Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 11.05.2007
Unter den Vätern der grünen Bewegung waren noch offene, kernige Fortschrittsfeinde, bärtige Männer in grob gestrickten Joppen, denen man ansah, dass sie sich ausschließlich von Frischkornmüsli ernährten und warmes Leitungswasser für eine Verfallserscheinung hielten. Sie kannten alle Kräuter im Wald, hatten aber noch nie von Brioni oder Armani gehört. Diese Zeiten sind lange vorbei. Die Kuhns und Bütikofers haben es nicht so mit Waldkräutern. Man gibt sich gern modern. Solaranlagen und Windräder zieren Broschüren und Plakate. Beide gelten als sympathisch sanfte Technologien, mit denen Deutschland die Zukunft meistern soll. Doch damit ist die Liste der politisch erwünschten Techniken bereits beendet: Wind und Solar, Solar und Wind … und weiter?
Ein Industrieland sollte vielleicht zwei, drei Trümpfe mehr in petto haben. Womit wir zum Thema „unsanfte Technologien“ kommen. Dazu gehört nach wie vor alles was mit „Atomkraft“ zu tun hat und natürlich die „harte Chemie“, alle Verkehrsmittel außer Bahn und Fahrrad, Medizinische Apparate und Tabletten und ganz besonders die Raumfahrt (überflüssig!) und die Gentechnik (teuflisch!).
Die Brioni-Fraktion hat die Technophobie der bärtigen Strickjackenträger übernommen, weil sich mit romantischen Phantasien mehr Wählerstimmen fangen lassen als mit Aufklärung. Das gilt leider nicht nur für die Grünen sondern für alle Parteien und die meisten Führungskräfte der großen Wirtschaftsunternehmen. Lieber redet man unentwegt über Windräder und Solardächer, als ehrlich zu sagen, dass man ohne Atomkraft nicht auskommen wird. Klare Stellungnahmen zu den Chancen der Grünen Gentechnik sind ebenso rar (der SPD-Fraktionsvize Klaas Hübner machte kürzlich eine erfrischende Ausnahme von dieser Regel). Die meisten Politiker lassen sich lieber mit einem Bio-Ferkel auf dem Arm fotografieren.
Im Bremer Wahlkampf konnte man in den vergangenen Wochen beobachten, wohin Romantik-Opportunismus führen kann. Dort geht es um eine „harte“ wissenschaftliche Erkenntnismethode, der Millionen Menschen ihr Leben verdanken: Tierversuche. Die meisten Gesunden lehnen Tierversuche intuitiv ab (Menschen, die medizinische Hilfe brauchen, sind meistens etwa nachdenklicher). An der Bremer Universität finden Tests an Rhesusaffen statt, die Einsichten in die Funktionen des Gehirns liefern. Obwohl es sich um Grundlagenforschung handelt, kamen bereits Verbesserungen in der Behandlung von Parkinson- und Epilepsiekranken dabei heraus (DIE WELT berichtete). Doch Tierversuche rufen nun mal soviel Antipathien hervor wie Atomkraftwerke und Gentomaten zusammen. Also weg damit. Sollen sie doch in anderen Ländern forschen. Parteiübergreifend beschloss die Bremer Bürgerschaft die Hirnforschung zu verhindern. Das ist keine deutsche Spezialität: Auch das Institut für Neuroinformatik in Zürich musste seine Affenversuche abbrechen, obwohl die Wissenschaftler erklärten, dass die Tests für die Erforschung degenerativer Krankheiten unerlässlich sind. Die neuen verschärften Tierschutzbestimmungen der Schweiz stellen die „Würde der Tiere“ über den Erkenntnisgewinn.
Auf der anderen Seite können die allseits beliebten sanften Technologien durchaus unsanfte Folgen haben, ohne dass die Öffentlichkeit sich sonderlich erregt. Während die Bremer Affen zum heißen Wahlkampfthema werden, zerhacken Propeller seltene Vögel. Die Vogelschutzwarte Buckow sammelt Kadaver, die unter nordostdeutschen Windkraftanlagen entdeckt wurden. In fünf Jahren waren immerhin 25 Seeadler darunter – zufällige gefunden, ohne systematische Suche. Von einem anderen raren Greifvogelart, dem Rotmilan, registrierte Buckow seit Ende der neunziger Jahre über 80 Windkraftopfer. Doch irgendwie will dass keiner so genau wissen und die Vogelschützer sind überrascht, wenn mal ein Journalist anruft. Schließlich sterben die Vögel für eine sanfte Technologie. Und die Parkinsonkranken sollen gefälligst Bachblüten nehmen.