Vera Lengsfeld / 07.05.2022 / 11:00 / 29 / Seite ausdrucken

Und plötzlich ist man 70!

Ich habe in meinem Leben mehr Unterstützung, Solidarität und Liebe erfahren als Gegnerschaft, und dafür bin ich unendlich dankbar. Was die Zukunft betrifft: Die 7 ist eine Glückszahl, ich betrete also das glückliche Jahrzehnt.

Als ich 17 war, las ich in meinem Sibylle-Kosmetikbuch, dass man mit 17 beginnen müsse, wenn man mit 70 noch eine ansehnliche Dame sein will. Dieses Alter schien damals so weit weg wie ein anderes Universum, aber ich habe mir diesen Satz gemerkt und mich mehr oder weniger an die vorgeschlagenen Regeln gehalten. Ach ja, die Sybille war eine elegante Zeitschrift für Kultur und Mode, die ich heute noch vermisse, wenn ich die Blättchen sehe, die Frauen heute kaufen sollen.

Mit 35 war ich drauf und dran, meinen Geburtstag als die Mitte des Lebens zu feiern. Ein Freund brachte mich davon ab und ließ mich schwören, dass mir so ein Gedanke nie wieder in den Sinn kommt. Ich erinnere mich noch an sein Gesicht und seine roten Haare. Seinen Namen habe ich vergessen, aber ich bin ihm heute noch dankbar, besonders an meinem Geburtstag (dem 4. Mai), der hoffentlich nicht das Ende meines Lebens ist.

Kurz nach dem 35. folgten turbulente Jahre mit vielen Prüfungen, die ich offensichtlich bestanden habe. Seitdem haut mich nichts mehr um. Den 40. feierte ich in meinem aus den Grundmauern wieder auferstandenen Haus in Sondershausen, das für mich zum Lebensmittelpunkt geworden war.

Ich trauerte der Politik kein bisschen hinterher

Die neue Herausforderung bestand darin, als alleinerziehende Mutter Politikerin zu sein. Meines Wissens war ich die erste im Bundestag. Ich entschied mich, Hinterbänklerin zu bleiben und in den sitzungsfreien Wochen für meine Kinder da zu sein. Das funktionierte, auch wenn es jede Menge Probleme gab, denn damals gab es keinerlei Verständnis oder gar Rücksicht für solche Lebenssituationen. Etwa um diese Zeit las ich in der Bibel, das Leben gehe wie ein Geschwätz vorbei. Ich kann bestätigen, dass, je älter man wird, die Zeit immer schneller vergeht.

An meinem 50. bestieg ich den Ätna, der mich immer fasziniert hat, weil er noch aktiv ist. Ich wusste, meine Zeit als Politikerin geht zu Ende. Anders als die meisten Kollegen, wollte ich selbstbestimmt aufhören. Dass es dann schneller ging als geplant, lag an der Neuwahl, die Bundeskanzler Schröder nach drei Jahren ansetzte und daran, dass mein Wahlkreis zum dritten Mal aufgelöst wurde. Ich trauerte der Politik kein bisschen hinterher und startete sofort meine Karriere als Bloggerin.

Damit war ich erfolgreicher, als ich es mir je hätte vorstellen können. Meine Leserschaft schwankt zwischen 750.000 und 1 Million im Monat, nicht schlecht für ein Einfrau-Unternehmen. Das macht mich glücklich.

Kein bisschen lebensmüde

Ich gehöre nicht zu den Menschen, die meinen, die Welt verändern zu müssen. Ich wollte immer nur mein Erdendasein genießen. Das brachte mich in die Lage, mich gegen jene zur Wehr setzen zu müssen, die mich an diesem Genuss hindern wollen. Allerdings hatte ich mir nach der Friedlichen Revolution nicht vorgestellt, mich wieder gegen jene wehren zu müssen, die mir und uns allen ihre ideologischen Vorstellungen oktroyieren wollen.

Als Kind der glücklichen Generation, die über 70 Jahre keinen Krieg erleben musste, irritiert es mich, wie die Meinungsmacher mit der Möglichkeit des Dritten Weltkrieges spielen, als wäre es ein Video-Game.

Ich hatte nie Probleme mit meinem Alter, außer als es auf die 60 zuging. Aber am Morgen meines 60. schlug ich die Augen auf, fühlte mich wie immer und fragte mich, wieso ich vorher so nervös gewesen war.

Bei diesem runden Geburtstag bin ich eher philosophisch gestimmt. Ich denke an meine Eltern und meine Schwester, die keine Chance hatten, 70 zu werden. Ich denke an meine Großmutter, die schon lebensmüde war, als sie 70 wurde. Ich bin kein bisschen lebensmüde. Ich freue mich an jedem Tag über meine Enkel. Wenn ich den kleinen Aaron auf dem Arm trage, flüstere ich ihm ins Ohr, dass er stark werden muss für diese Welt, aber keine Angst haben soll.

