News-Redaktion / 25.04.2021 / 11:08 / Foto: Paul Katzenberger / 101 / Seite ausdrucken

Warum im Kriegszustand?

Der Regisseur und Mitinitiator der Initiative #allesdichtmachen Dietrich Brüggemann hat sich auf Twitter an die Öffentlichkeit gewandt. Da Achgut.com seit dem Wochenende ausführlich über die Causa berichtet, die immer höhere Wellen schlägt, dokumentieren wir hier sein Statement.

„Warum muss unsere ganze Gesellschaft in einer Art Kriegszustand sein?“

„Es hat eingeschlagen. An alle, die jetzt von ‚Verhöhnung‘ schwurbeln: Ich schwurble jetzt auch mal. Ihr verhöhnt die Opfer. Ihr trampelt auf denen herum, die jetzt selbstmordgefährdet sind. Ihr spuckt auf all die, die ihre Existenz verloren haben. Ihr macht euch lustig über das Leid derer, die in ärmeren Schichten und ärmeren Ländern über die Klinge springen, die ihr ihnen hinhaltet. Ihr seid zynisch und menschenverachtend.

Es macht Spaß, so herumzupöbeln, stimmt’s?  Wollen wir trotzdem mal damit aufhören? Ja? Gut.

Oder nein, wir können auch noch ein bißchen weitermachen. Euch ist ja immer ‚übel’ und ihr ‚kotzt’ auch gern. Wißt ihr was? Mir ist auch übel. Und zwar wegen euch. Ihr seid ein Teil des Schlimmsten, was die Menschheit hervorgebracht hat: Ihr seid ein Lynchmob. Ganz einfach. So, genug gepöbelt.

Ich könnte jetzt die üblichen Distanzierungsfloskeln von mir geben, aber vorher schlafe ich vor Langeweile ein. Nazis sind Nazis und Selbstverständlichkeiten sind selbstverständlich. Und was auch selbstverständlich sein sollte: Wenn Kritik an Corona-Politik ‚rechts’ ist, dann ist meine linke Hand auch rechts.

Ja klar habe ich Respekt vor allen Ärzten und Pflegern. Ich habe auch Respekt vor all denen im Lande, die im Eimer sind und nicht mehr weiterwissen. Und jetzt möge mir mal einer erklären, warum das eine zwingend das andere erfordert. Und warum unsere ganze Gesellschaft in einer Art Kriegszustand sein muss, in der die gesamte Zivilgesellschaft strammzustehen hat und nichts anderes mehr wichtig ist als der Kampf gegen den einen, maximalen Feind. Und wer fragt, ob dieser Feind wirklich so maximal ist und ob man den vielleicht auch mit anderen, zivilen Mitteln bekämpfen könnte, der ist ein Leugner und Volksfeind und muß an die Laterne gehängt werden.

Ihr merkt gar nicht, was für Reflexen ihr hier nachgebt, aber das ist Teil des Problems. An einer Medienelite, die den immer härteren Lockdown fordert und jeden Kritiker mit Verweis auf volle Intensivstationen zum Abschuss freigibt, gibt es jede Menge zu kritisieren. Und dieser Shitstorm kommentiert sich ohnehin selbst. Hat euch Tod und Sterben jemals interessiert? War es euch bisher egal, dass um euch herum jeden Tag Menschen aus vermeidbaren Gründen gestorben sind? Aber auf einmal gibt es für euch nur noch dieses Thema?

Keins von diesen Videos handelt von der Pandemie. Aber sie ziehen das hohle Pathos durch den Kakao, mit dem wir uns seit einem Jahr konfrontiert sehen. Sie kritisieren die Gnadenlosigkeit, mit der alles, das jetzt den Bach heruntergeht, als zweitrangig abgetan wird. Sie hinterfragen die Geschichten, die eine Gesellschaft sich selbst erzählt. Und wenn diese Gesellschaft (oder die 1%, die auf Twitter sind) dann derart überschäumend reagiert, dann war das Ganze offenbar notwendig. Ende.“

Mehr über Dietrich Brüggemann hier und hier

 

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Foto: Paul Katzenberger CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

netiquette:

Michael Gröschl / 25.04.2021

Ich wünsche mit eine Volksvertretung OHNE Parteien, einfach Menschen, die aufgrund ihres Charakters und guten Leumunds gewählt werden, die anderen zu vertreten. Uns da habe ich auch schon einen konkreten Vorschlag: Herr Brüggemann gehört dazu. Herr Lauterbach sicher nicht. Wie steht es um eine verfassungsgebende Versammlung, wie von den Siegermächten 1990 vereinbart?

