Burkhard Müller-Ullrich / 01.01.2019 / 06:29 / Foto: Tim Maxeiner / 56 / Seite ausdrucken

Warum 2019 die Mathematikwende kommen muss

Zur Jahreswende erscheint es angebracht, sich mit dem Phänomen der Wende zu beschäftigen. 2018 geht und 2019 kommt. Wo ist da die Wende? Kommt 2018 umgekehrt, seitengespiegelt oder kopfständig zurück? Kehrt die Tragödie als Farce wieder? Die Kehre, eines von Heideggers liebsten Denkbildern, ist ja nichts anderes als eine Wende. Deshalb läuft das Ganze, wie man es auch kehrt und wendet, auf eine Verdrehung hinaus: wenden kommt von winden; als Grundgedanke dient die Kreisbewegung, aber auch die Fortbewegung – dann wird die Wende zum Wandel.

Die Wende ist nicht nur ein schönes deutsches Wort, sondern auch eine typisch deutsche, geradezu romantische Vorstellung: eine ganze Literaturgattung, die Novelle, basiert auf der „plötzlichen Wendung der Dinge“. Nur die deutsche Seele mit ihrer frenetischen Erlösungssehnsucht huldigt der Wandelhaftigkeit von Missetätern bis zu dem Punkt, dass ein Rowdy, der Polizisten verprügelt hat, wenige Jahre später zum Außenminister aufsteigen kann. „Nun muß sich alles, alles wenden“, sang Ludwig Uhland in „Frühlingsglaube“. Und natürlich heißt auch das politische Geschehen von 1989, das zur Wiedervereinigung führte, auf deutsch einfach „die Wende“.

Mit politischen Kehrtwenden jedweder Art haben wir es seither reichlich zu tun. Die größte und großartigste ist zweifellos die sogenannte Energiewende, die der sogenannten Klimawende zum Durchbruch verhelfen soll. Die Energiewende kann aber nicht erfolgreich sein ohne eine wendeartige Änderung der Physik, weshalb auch deren mathematische Zahlenbasis einer gründlichen Wende unterzogen werden muss.

Die Notwendigkeit einer Mathematikwende ergibt sich schon auf den ersten genderwissenschaftlichen Blick, handelt es sich doch bei der Mathematik seit den Babyloniern, den Ägyptern und den Griechen durchweg um eine Veranstaltung weißer alter Männer. Sämtliche Namen, die uns in diesem Zusammenhang überliefert sind: von Thales und Pythagoras über Euklid und Archimedes bis zu Ptolemäus und seinen spätantiken Kollegen sind skandalös unweiblich. Es ist klar, dass dieser Wissenschaft ein genuin frauenfeindlicher Grundzug innewohnt.

Schon die Tatsache, dass ausgerechnet die Null als zentrale geistige Errungenschaft des mathematischen Männersports gilt, offenbart die aggressiv maskulinistische Agenda des ganzen Unterfangens. Denn zum einen verweist das Zahlensymbol der Null eindeutig auf das ewige Begierdeobjekt des penisbewaffneten Geschlechts, und zum anderen wird der Vagina mit der Null die absolute Wertlosigkeit, im mathematischen Sinne die Nichtswertigkeit, zugeschrieben. Kein Wunder, dass sich dieser sexistische Ansatz auch in einem berühmten Produkt der Pornoindustrie widerspiegelt, nämlich der Romanverfilmung „Die Geschichte der Null“.

Zahlen sind frauenfeindliche Konstrukte

Um die jahrtausendalte Männermacht zu brechen, gilt es, zunächst die Zahlenwelt als eines ihrer wesentlichen Herr(!)schaftsinstrumente zu entlarven. Nicht nur die Null, sondern alle Zahlen sind frauenfeindliche Konstrukte, weil sie das organisch ausufernde weibliche Sprechen durch kalte Codes und Kürzel ersetzen und damit die Frauen als solche mundtot machen wollen. Die Mathematik verfolgt also im Geschlechterkampf eine klare Agenda. Wenn frau das erkannt hat, besteht der nächste notwendige Schritt in der Zurückweisung des gesamten Narrativs namens Mathematik. Zahlen sind soziale Konstrukte, sie sind buchstäblich Erzählungen. Es geht daher darum, sie zu dekonstruieren.

