Kolja Zydatiss / 27.08.2019 / 13:30 / Foto: Pixabay / 26 / Seite ausdrucken

Flächenbrände: Der Achgut.com Amazonas-Faktencheck

Seit einigen Wochen schaut die Welt gebannt auf Brasilien. Zahlreiche Promis wie der Fußballspieler Cristiano Ronaldo oder politische Führer wie der französische Staatspräsident Emmanuel Macron haben die Sozialen Medien genutzt, um in persönlichen Appellen auf die Flächenbrände aufmerksam zu machen, die im dortigen Amazonasgebiet wüten. Auf Twitter trenden Hashtags wie #PrayforAmazonas, #ActForAmazonia oder gar #OurLungsAreOnFire. Wie schlimm ist die Situation wirklich? Wer ist schuld? Und was sind die Folgen? Die Amazonas-Brände im Achgut.com-Faktencheck:

1. Wie verbreitet sind die Brände?

Nach Angaben des staatlichen brasilianischen Instituts für Weltraumforschung (INPE) wurden in diesem Jahr bislang mehr als 40.000 Brände im Amazonasgebiet identifiziertLaut INPE wird jede Minute eine Fläche von der Größe von anderthalb Fußballfeldern durch das Feuer zerstört. Eine laufend aktualisierte Karte des europäischen Satellitenprograms „Copernicus“ zeigt, dass Rauchschwaden mittlerweile große Teile Brasiliens bedecken und in die Nachbarländer hinüber ziehen.

2. Sind die Brände etwas Außergewöhnliches?

Jein. Wie das INPE und die nationale amerikanische Raumfahrtagentur NASA mit Bezug auf Satellitendaten melden, sind die Brände im brasilianischen Amazonasgebiet so zahlreich und intensiv wie seit dem Jahr 2010 nicht mehr. Die bisherige Anzahl der Brände liegt 79 Prozent über dem Vorjahreszeitraum und sieben Prozent über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Vor 2010 gab es allerdings mehrere Jahre, in denen erheblich mehr Brände im Amazonasgebiet gewütet haben als heute. Tatsächlich fielen die schlimmsten Jahre in die Amtszeit des sozialdemokratischen Präsidenten Lula da Silva, der Brasilien von 2003 bis 2010 regierte.

3. Hat der Klimawandel die Brände verursacht?

Nein. Natürliche Brände sind im Amazonasgebiet äußerst selten. Der INPE-Forscher Alberto Setzer schätzt, dass 99 Prozent der aktuellen Brände absichtlich oder unabsichtlich von Menschen verursacht wurden. Viele wurden wohl bewusst von Landwirten gelegt, um neue Anbauflächen oder Ackerland zu gewinnen oder um bestehende Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung vorzubereiten. Dafür spricht auch, dass die meisten Brände in der Nähe von Straßen entstanden sind. Im brasilianischen Bundesstaat Pará haben Bauern sogar am 10. August einen offiziell angekündigten „Tag des Feuers“ veranstaltet, um der Regierung zu signalisieren, dass Brandrodungen ein notwendiger Bestandteil ihrer Arbeit sind. Eine Erwärmung des Klimas kann allerdings dazu führen, dass sich Brände schneller verbreiten.

4. Werden die Brände zum Verschwinden des Regenwalds führen?

Nein! Nach Angaben der „New York Times“ ist ein Großteil des aktuell brennenden Gebiets nicht uralter Regenwald, sondern besteht aus bereits gerodeten Flächen, die von Gestrüpp befreit werden müssen, um landwirtschaftlich genutzt zu werden. Außerdem sind die Brände nicht umfangreicher als in vielen vergangenen Jahren (siehe Frage 2). Gegen das apokalyptische Bild einer vollständigen Zerstörung des Regenwalds sprechen auch Daten der Nichtregierungsorganisation World Wildlife Fund (WWF). Laut WWF wurden bislang circa 20 Prozent des Bioms Amazonas durch menschliche Aktivitäten wie Abholzung, Landwirtschaft, Bergbau oder den Bau von Staudämmen und Straßen zerstört. Rund die Hälfte des Gebiets ist durch brasilianische Bundesgesetze komplett vor Rodungen geschützt, und die Entwaldung ist zwischen 2004 und 2012 um 70 Prozent zurückgegangen.

5. Ist der brasilianische Regenwald die „grüne Lunge“ der Erde?

Nein, diese Metapher ergibt, wissenschaftlich betrachtet, wenig Sinn. „Der Amazonas produziert viel Sauerstoff, aber er verbraucht genauso viel Sauerstoff durch Respiration“, zitiert „Forbes“ den Biologen und Amazonasexperten Daniel Nepstad. „Unterm Strich kommt Null heraus.“ Tatsächlich produziere der Amazonas nicht mehr Sauerstoff als Soja-Farmen oder Rinderweiden. Als wahre „grüne Lunge“ der Erde kann wohl am ehesten das sogenannte Phytoplankton in den Meeren bezeichnet werden. Die winzigen Pflanzen produzieren laut aktuellem Forschungstand 50 bis 85 Prozent des Sauerstoffs in der Erdatmosphäre.

