Richard Wagner / 21.05.2008 / 09:01 / 0 / Seite ausdrucken

Was machen eigentlich die Osteuropäer? Take 1: Mantelkauf

Der Osteuropäer reist, um den Westen in Augenschein zu nehmen, aber auch um einen Mantel zu kaufen. Das war schon immer so, selbst in den schlimmsten Zeiten. Kaum war es ihm gelungen, in den Westen zu kommen, schaute er sich wegen eines Mantels um.
  Der Westen war voller Verständnis für den Besucher, auch für dessen Mantelkaufsinteresse. Der Mann kam ja aus der Mangelwirtschaft. Man half ihm sogar bei seinem Vorhaben, und so kam es zu dem großen Missverständnis zwischen Ost und West, das bis heute anhält. Der Osteuropäer versteht nicht nur die Reisefreiheit als Menschenrecht sondern auch den damit verbundenen Mantelkauf.
  Dieses Missverständnis wurde, nach der Öffnung der Grenzen, durch den Westen weiter gefördert, durch seinen Wunsch, Hilfe zu leisten. Ganze Dörfer und Landstriche wurden zum Ziel von Hilfsaktionen. Der Westen konnte Gutes tun, und damit sein Bedürfnis nach den großen Gefühlen stillen.
  Der sogenannte Hilfstransport bescherte dem Westbürger die Ostgastfreundlichkeit, und auch das war ein Kauf. Es war der Kauf des Herzens unter dem Mantel. So haben die Westspediteure Jahr für Jahr den Mantel in den Osten gebracht und irgendwann dachten sie, wie ganz normale Menschen, wenn sie Denken und Rechnen zusammenbringen, nun ist es aber gut.
  Der Osteuropäer wiederum, der bis heute dazu neigt, jede Grenzkontrollangelegenheit für eine kommunistische Perfidie zu halten, verstand nicht, dass es zwar einen Anspruch auf Reisefreiheit gibt, dass diese aber nicht einer Einreiseverpflichtung gleichkommt und schon gar nicht einer des Westens ihm gegenüber. Ihm war auch nicht geläufig, dass es einen gravierenden Unterschied zwischen dem Ausreiserecht und der Einreisemöglichkeit geben könne, ist das eine doch ein Menschenrecht und das andere eine Mantelkaufsgelegenheit.
  Inzwischen sind die Grenzen des Westens und damit die Grenzkontrollen nach Osten verschoben worden, sie heißen nun Außengrenzen der EU. Innerhalb dieser Grenzen können die Mantelkäufer sich gut und gerne umsehen, sobald es ihnen der Geldbeutel erlaubt. Jene aber, die draußen geblieben sind, verlangen mit Inbrunst die Einreisefreiheit, das Recht auf den Mantelkauf. Selbst die Tatsache, dass ihnen der Mantel in den Geschäften der eigenen Metropolen angeboten wird, kann sie nicht von ihrem Vorhaben abbringen, zwecks Mantelkaufs in den Westen zu reisen. Als wäre es nur dann der richtige Mantel, wenn man ihn selbst aus dem Westen mitzubringen weiß.
  Ganze Völker hängen dieser Überzeugung an. Und wenn sie ihren Beitritt zur EU beantragen, meinen sie, bei aller Freiheitsbeteuerung, im Grunde doch den Mantelkauf. Erst dieser macht den Osteuropäer frei. Es ist ihm, als erwerbe er den Mantel der Geschichte. Dem Westen aber kommt es wie eine Verkleidung vor.

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