen es nicht besser. Schlecht akzeptieren kann ich aber nach wie vor, wenn man sich mit etwas angelesenem und selektivem Faktenwissen - und über mehr verfügt man als junger Mediziner(?) nicht - zum Richter aufschwingt. Hinterfragen, kritisieren, da wo Sie es wissen und können auch korrigieren, ja. Aber an ihrem anmaßenden Stil sollten Sie dringend arbeiten, Herr Kollege. Natürlich gibt es viele Auswüchse in der Medizin, keine Frage. Natürlich gibt es eine Reihe obskurer Dinge, die korrigiert gehören, einige werden im Beitrag aufgezählt. Es gibt aber auch eine Dominanz des Wirtschaftlichen, gegenüber begründeten medizinischen Faktoren, die beispielsweise zu unverhältnismäßig vielen operativen Eingriffen führt, die nicht oder nur bedingt indiziert sind. Es gibt etwa die unbegrenzte “Freiverkäuflichkeit” von Medikamentengruppen, wie etwa NSAR, die zu einer großen Zahl irreversibler Nebenwirkungen mit excessiven Kosten führen. Es gibt das “unlogische” System der Finanzierung, in dem zwangsweise Geld von Allen in Form von Beiträgen eingesammelt und anschließend rein privatwirtschaftlich weiterverteilt wird, was natürlich einen gewaltigen Sog im Topf erzeugt, der medizinisch nicht begründbar ist. Mit der Erfahrung von mehr als 40 Jahren als Arzt ließen sich zig Beispiele aufzählen, die die Scharlatanerie in der Medizin belegen, wobei nicht nur Esoteriker, Geistheiler, Hexen und ähnliches anzuführen wären, sondern durchaus auch einige, nicht wenige Entwicklungen der Schulmedizin, die ich in den Jahrzehnten erleben durfte.

Beatrice Hamberger / 07.02.2016

Ich gebe dem Autor in vielen Punkten Recht, aber ein bisschen differenzierter muss man die Dinge schon betrachten. Naturheilkunde kann Schulmedizin hie und da durchaus sinnvoll ergänzen, deshalb heißt sie auch Komplementärmedizin. Nehmen Sie Weihrauch, der zum Einsparen (nicht zum Ersatz) von Kortison gegen Hirnödeme eingesetzt wird. Durch diese ergänzende Maßnahme bleiben dem Patienten viele Nebenwirkungen des pharmakologischen Präparats Kortison erspart. Ein guter Schulmediziner weiß solche Dinge richtig zu nutzen. Ansonsten muss man klar sagen : Die meisten Leiden gehen von selbst wieder weg, mit Schulmedizin oder ohne. Und das Hohelied auf die Pharmaindustrie kann ich nicht uneingeschränkt teilen. Alles was, die gegen Erkältung anbieten, können Sie genauso in die Tonne stampfen wie die Mittel der Homöopathie. Der Unterschied zu esoterischen Quacksilbern besteht nur darin, dass Arzneimittel in der Gesellschaft einen größeren Vertrauensvorschuss besitzen. Freiverkäuflich sind die überflüssigen Erkältungsmittelchen aber auch.

Martin Vogel / 07.02.2016

Der 30-jährige wohl überwiegend als Forscher tätige Autor hat unter naturwissenschaftlichem Aspekt hinsichtlich belegbarer Wirkung oder Nebenwirkung vermutlich recht. Medizin ist aber nicht nur Naturwissenschaft sondern auch praktische Heil- und Menschenkunde. Natürlich ist eine Krebstherapie mit Homöopathie bei rein rationaler Betrachtung vermutlich Unsinn und ggf auch fahrlässig, falls wirksame Behandlungen unterlassen werden. Allerdings sind Menschen oft wenig rational, Patienten wie Behandler. Und nicht jedes Symptom ist überhaupt körperlich objektivierbar. Bei vielen Zuständen helfen eben auch Zuckerkügelchen, sei es weil Besserung von selbst eintritt oder wegen des Placeboeffektes. Oft ist auch ein Arzt die Droge und das verabreichte Mittelchen mit Bedeutung aufgeladener Aspekt von Beziehung und Hoffnung. Und so mancher Patient, der natürlch wegen Beschwerden zum Arzt geht,  dürfte durchaus enttäuscht sein, wenn er diesen ohne Verschreibung verlassen müsste.

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