6. Ist der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro an den Bränden schuld?

Der rechtsgerichtete Staatschef Brasiliens gilt als Kritiker der Ökobewegung und will das wirtschaftliche Potenzial der Amazonasregion besser erschließen. Seit seinem Amtsantritt im Januar 2019 hat er das Budget der brasilianischen Umweltschutzbehörde erheblich gekürzt. Laut einer Analyse der „New York Times“ sind staatliche Maßnahmen gegen illegale Rodungen wie Bußgelder und Beschlagnahmungen von Ausrüstung unter Bolsonaro um 20 Prozent zurückgegangen. Einige Medien spekulieren, dass Bolsonaros umweltpolitischer Kurs die Bauern zu mehr Abholzung und Brandrodung ermutigt haben könnte.

Andererseits gibt es in der brasilianischen Politik einen Konsens, dass illegale Brandrodungen ein Problem sind, gegen das der Staat vorgehen muss. Bolsonaro hat Militäreinheiten beauftragt, die Flächenbrände zu bekämpfen, und hat Hilfe unter anderem von Israel angenommen. Der „Tag des Feuers“ im Bundesstaat Pará ist zur Zeit Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen.

7. Wurden Brände von Umweltorganisationen gelegt, um Bolsonaro zu diskreditieren?

Nein, für diese Behauptung des brasilianischen Präsidenten gibt es keine Beweise.

8. Sind andere Staaten von ähnlich intensiven Bränden betroffen?

Ja, auch in anderen südamerikanischen Staaten wie Bolivien, Peru und Paraguay wüten verheerende Brände. In Bolivien sollen sich die Feuer auf eine Gesamtfläche von fast eine Million Hektar erstreckt haben. Dort hatte der linksgerichtete Präsident Evo Morales vor einigen Wochen per Dekret grünes Licht für Abholzungen und „kontrollierte Brandrodung“ in zwei Amazonas-Provinzen gegeben. Innerhalb von fünf Tagen soll das Land soviel Wald verloren haben, wie im ganzen Jahr zuvor.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Petra Wilhelmi / 27.08.2019

Auf Sciencefiles wird ausführlich mit NASA-Bildern und Diagrammen über die Fakten geschrieben.

Volker Kleinophorst / 27.08.2019

@ G. Bleckmann In Afrika regieren ja auch keinen “Rechten”.

Bernd Große-Lordemann / 27.08.2019

Die Aufregung ist pure Heuchelei und Wichtigtuerei zum Anheizen der CO2 Hysterie. Kein Mensch interessiert sich für die Flächenbrände in Afrika und Asien. (Kalimantan) Weitere Fakten dazu finden sich u.a. im Blog “ScienceFiles”.

Th. Bode / 27.08.2019

Gruß von Kachelmann: Nicht Erwärmung sondern größere Trockenheit führt zu mehr Bränden. Meine Meinung: das Wasser wird durch Klimaerwärmung nicht weniger, es dürfte eher durch Verdunstung der Meere und Seen mehr im Kreislauf werden.

Max Biber / 27.08.2019

Danke, für das Zusammenstellen der Fakten. Nicht nur mir fällt auf, dass die Achse sehr zahlreich, qualitativ hochwertige Artikel veröffentlicht. Das ist heutzutage selten geworden.

Wilhelm Lohmar / 27.08.2019

Im Show-Bizz spielen Emmanuel Macron und Cristiano Ronaldo ohnehin in der gleichen Liga.

Sabine Schönfelder / 27.08.2019

Danke schön! Nur derjenige, der über nahezu   a l l e Fakten verfügt, ist in der Lage sich ein annähernd realistisches Bild zu machen. Diese Aufgabe erfährt innerhalb dieser Gesellschaft immer mehr an Relevanz und Dringlichkeit. Es herrscht eine Art ‘Blockflötensystem’ alias Altparteienlandschaft, das durch gezielte Medienpropaganda Nachrichten ausschließlich zu Agitationszwecken benutzt.

Dr. Volker Rachui / 27.08.2019

Wenn, wie behauptet, das Amazonasgebiet die “grüne Lunge” der Erde sein soll und ca. 20% bereits “zerstört” sei: Um wieviel Prozent ist dann folglich der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre gesunken? Warum misst man nicht ständig diesen Gehalt, wenn er doch so bedroht sein soll? Man muss nur die richtigen Fragen stellen, um die Klimahysterie ad absurdum zu stellen.

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