Henryk M. Broder / 07.03.2013 / 00:12 / 0 / Seite ausdrucken

Voneinander lernen und aufeinander zugehen

Auf der Suche nach einem Beruf mit Zukunft entscheiden sich immer mehr junge Deutsche, Eventmanager oder Schuldenberater zu werden. Der eine Beruf garantiert Spiel und Spaß bis zum Abwinken, der andere ein sicheres Auskommen – angesichts von etwa 150.000 Insolvenzverfahren, die jährlich in Deutschland angemeldet werden, davon über 100.000 so genannte „Privatinsolvenzen“.

Nun tut sich eine dritte viel versprechende Berufsperspektive auf: Kulturdolmetscher. Zwar ist es – noch - kein Beruf, den man lernen oder studieren kann. Dafür aber bietet er Seiteneinsteigern, die ihr Studium der Sozialpädagogik nach 20 Semestern abgebrochen haben, die Gelegenheit, der Arbeitslosigkeit zu entkommen. In Wuppertal sollen demnächst 15 Kulturdol-metscher eingestellt werden, um „Inhaftierten mit Migrationshintergrund“ zu helfen, sich verständlich zu machen. Denn offenbar gibt es immer noch ignorante Gefängniswärter, de nicht wissen, dass man „muslimischen Insassen“ kein Schweinefleisch vorsetzen darf.

Wenn es der einen oder der anderen Seite an der „sprachlichen Kompetenz“ mangelt, wenn also der Knacki nicht Deutsch und der Wärter nicht Arabisch kann, soll der „Kulturdolmetscher“ eingreifen, um „die Verständigung auf nonverbalem Wege zwischen den verschiedenen Gruppen (zu) verbessern“.

Dabei handelt es sich mitnichten um eine kulturelle Einbahnstraße. „Kulturen können viel voneinander lernen“, sagt Caritasdirektor Christoph Humburg, es sei „wichtig, eine kulturelle Sensibilität zu schaffen und ohne Vorurteile aufeinander zuzugehen.“ – Nur das „r“ in seinem Namen rettet den Mann von der Caritas vor dem Verdacht, Humbug zu reden.

Was, bitte schön, sollen die Wärter von den Insassen lernen? Wie man aus einem Löffel ein Messer macht? Einen Kassiber aus dem Knast schmuggelt? Kultur-sensibel und vorurteilslos aufeinander losgeht?

Da hätten die „Kulturdolmetscher“ in der Tat einiges zu tun. Und wenn sie erst einmal dazu kommen, einsitzenden Neonazis das Wesen des Jihad nahe zu bringen und den muslimischen Insassen zu erklären, wie Springerstiefel geschnürt werden müssen, dann haben beide Seiten nicht nur viel voneinander gelernt, sondern einen großen Schritt aufeinander zugetan.

Alles Übrige erledigt dann der Eventmanager.

Erschienen in der Weltwoche vom 7.3.12

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