Die ganz klar auf männlichen Gewaltphantasien beruhende Behauptung, dass drei und drei sex sei, muss zum Beispiel in aller Deutlichkeit verkehrt werden. Dazu ist eine generelle Mathematikwende nötig, die vor keiner Rechnung und keiner Formel haltmacht. Die totalitäre Ideologie absoluter Richtigkeit muss einer wendigen Weichheit weichen, dann wird auch die erforderliche Physikwende wuppbar. Die phallische Physik stellt nämlich durch ihre mathematikgestützte Rigidität immer noch den größten Wendehemmer für die Energiewende dar.

Um hier den Weg freizumachen für eine mehr am Wünschenswerten orientierte Mathematik, soll ein öffentlich finanziertes Institut für Zahlenkritik darüber wachen, dass ab sofort wenigstens die überwiegende Hälfte der universitären Mathematikprofessuren mit Nichtmathematikern besetzt wird. Außerdem fördert das Bundesministerium für Humbugforschung und Bildungsnonsense zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung, der Bertelsmann-Stiftung und der Relotius-Stiftung die zivilgesellschaftliche Kampagne „Rechnen – nein danke“ mit 22 Fantastillionen Draghi aus der um eine Kugel Eis erhöhten Märchensteuer.

Eine so gewendete Mathematik lässt sich übrigens nicht nur bei der Energiewende verwenden, sondern in Form einer generellen Logikwende auch zur Einleitung der angestrebten Vernunftwende. Auch für die noch ausstehende Lebenswende, Sonnenwende und Weltwende gilt: Wir Deutsche schaffen das!

Foto: Tim Maxeiner

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Wolfgang Janssen / 01.01.2019

Bei Einführung der Rechtschreibreform habe ich bereits eine Mathamatikreform gefordert. Diese sollte in einer Vereinfachung der binomischen Formeln bestehen: (a+b) ^2=a^2 + b^2 (a-b) ^2=a^2 - b^2 Das ist einfach, quadratisch, schön und hilft den Schülern unzählige Fehler zu vermeiden. Außerdem entfällt die dritte binomischen Formel, was das Gedächtnis entlastet.

Simone Robertson / 01.01.2019

Mathematik ist einfach nur lästig… warum muss man sich denn damit abfinden, dass eins und eins zwei ergibt? Bei jedem anderen Thema kann man alles verdrehen und das behaupten, was einem am meisten nutzt oder was man selbst als richtig empfindet (“tralalala wie sie mir gefällt”). Es ist zutiefst ungerecht und ein “stückweit” traurig, dass sich die Mathematik dem allgegenwärtigen Einfluss der Besserwisser und -Menschen so vehement entzieht! Gerade HIER hätte dieser (ansonsten aufdringlich-nervige) Einfluss, für mich persönlich, mal einen positiven Effekt gehabt, als ich noch zur Schule ging. Stattdessen wurde, unnötiger Weise, an der Rechtschreibung herumgebastelt und ich musste auf dem Schulhof “Kleine, weiße Friedenstaube” singen und Luftballons mit Postkarten an fremde Menschen steigen lassen.

