Peter Grimm / 13.07.2023 / 16:15 / Foto: Pixabay / 75 / Seite ausdrucken

Wagenknecht, die AfD und weitere Alternativen

Viele hoffen auf eine Wagenknecht-Partei, weil diese den AfD-Erfolg bremsen würde. Doch wie wäre es mit weiteren Parteigründungen, um inhaltlich entleerte Parteihüllen zu ersetzen? Das ganze politische Spektrum braucht eine Erneuerung in Deutschland.

Gerade in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, also in den Bundesländern, in denen im nächsten Jahr gewählt wird, schaut man mit Sorge auf die Umfrage-Ergebnisse der AfD. Überall wäre sie die stärkste Kraft im Parlament. Vor allem in Thüringen. Dort würde sie, trotz des umstrittenen Landesvorsitzenden Björn Höcke, auf sagenhafte 34 Prozent kommen. Da müssten fast alle anderen Parteien zusammenarbeiten, um gegen die AfD eine Regierung bilden zu können. Das aber käme bei den Bürgern wahrscheinlich nicht gut an. Der bisherige Ab- und Ausgrenzungskurs gegenüber allen Vertretern dieser Partei dürfte immer schwerer durchzuhalten sein. Bewirkt hat er offenkundig nicht, was die Ab- und Ausgrenzer damit bezweckten – im Gegenteil.

Aber wie will man als politischer Verantwortungsträger an dieser Stelle jetzt gesichts- und gesinnungswahrend seinen Kurs ändern? Das scheint kaum möglich. Fehler im Umgang mit der AfD beziehungsweise den Themen, derentwegen sie erstarkt, möchte man ebenfalls nicht eingestehen, denn wenn man vom ganz hohen moralischen Ross herunterfällt, ist das ziemlich schmerzhaft. Nur, wie kommt man zu Regierungsmehrheiten jenseits der AfD? Wer könnte als glaubhafte Oppositionskraft einen Teil der Stimmen der Unzufriedenen zu sich und von der AfD weglocken? Wer könnte sie so zurückdrängen, dass eine Regierungsbildung ohne sie leichter wird?

Das Ergebnis einer Insa-Umfrage in Thüringen legt eine Antwort nahe: Eine von der Noch-Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht gegründete neue Partei könnte in Thüringen 25 Prozent erreichen, wie die Thüringer Zeitungen der Funke Mediengruppe und welt.de berichteten. Eine Wagenknecht-Partei würde die Thüringer AfD auf den zweiten Platz verweisen, sie käme dann nur noch auf 22 Prozent.

Die Linke, der Wagenknecht derzeit noch angehört, käme in Thüringen nach der Insa-Erhebung nur noch auf 18 Prozent. Die CDU würde an Zuspruch einbüßen und käme auf nur noch 16 Prozent, die SPD auf 9 Prozent und die Grünen würden spannende 5 Prozent erreichen. Die FDP würde mit 3 Prozent den Einzug ins Parlament nicht schaffen.

Dann wäre beispielsweise eine rotrotrote Koalition denkbar. Eine gruselige Vorstellung. Oder wäre auch die rechnerische Mehrheit aus CDU, SPD und Wagenknecht kooperationsbereit? Ob Wagenknecht aber wirklich Lust dazu hat, die anderen Parteien aus ihrem AfD-Ausgrenzungsdilemma zu befreien?

Das ganze politische Spektrum bedarf einer Erneuerung

AfD-Co-Chef Stefan Möller soll jedenfalls gegenüber der Thüringer Allgemeinen erklärt haben, dass eine Wagenknecht-Partei die AfD zwar Stimmen kosten würde, aber es gäbe für die AfD auch „eine Option mehr“ für eine Koalition. „Wenn ich mir Wagenknechts Positionen anschaue, dann scheint mir eine Partnerschaft mit ihr am wahrscheinlichsten.“ Dann würden sich erstmals in einem deutschen Nachkriegsparlament alle Parteien der alten Bundesrepublik gemeinsam mit den SED-Erben in der Opposition befinden.