Nimm Dich selbst nicht so wichtig

Leiden und Schmerz gehören zum Leben, gäbe es sie nicht, gäbe es auch keine Freude. Das wusste schon Goethe, als er an die Ilm ging, um ein nächtliches Bad zu nehmen: „Alles geben die Götter ihren Lieblingen ganz: die Freuden, die unendlichen, die Leiden, die unendlichen, ganz.“

Ich bin nicht gläubig, kann also nicht zu Gottes Lieblingen gehören, aber ich kann versichern, dass Goethes Feststellung im Kern auch auf Atheisten zutrifft. Darf ich noch eine Lebensweisheit hinzufügen? Nimm Dich selbst nicht so wichtig, das macht das Leben leichter.

Meine Omi war der Meinung, dass in der Welt einer des anderen Deibel, also Teufel, sei. Ich antwortete damals: „Aber Omi, die Welt ist schön, der Mensch ist gut, ausgenommen die Kapitalisten.“ Das war ein cooler Spruch aus dem Stück „Unterwegs“, eine Art sowjetisches Roadmovie.

Ich habe es anders erlebt. Ich habe in meinem Leben mehr Unterstützung, Solidarität und Liebe erfahren als Gegnerschaft, und dafür bin ich unendlich dankbar. Was die Zukunft betrifft: Die 7 ist eine Glückszahl, ich betrete also das glückliche Jahrzehnt und ich bin sehr froh und dankbar für alle, die mir über die Schwelle geholfen haben.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Vera Lengsfeld.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Dr. med. Jesko Matthes / 07.05.2022

Danke für alles und herzlichen Glückwunsch!

Frank Box / 07.05.2022

“Was die Zukunft betrifft: Die 7 ist eine Glückszahl, ich betrete also das glückliche Jahrzehnt.” - Werte Frau Lengsfeld, daran sollten Sie fest glauben! ♦ Es kann allerdings sein, dass Sie in ein paar Jahren dieses Land verlassen müssen, damit dieser Wunsch Wirklichkeit wird. Dazu sollten Sie sich rechtzeitig Vermögenswerte im (sicheren) Ausland schaffen. ♦ Es kann nämlich passieren, dass Öko-Republikflüchtlingen die Altersbezüge gekürzt, bzw. ganz gestrichen werden. Dass muss auch keine böse Absicht sein. - Bekanntlich scheitert der Sozialismus immer dann, wenn ihm das Geld anderer Leute ausgeht…

Ludwig Luhmann / 07.05.2022

@giesemann gerhard / 07.05.2022 - “Ein schleichender Prozess: So gab es im Jahre 2000 ca. 6 Milliarden Menschen, heute sind es ein Drittel mehr, mithin 8 Milliarden. Tendenz: 10 Milliarden bis 2050. Ein schönes Leben noch.”—- Das Narrativ, dass die Erde nur eine sehr begrenzte Zahl an Menschen ernähren könne, gibt es mindestens seit Malthus. Seitdem der Club of Rome* vor etwa 50 Jahren quasi die anstehende Apokalypse eingeläutet hat, konnte man wissen, dass hier gelogen wird. Denn diese Panikmache geht von den Leuten aus, die uns die Freiheit seit vielen Jahrzehnten begrenzen und rauben. Ich vermute, dass die Erde Dutzende Milliarden Menschen ernähren könnte. Aber die angstmachende Gehirnwäsche hat schon vor Generationen begonnen. Der Great Reset ist von langer Hand vorbereitet worden.—-* Der Club of Rome ist vor wenigen Jahren in die Schweiz umgezogen. Dort kann er besser mit dem WEF kooperieren. Im Juni 2019 haben die UNO und der WEF sich darauf geeinigt, die Agenda 2030 beschleunigt umzusetzen. Man sollte an dieser Stelle daran denken, wie sehr bestimmte Politiker die sog. “Pandemie” als Hilfs- und Beschleunigungsmittel begrüßt hatten. “Never let a crisis go to waste!” hieß es voller Begeisterung in den Etragen der sog. “Eliten”.

Renate Weiß / 07.05.2022

Liebe Frau Lengsfeld, zum neuen Lebensjahrzehnt wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute und hoffe, Sie bleiben uns noch lange erhalten. Ihre Beiträge lese ich immer gerne, wenngleich manches Mal mit innerem Widerspruch. Aber IMMER sind Ihre Beiträge ein Gewinn für mich und dafür danke ich Ihnen sehr. Das ist außergewöhnlich und auf der Achse würde ich kaum einem weiteren Autor (außer Dr. Gunter Frank) derartigen Tribut zollen. Die allerbesten Wünsche für Sie von Renate Weiß

giesemann gerhard / 07.05.2022

Mich hat es vorletztes Jahr erwischt - dankbär, dass man mich so lange leben ließ. Das kann nicht jede/r von sich sagen. Und es war ein Phase nach dem Krieg, wie sie wohl nicht mehr kommen wird. Allein die 70-Jahre, für mich das dritte Lebensjahrzehnt, Lehr- und Wanderjahre, wunderbar. Unsere Kinder werden noch eine Weile von ihrem Erbe, das ich ihnen hinterlassen werde, zehren können - aber denn ist Schluss. Die Zeiten mit Moslem werden hart sein, zum Glück hocken die Chinesen und die Inder am anderen Ende der Welt und rücken nicht auch noch ein - da wäre mir fast der Russe noch lieber, wenn es denn schon sein muss. Weil ja dann auch Russinnen kämen, ein echter Gewinn bei den Weibern hier. Ein weiteres Glück: Ich habe keine Enkel, hoffe, das bleibt so - denn DIE täten mir leid. Die Welt geht nicht unter, aber es wird enger, die Bombe tickt – schon lange, will nur keiner hören, “countrymeters/en” Es wird immer schwieriger, ein menschlich-angenehmes Leben zu führen. Ein schleichender Prozess: So gab es im Jahre 2000 ca. 6 Milliarden Menschen, heute sind es ein Drittel mehr, mithin 8 Milliarden. Tendenz: 10 Milliarden bis 2050. Ein schönes Leben noch.  