Frank (in ZA) Theimer / 01.01.2019

Das mag ja Satire sein, dieses Prinzip ist in Suedafrika aber bitterer Ernst - wenn der Stein des Anstosses auch nicht im Bereich Gender liegt, sondern im “Weiss-sein”, natuerlich. Die Curricula an den Universitaeten muessen ‘dekolonisiert’  und ‘afrikanisiert’ werden. Die vielen Aktivisten koennen einem zwar nicht erlaeutern, wie und was, aber egal. Bei einzelnen Themen mag da zwar was dran sein, aber nein, es geht auch um Mathematik und Wissenschaft. Haben Sie gewusst, was ‘weisse’ Mathematik und/oder Wissenschaft ist? Nein? Macht nichts, die Aktivisten wissen es auch nicht, es ist aber trotzdem wichtig, diese Wissenschaften aus einem ‘afrikanisch zentrierten’ Winkel aus zu betrachten… Wer dagegen argumentiert, dem wird seine ‘weisse’, Privilegien induzierte Sicht der Dinge oder eben gleich Rassismus vorgeworfen. Wer mit historischen Argumenten kommt, dem wird erklaert, dass dies ‘weisse’ Historik ist, und in der Folge nur aus Luegen besteht. Und das Schlimmste: das ist alles ernst gemeint.

Hjalmar Kretzer / 01.01.2019

Also, Herr Müller-Ulrich, sex ist ja wohl in vielen Fällen auch eins und eins, wobei das Gender als die 66. Wurzel aus 66 gegeben ist. Bei der Hälfte der Mathematikprofessuren haben Sie auch weder die Gender- noch die Migranten- oder gar die Muslimquote berücksichtigt. Das sage ich alles dem Herrn Matzjeck und der Frau Göring. So geht es ja nun nicht!

Wolfgang Kaufmann / 01.01.2019

Zu Neujahr hat Macron seiner Nation vorgehalten, man könne nicht weniger arbeiten und mehr verdienen, die Steuern senken und die Ausgaben erhöhen. Von wegen Nullsummenspiel; typisch alter weißer Mann! – Wir sind da schon einen Schritt weiter. Wir ziehen einfach Wechsel auf die Zukunft; verschenken Geld, das wir nicht haben; nehmen Freunde in die Pflicht, die wir nicht mehr haben; verweisen auf Techniken und Techniker, die wir noch nicht haben. Das Narrativ ist der Speicher: Hauptsache wir fühlen uns gut dabei. Pippi Langstrumpf hoch drei. Und wenn es schief geht: der Papa ist König von Taka-Tuka-Land und hat eine Truhe voll Gold.

E.W.U.Putzer / 01.01.2019

Mit der Zeitenwende 1989 hat schon mehr Bauch (obwohl man den damals noch etwas versteckt hat) als Hirn Einzug in die deutsche Politik gehalten. Spätestens mit der Neu-Besetzung des Umweltministeriums war Schluss mit Mathematik. Seit dem gilt eine ‘Null-Toleranz-Politik’ in allen Bereichen und damit das Aus für Naturwissenschaften z.B. beim Klima. Heute gilt, was muss das Ergebnis sein und was darf auf keinen Fall bei der Rechnung heraus kommen. Naturwissenschaftlicher Ballast (Herr Sauer hatte sich viel Mühe gemacht, die Dame durch die Untiefen der Physik zu lotsen, leider vergebens) wurde abgeworfen. Leibniz und Newton würden sich im Grabe abwenden.

Nadja Schomo / 01.01.2019

Es gibt so einige urdeutsche Worte, die auch mit “W” beginnen: Wiederaufbau, Wiedergutmachung, Wirtschaftswunder ... Wende, Wandel ... Wahn.

Franck Royale / 01.01.2019

Zuerst einmal brauchen wir Geschlechtergerechtigkeit bei Zahlen, der status quo ist unerträglich: Die Null, die Eins, die Zwei, die Drei - alle Zahlen sind weiblichen Geschlechts. Progressiv wäre hingegen: Die Null, der Eins, das Zwei, die Drei, usw.  Wobei man eine Zahl bei ihrer Geburt eigentlich nicht auf eine Geschlechterrolle festlegen sollte, daher wäre besser: D* Null, d* Eins, d* Zwei, d* Drei, usw. Wenn die Zahl wächst kann sie selber entscheiden was sie sein möchte.

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