Undenkbar? Nun ja, wie viel Undenkbares haben wir in den letzten Jahren erlebt. Im eigenen Interesse sollten die Strategen der Altparteien nicht darauf hoffen, dass ihnen eine Wagenknecht-Partei ihr AfD-Problem vom Halse schafft. Aber man soll ja positiv denken: Wenn nach einer erfolgreichen rechten eine erfolgreiche linke Parteigründung gelänge, dann könnte das vielleicht auch andere parteipolitisch Heimatvertriebene und Heimatlose motivieren, selbst eine neue liberale, eine sozialdemokratische, eine christlich-konservative oder auch eine grüne Partei zu gründen.

Die Parteien, die dies einmal waren, sind es längst nicht mehr. Sie haben ihre inhaltliche Identität immer stärker durch ein seltsames Konglomerat einer in groben Zügen gemeinsamen Herrschaftsideologie verdrängen lassen, die weder liberal, sozialdemokratisch oder konservativ ist, ja noch nicht einmal wirklich grün. Wenn es auch zu diesen inhaltlich entleerten Partei-Hüllen passende Alternativen gäbe, wäre das gut für eine Wiederbelebung der freiheitlichen Demokratie. Das ganze politische Spektrum bedarf einer Erneuerung. Dazu braucht es mehr als eine Alternative.

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Franz Kutschke / 13.07.2023

Natürlich braucht unsere ganze Politik eine Rundumerneuerung. Dazu müsste man nur die Fünfprozenthürde abschaffen. Es gibt sie nur, damit das nicht passiert!

Richard Loewe / 13.07.2023

eine Frau als Partei und eine Partei als eine Person? Das gabs ja schonmal und es war nicht so prall. Die Wagenknecht ist Kommunistin und der soll ich trauen, sich für die Freiheit stark zu machen?

W. Rrnner / 13.07.2023

Genau so gut könnte man fragen, wie wäre es mit einer neuen Verpackung, um dem Verpackungsmüll ein Ende zu bereiten. Wenn Parteien keine Grundwerte mehr vertreten, egal ob die nun gerade gefragt sind oder nicht, sondern nur dem Zeitgeist hinter her jagen, ist die Demokratie am Ende,

W. Renner / 13.07.2023

Es bräuchte so was wie einen Donald Trump, der diesen Saustall mal ausmistet, sowie mündige Bürger, welche den etablierten Kleptokraten aufs Maul hauen. Aber sicher keine weiteren marxistischen Wagenknächtinnen, oder sonstigen Parteienzuwachs, welcher sich dann bei Anne Wiil, aber kaan nicht einen runter holt. Mit dem Einheitsparteien Politbüro, hat dieses Land schon mehr Partei, als der gemeine Bürger aushält.

Sascha Hill / 13.07.2023

Mein erster Gedanke war in der Tat, rechtslinke Regierungskoalitionen, sind nicht so selten wie man denken mag. Und zur Erhebung, vor nicht allzu langer Zeit hieß es auch, die CSU könnte bundesweit aus dem Stand über 20 % erreichen. Das war zu Zeiten der Krisenzeit in der Unions Ehe. Gut möglich also, das solche Umfragen gezielt gestreut werden. Damals um die Unions Stimmen massiv zu verkleinern, heute wegen den AFD Stimmen.

Michael Lorenz / 13.07.2023

@Snorre Starkmann: Aha-  “Signalwörter”, soso. Welche denn? “Deutschland” vielleicht, für dessen Verwendung Höcke jetzt ja angeklagt wird und dass bekanntlich ein so schlimmes Wort ist, dass die “Deutsche Post” sich umbenennen und nur noch “DHL” heißen will. Mehr haben Sie nicht anzubieten? Ach, ja, doch, die Bolschewikipedia. Was für eine Top-Quelle. Wieso nicht gleich Indymedia? Und dass eine klare, rechte Kante schwer zu finden ist, liegt woran? Ah ja, der schauspielert! Sehen Sie: das, was Sie hier liefern - genau das war es, was ich mit meinem ersten Posting meinte.