Hjalmar Kreutzer / 07.05.2022

Sehr verehrte Frau Lengsfeld, zunächst mal „ganz artig“ die allerbesten Wünsche zum Geburtstag, Gesundheit, Lebensfreude und Schaffensfreude für Ihre Leser. „Wie fühlt man sich so mit 40 / 50 / 60 / 70?“, so die häufige Standardfrage. „Ja, ähm, weiß auch nicht, auch nicht anders, als vorher?“, und das ist auch erst mal gut so. In der Rückschau kommt man dann darauf, was man alles überstanden und geschafft hat und muss nach ganz kritischer Selbsteinschätzung feststellen: „Eigentlich alles ganz gut gelaufen, oder?“ Ad multos annos!

Herbert Michels / 07.05.2022

Liebe Frau Lengsfeld, es freut mich und ich bin stolz, dass jemand wie Sie am gleichen Tag Geburtstag hat wie ich. Weiterhin alles Gute und viel Lebensfreude!

Karl Schmidt / 07.05.2022

Ich hoffe, Sie werden noch viele schöne Jahre haben. Ihr Mut, Ihre Tapferkeit und die Fähigkeit, sich nicht unterkriegen zu lassen, sind für viele Menschen inspirierend. Das zeugt von großer innerer Stärke, die sich auf mehr als nur einer Haltung gründet (die nur vor allem andere beeindrucken soll). Ihr politischer Instinkt, auch Ihre Erfahrung wird weiter gebraucht. Schön, dass Sie sich die Zeit nehmen, uns daran hin und wieder teilhaben zu lassen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Vera Lengsfeld / 21.04.2024 / 10:00 / 34

„Der General muss weg!” Der Fall Siegfried Buback

Als ich noch in der DDR eingemauert war, hielt ich die Bundesrepublik für einen Rechtsstaat und bewunderte ihren entschlossenen Umgang mit den RAF-Terroristen. Bis herauskam,…/ mehr

Vera Lengsfeld / 11.03.2024 / 16:00 / 20

Wie rettet man eine Demokratie?

Warum lässt die schweigende Mehrheit zu, dass unter dem Schlachtruf, die Demokratie und das Grundgesetz zu verteidigen, beides ausgehöhlt wird? Was man ganz einfach tun…/ mehr

Vera Lengsfeld / 10.03.2024 / 16:00 / 9

Eine Schulung im Denken

Denken ist ein Menschenrecht, aber wer beherrscht die Kunst des Denkens? Warum ist Propaganda so wirksam und für viele Menschen so schwer zu durchschauen? Volker…/ mehr

Vera Lengsfeld / 06.02.2024 / 12:00 / 38

Wie man Desinformation umstrickt – und noch schlimmer macht

Wenn man gewisse „Qualitätsmedien" der Fehlberichterstattung und Manipulation überführt, werden die inkriminierten Texte oft heimlich, still und leise umgeschrieben. Hier ein aktuelles Beispiel.  Auf diesem Blog…/ mehr

Vera Lengsfeld / 04.02.2024 / 15:00 / 20

Die Propaganda-Matrix

Die öffentlich-rechtlichen Medien und die etablierten Medien leiden unter Zuschauer- und Leserschwund, besitzen aber immer noch die Definitionsmacht. Das erleben wir gerade wieder mit einer Propaganda-Welle. …/ mehr

Vera Lengsfeld / 02.02.2024 / 06:05 / 125

Wie man eine Desinformation strickt

Am 30. Januar erschien bei „praxistipps.focus.de“ ein Stück mit dem Titel: „Werteunion Mitglied werden: Was bedeutet das?“ Hier geht es darum: Was davon kann man davon…/ mehr

Vera Lengsfeld / 06.01.2024 / 06:25 / 73

Tod eines Bundesanwalts

Als ich noch in der DDR eingemauert war, hielt ich die Bundesrepublik für einen Rechtsstaat und bewunderte ihren entschlossenen Umgang mit den RAF-Terroristen. Bis herauskam,…/ mehr

Vera Lengsfeld / 29.12.2023 / 13:00 / 17

FDP #AmpelAus – Abstimmung läuft noch drei Tage

Die momentane FDP-Führung hatte offenbar die grandiose Idee, die Mitgliederbefragung unter dem Radar über die Feiertage versanden zu lassen. Das Online-Votum in der FDP-Mitgliedschaft läuft…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com