Rainer C. Ment / 25.04.2021

Eine sehr intelligente, nachdenkliche und ausgewogene Antwort auf den Twittermob, der offensichtlich immer in den Startlöchern steht, nur um dann einen grandiosen Fehlstart hinzulegen. Man könnte auch von “ejaculatio praecox” sprechen. Eigentlich schon gar nicht mehr erstaunlich war die Forderung von Garrelt Duin, den Protagonisten von #allesdichtmachen keine Rollen mehr im ÖRR zu geben. Duin (SPD) war Wirschaftsminister von NRW unter Kraft, ist jetzt als Vorsitzender der Handwerkskammer Köln endgelagert und hat offensichtlich mangels Auslastung noch einen Sitz im Rundfunkrat des WDR. Dieser Mann ist Jurist und hat nebenbei auch noch ev. Theologie studiert. Der entsprechende Original-Tweet ist gelöscht, doch an einigen Stellen dokumentiert. Erschreckend daran ist, wie konsequent Mitglieder der SPD, die es als Juristen eigentlich besser wissen sollten (u.a. Maas, Lambrecht), die Grundrechte ganz offen ignorieren. Genauso erschreckend, wie schnell sich eine Meute zusammenfindet, die losjagd, um vermutete Netzwerke und weitere Beteiligte ausfindig zu machen. Besonders gelungen ist in meinen Augen folgender Tweet von Brüggemann: “Twitter ist wie eine Kreissäge: Macht tierisch Krach. Erfüllt einen eng umgrenzten Sinn. Man sollte nicht versuchen, ein sinnvolles Gespräch damit zu führen. Von Dauerbetrieb ist abzuraten.” Inhaltliche Auseinandersetzung findet dort selten bis nie statt, es geht um Aufmerksamkeits-Feedback und Bestätigung der eigenen Wichtigkeit. Leider verwechseln es viele mit der Realität ...

Wolfgang Riepe / 25.04.2021

Standhaft. Klar. Treffend. Überzeugend. Exzellent!

Hjalmar Kreutzer / 25.04.2021

Danke! Bravo! Wesentlich stringenter, als das watteweiche Statement auf der Seite allesdichtmachen()de. Wie schrieb Manfred Krug in seinem Buch „Abgehauen“? Man könne noch so untertänig und vorsichtig formulieren, es gäbe Ärger mit der Regierung, 1976 anlässlich der Petition gegen Biermanns Ausbürgerung.

Andreas Bitz / 25.04.2021

Danke! Für die Worte und die Dokumentation. Die neuen Vertreter der Inquisition, Stalins Säuberung und Maos Rote Garden der Kulturrevolution gleichzeitig, Sie werden Werte wie Weltoffenheit, Toleranz, Diversität, Respekt, LQBTIQ_x*, Antiislamismus und -ziganismus und -kolonialismus für sich reklamieren, aber den 52 nicht verzeihen. Da hilft kein Bekenntnis auf dem medialen Scheiterhaufen “ICH” bereue, habe Angst, bedaure Missverständnis, habe versagt, widerrufe, FCKNZS, distanziere mich von der AfD… Hilft alles nichts, ab in den Gulag. Denn die 52 haben unsere heldenhafte Regierung verunglimpft, das Kollektiv verraten, die Viererbande unterstützt. Bestrafe die 52, erziehe das Volk.

Hans Reinhardt / 25.04.2021

Super, Herr Brüggemann! Ja, es muss jetzt endlich raus! Klare Kante und keine Gefangenen mehr. “Ich komme zu dem Eindruck, dass die Mehrzahl der Eingeborenen hier die bösartigste Rasse von widerlichem kleinen Ungeziefer ist, dem die Natur je erlaubt hat, auf der Erdoberfläche herumzukrabbeln.” (liebe netiquette; ganz ruhig weiteratmen, ich zitiere nur Jonathan Swift, Gullivers Reisen, Weltliteratur, ihr wisst schon)

Rainer Möller / 25.04.2021

Das linksbürgerliche Establishment hat nun aber bestimmte Ideologien entwickelt, um seine Herrschaft zu legitimieren - und die Satire unterminiert diese Ideologien. Und ist insofern wirklich objektiv rechts.

Gudrun Meyer / 25.04.2021

Der gespielte Kriegszustand im Kampfe gegen die Coronen ist “nötig”, um die Menschen in Angst und Schrecken zu halten und sie zu noch mehr selbstschädigendem Gehorsam als vorher zu bringen. Zu diesem Themenkomplex ein Zitat von Ernst Jünger: “Diktaturen leben anfangs davon, dass wir ihre Hieroglyphen nicht lesen können”. Wer doch ahnt, was hinter den Zeichen steckt, muss halt ein Verschwörungsideologe und darausfolgend ein rechtsextremer, antisemitischer etc. Paranoiker sein. Die selbstgefällig-hochaggressive Reaktion auf die Satire von Schauspielern verrät leider sehr deutlich, wie sehr die Rede-, Presse- und Kunstfreiheit inzwischen eingeschränkt sind,  “Satire” ist geheiligt, wenn z.B. eine ZDF-Mitarbeiterin sagt, Nazis wären alle, die nicht grün wählen und wenn ihr einige Tage später einfällt, wie satirisch der Spruch doch war. Echte Satire wie die der 53 Schauspieler gefällt totalitären Herrschern nie, die wird gelöscht und sozial bestraft. Vermutlich gibt der Richter der “Freiheit im Netz”-Aktive recht, aber das schadet Youtube nicht, also cancelt man da weiter. Viele der 53 Künstler dreschen zu vielen Themen die üblichen Phrasen und fallen jetzt um, weil sie zwar materiell besser abgesichert sind als die unbekannten Künstler, hinter die sie sich gestellt haben, aber weil sie eben auch zu linksliberalen Kreisen gehören und begreiflicherweise keine Ausgestoßenen in ihren Cliquen sein wollen, Die maoistische Selbstkritik einer Heike Makatsch war traurig, aber sie konnte sehr viel weniger dafür als die, die sie von ihr verlangten.  Die Künstler gehen ein Risiko ein, Youtube nicht, die moralinschäumenden “Kritiker” der Künstler auch nicht. Das ist die stets gleiche Schieflage, und hinter ihr steht der eigentliche Kriegszustand.

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