Susanne Baumstark / 10.02.2018 / 11:03 / 7 / Seite ausdrucken

Ein Lehrstück über Diffamierungskultur

„Wen die Mädchen benennen, der kommt in den Kerker … Was für ein finsterer Unfug … Wenn sie jetzt als Heilige gilt, dann wird es nicht leicht sein, sie als Betrügerin zu entlarven – bei der Torheit in der Stadt. Ich habe doch keinen Beweis … Wohin der anklagende Finger auch zeigt, wir dürfen nicht zaudern, wir müssen ihm folgen … Ist denn der Ankläger immer heilig?“

Die „Hexenjagd“ von Arthur Miller, heute vor 13 Jahren gestorben, ist hervor-ragend vertont in diesem Hörspiel des WDR. Es ist ein eingängiges Beispiel dafür, wie es so manchen, von Eitelkeit getriebenen Charakteren gelingt, unter einem Vorwand – hier Glaube und Religion – mit schamlosen Lügen, irrwitzigen Beschuldigungen, moralischer Erpressung, richterlicher Willkür, herbei fantasierten Indizien und Gruppendruck eine wahnhafte Diffamierungskultur zu schaffen.

Eine Zusammenfassung der Handlung steht an dieser Stelle. Arthur Miller bewegt sich mit seinem Stück sehr nah an realen Ereignissen Ende des 17. Jahrhunderts und stellte einmal fest: „Das ist alles sehr seltsam".

Dieser Beitrag erschien auch auf Susanne Baumstarks Seite Luftwurzel

Foto: U.S. State Department usembassy via Wikimedia Commons

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Cornelia Buchta / 10.02.2018

Wow, Herr Heinz Schirk! Danke für den Hinweis. Ich habe das Stück BIEDERMANN UND DIE BRANDSTIFTER von Max Frisch vor 30 Jahr selbst gespielt (war eine der wehklagenden Chormitglieder). Jetzt, wo sie es erwähnen, kommt die Erinnerung zurück. Wir haben damals auch den nicht sehr bekannten 2. Teil, das Nachspiel in der Hölle sozusagen, gespielt. Ich muss unbedingt nochmal nachlesen, wie das ausging. Beste Grüße.

Hartwigh Huebner / 10.02.2018

Was Sie hätten erkennen müssen, ist, es ist genau umgekehrt, die Hexen machen heute Jagd auf uns. New Age ist das Zeitalter der Hexen. Nur verbohrte Autoren und Ewiggestrige wollen das noch leugnen.

Judith Hirsch / 10.02.2018

Am Feminismus sieht man, dass wir keine Religionen brauchen, um verblendete Fanatiker hervorzubringen.

Heinz Schirk / 10.02.2018

Noch ein anderes geniales, höchst zeitgemäßes Lehrstück fällt mir ein: BIEDERMANN UND DIE BRANDSTIFTER von Max Frisch. Da nimmt der Bürger Biedermann zwei Männer in sein Haus auf. Sie machen sich nicht nur unverschämt breit, sondern hantieren auch noch auf dem Dachboden mit Benzinfässern und Zündschnüren. Der Chor der Feuerwehrleute, die im Stil eines antiken Chors vor Brand und Unheil warnen, können den Bürger Biedermann nicht zur Vernunft bringen. Er schließt mit den Fremden Freundschaft und bietet ihnen sogar Zündhölzer an. Am Ende fliegt alles in die Luft. Ein Intellektueller, der zuvor mit den Brandstiftern gemeinsame Sache gemacht hat, tritt auf und erklärt, das alles hätte man nicht voraussehen können. Dies eine sehr kurze Zusammenfassung. BIEDERMANN UND DIE BRANDSTIFTER scheint mir heute viel, viel aktueller als zur Zeit der Uraufführung 1958.  Aber so weit mein Auge reicht, sehe ich kein Theater, das dieses (im wahrsten Sinne des Wortes) brennende Gleichnis auf dem Spielplan hätte.  Die Theater wollen doch andauernd Zeichen setzen, Haltung zeigen, Denkanstöße geben usw. usw.  Sind sie zu feige oder zu gehirngewaschen, ihren Denkanstößen mal eine andere Richtung zu geben als die zur Zeit unter sog. Kulturschaffenden übliche ? Oder sind unter denen, die heute noch ins Theater gehn, nur lauter Biedermänner? Zum Schluss, da die Stadt in Flammen steht und ein Gasometer nach dem anderen explodiert,  klagt der “antike” Chor der Feuerwehrleute, auf die keiner hören wollte, nur noch: “Weh uns! Weh uns! Weh uns!” Blackout.

Gabriele Klein / 10.02.2018

Ja, ein wahres Wort und wir leben in einer Diffamierungskultur. Es geht mir hier nicht zunächst um Diese oder Jenen der von der Presse diffamiert wird sondern um die Art des Schreibens an sich,  die unerträglich wird.  Je negativer eine Behauptung über den Andern ist umso mehr bedarf sie der genauen Begründung   und eine “Anschuldigung” reicht für ein Urteil, auch ein schriftstellerisches nicht aus. Auch dann nicht wenn der Eine sie beim Andern abschreibt. Auch dann nicht, wenn solche Schreibe unter FAZ und FIGARO firmiert.  Dass sich Menschen mit Hochschulabschluss von solchen “Anschuldigungen” bar jeder Begründung vereinnahmen lassen macht fassungslos. Besonders fatal auch die Konsequenz solcher Schreibe:  Die Rolle einer sehr wichtigen Opposition durch die Presse wird verspielt und verschwindet schlußendlich mit verheerenden Konsequenzen für eine Demokratie.  Bis heute warte ich auf eine Begründung der Anschuldigungen gegenüber Fillon während seines Wahlkampfs. Aber, über das Gerichtsurteil (das nicht abgewartet wurde) schweigt man sich aus…. Gleiches gilt für Protagonisten wie Trump und von Storch….... Mehr als Behauptungen und Schmähungen kann ich bei genauer Betrachtung leider nicht erkennen. Ich bin kein loyaler Anhänger irgendwelcher Politiker, ganz egal welchen Couleurs. Stein des Anstoß ist für mich einzig und allein eine Schreibe (von professionellen Autoren!!!!)  mit der ich, hätte ich sie praktiziert, vor 40 Jahren aus Schule und Uni geflogen wäre…..

Ralf Tewes / 10.02.2018

Schade, dass wir in Deutschland keinen so mutigen und intelligenten Schriftsteller wie Miller haben, der in der Lage ist, gesellschaftlichen und auch demokratischen Missständen auf den Grund zu gehen, diese zu sezieren und dann lehrbuchmäßig zu verarbeiten.

Dietmar Schmidt / 10.02.2018

Hallo Frau Baumstark, ich habe schon oft gedacht, dass wir irgendwie ziemlich manipulierbar sind. Das Beispiel “Hexenjagd” bestätigt diesen Eindruck nachdrücklich. Es ist wirklich schwer sich dem zu entziehen, das Einzige was hilft ist Information. Also Achse: Dran bleiben. Danke für den Artikel und Gruß D. Schmidt

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