N. Berning / 13.07.2023

Neue Parteien, wofür? Die Parlamente in ihrer heutigen Ausstattung sind doch die Lukullischen Gärten der Politik – wer einmal da ist, will so schnell nicht wieder weg. Das und nichts anderes bestimmt fortan das Denken der Masse der Parteipolitiker, weil sie sich daran gewöhnen – auch „alternative“ Parteien werden so über kurz oder lang korrumpiert. Dagegen gefeit wäre höchstens eine Partei, die von einer gewissen Askese mit der zugehörigen Ideologie geprägt UND wie ein Orden organisiert und geführt würde – aber das allein würde schon am Parteiengesetz (Erfordernis „innerparteilicher Demokratie“) scheitern.

Siegfried Ulrich / 13.07.2023

Divide et impera - wußten schon die nicht nur alten Römer. Wagenknechts Partei würde nur die einzige noch vorhandene Oppositionspartei schwächen. Deshalb hatte ich ihr bereits vor Monaten davor abgeraten - per Mail. Scheinbar ist sie beratungsresistent… Besser für Deutschland wäre ihr bereits Wechsel zur AfD - man wird ja wohl noch hoffen dürfen, oder?

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Peter Grimm / 26.04.2024 / 12:00 / 37

Keine Kästner-Lesung für „Freie Wähler“

Zweimal wollten die Freien Wähler in Dresden eine Lesung aus Erich Kästners „Die Schule der Diktatoren“ veranstalten. Beide Male wurde sie untersagt. Eine bittere Realsatire.…/ mehr

Peter Grimm / 23.04.2024 / 06:05 / 94

Anleitung zum vorbeugenden Machtentzug

Was tun, wenn die AfD Wahlen gewinnt? Das Votum des Wählers akzeptieren? Oder vielleicht doch schnell noch mit ein paar Gesetzen dafür sorgen, dass sie…/ mehr

Peter Grimm / 12.04.2024 / 06:15 / 136

Kein Drama beim Höcke-Duell

Dass Thüringens CDU-Chef Mario Voigt mit seinem AfD-Pendant Björn Höcke in ein TV-Duell ging, sorgte für Aufsehen und Protest. Heraus kam eine ganz normale Fernsehsendung,…/ mehr

Peter Grimm / 11.04.2024 / 12:45 / 50

Die Rundfahrt eines Polizeibekannten

Der Irrwitz deutscher Asylpolitik zeigt sich zuweilen auch in absurden Geschichten aus dem Polizeibericht. Bei zu vielen Asylbewerbern drückt sich das Verhältnis zur Gesellschaft im…/ mehr

Peter Grimm / 09.04.2024 / 06:15 / 140

Droht eine Landesregierungs-Entmachtung nach AfD-Sieg?

Fünf Jahre nach dem „Rückgängigmachen“ einer Ministerpräsidentenwahl überlegen Juristen jetzt, wie man missliebige Landesregierungen mittels „Bundeszwang“ entmachten und zeitweise durch einen Staatskommissar ersetzen könnte. Sie…/ mehr

Peter Grimm / 03.04.2024 / 13:00 / 33

Wer darf Feindsender verbieten?

Wenn Israel das Gleiche tut wie EU und deutsche Bundesregierung zwei Jahre zuvor, dann ist selbige Bundesregierung plötzlich besorgt. Bei Doppelstandards ist Deutschland immer noch…/ mehr

Peter Grimm / 30.03.2024 / 09:00 / 75

Durchsicht: Die populärste Kommunistin?

Sahra Wagenknecht verteidigte als Kommunistin die DDR und begeistert heute selbst Konservative. Klaus-Rüdiger Mai beschreibt, wie die Frau zu verstehen ist. / mehr

Peter Grimm / 24.03.2024 / 12:00 / 77

Fürchtet Putin Angriffe aus verdrängten Kriegen?

143 Todesopfer hat der Anschlag auf ein Konzert in der Moskauer Region gefordert. Der Islamische Staat hat sich dazu bekannt, doch der Kreml hätte gern andere…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com