Thilo Schneider / 16.10.2018 / 12:00 / Foto: Timo Raab / 53 / Seite ausdrucken

Und außerdem gibt es glutenfreie Kekse

So erwartet überraschend das Wahlergebnis in Bayern ist: Als Liberaler finde ich es wenigstens bemerkenswert, wenn nicht gar erstaunlich. Ganze 17,5 Prozent der Wähler haben sich in Bayern für ein „grün-ökologisch-nachhaltiges“ Programm „mit Herz statt Hetze“ entschieden. Betrachtet man sich die Wählerwanderungen, so haben die Grünen zu je rund 33 Prozent Stimmen von CSU, SPD und den Nichtwählern bekommen. Und ich frage mich, was dahintersteckt…

Bis in die 80er hörte man an den Stammtischen gerne den Spruch „wir bräuchten mal wieder so einen kleinen Hitler“, aber mit der CSU unter Franz-Josef Strauß war ja wenigstens ein ehemaliger Wehrmachtsoffizier in Bayern am Ruder und damit war Ruhe am rechten Rand.

Mittlerweile sind die 68er durchmarschiert und ich mutmaße, dass viele Wähler „mal wieder einen kleinen Che Guevara“ ersehnen. Einer, der sagt, wo es langgeht, gleichzeitig aber gut für das ruhige Gewissen auf dem politischen Schlummerkissen ist. Es ist aber auch kompliziert: So viele arme Menschen sind auf der Flucht, ein 2000 Jahre alter Wald soll einer Kohlegrube weichen, die wiederum letztlich das komplette Weltklima vergiften wird, wenn sie denn verbrannt wird, wodurch es noch weniger Einhörner und noch weniger Elfen geben wird, durch das Einatmen von Feinstaub aus schrecklichen Dieselmotoren sterben gleichzeitig die Menschen – vor allem in den Städten – wie die Fliegen im Winter und müssen außerdem manchmal husten, die Bienen sterben an Glyphosat und Landwirtschaft gleichzeitig, daneben schickt sich ein finsterer Mob an, vor der Feldherrnhalle aufzumarschieren, um die „Machtergreifung“ zu feiern, es ist alles schrecklich, es ist alles finster, es ist alles verloren und eigentlich ließe sich das ganze Elend des ökologischen Fußabdrucks nur dadurch beseitigen, dass die Menschheit kollektiv Selbstmord begeht. 

In diesem Elend, in dieser verzweifelten Situation, in der nicht einmal auf die Mülltrennung Verlass ist, tauchen die Grünen auf und sagen: „Komm! Ich nehme Dich an der Hand und führe Dich ins Paradies. Da, wo die Bienen summen, die Blumen blühen und der Wolf friedlich bei dem Lamme liegt. Das Gras unter Deinen Füßen wird weich sein und freundlich wird Dich der von Schmetterlingen umflatterte Baum grüßen, denn Ihr seid Eins in unserer Welt auf unserem Planeten.“ Und außerdem gibt es glutenfreie Kekse für Männer in Frauenkörpern, die Männer und Frauen lieben. Wer, wenn er noch einen Funken Resthirn hat, könnte da nicht widerstehen? Also immerhin die Mehrheit. Aber mittlerweile zu wenige, als dass Katharina „die Unsägliche“  Schulze nicht von Mikrofon zu Mikrofon tingeln und „alte weiße Männer hassen“ könnte.

Heil bei Anton Hofreiters „Freundinnen und Freunden“

Ich glaube, die eigentlichen „besorgten Bürger“ finden sich weniger in der AfD als bei den Grünen. Wie oben ausgeführt gibt es ja auch eine ganze Menge Dinge, um die sie sich sorgen können und in denen sie ihr Heil bei Anton Hofreiters „Freundinnen und Freunden“ suchen. Zu gerne möchte ich als Liberaler diesen Menschen zurufen: „Du willst keinen Diesel? Dann kauf keinen! Du willst kein Chlorhühnchen? Dann kauf keines! Du willst kein Plastik? Geh zum Biobauern! Du willst einen schmalen ökologischen Fußabdruck? Mach Urlaub auf dem Balkon!“

Aber darum geht es ja nicht. Oder nicht nur. Ich unterstelle, dass die 17,5 Prozent „Nachhaltigkeitswähler“ sich sogar tatsächlich bemühen, ideologisch und ökologisch einwandfrei zu leben. Ich merke ja, wie viele Leute mir in falscher Richtung in der Einbahnstraße mit dem Fahrrad entgegenkommen, den Stoffbeutel mit den Einkäufen vom Wochen- oder Supermarkt am Lenker. Deren Problem ist doch, dass es 82,5 Prozent aller Menschen ihrer Ansicht nach nicht tun.

Und nachdem die das nicht freiwillig tun, muss man sie eben dazu zwingen. In einer Diktatur geht das einwandfrei, in einer Demokratie funktioniert das über Mehrheiten und Medien und Beeinflussung. Bis es eben eine „Diktatur mit herzlichem Antlitz“ gibt, in der es sich wohlig in die Naturwolle von glücklichen Schafen einkuscheln und auf alle losgehen lässt, die die eigene, weltrettende Ideologie nicht teilen mögen. Auf dass diese Klimaleugner, Faschisten, Umweltverschmutzer, Egoisten und Kapitalisten im Namen von Natur, Umwelt und Nächstenliebe „so irgendwie umerzogen werden und so, wenn Du verstehst, was ich meine…“.  Da wird es noch ganz viel Liebe und Aggressionspotential geben. 

Ich will jetzt nicht 17,5 Prozent aller bayerischen Wähler beschimpfen – ich mach´s aber doch. Es hilft ja nichts.  Die Klientel der Be-, Ent- und Versorgtbürger sieht sich bei den anderen Parteien schlicht nicht vertreten. Da gibt es nur Pragmatismus und „Hirn statt Herzen“. Sicher hätten sie auch gerne schnelles Internet und bessere Bildung, aber erst, wenn irgendjemand ihren Müll im Hambacher Forst weggeräumt hat. Man muss da Prioritäten setzen. Das Netz speichert ja auch den Strom und E-Autos verbrauchen kein CO2. 

Vermutlich wird die CSU mit ihrem rechten Flügel – den feiernden Wählern (kein Schreibfehler) – koalieren. Das ist jetzt nicht unbedingt das Schlechteste und Bayern ist an irgendeinem Punkt auf der ökonomischen Landkarte sowieso unkaputtbar, aber der Prozentsatz der Angstwähler und -beißer nimmt in Bayern tatsächlich zu. Und hat mit 17,5 Prozent einen wahrhaft traurigen Höhepunkt erreicht. Es bleibt nur zu hoffen, dass diese 17,5 Prozent Wahlergebnis eine Modeerscheinung bleiben. Wie der sonstige „Hello Kitty-Kathi“-Klimbim auch. Grönemeyer knödelte einst „Kinder an die Macht“. Das war am Sonntagabend in Bayern schon denkbar knapp.

Aus welchem Material waren eigentlich die Konfetti, die am Wahlabend aus der Konfetti-Kanone der grünen Wahlparty flogen? 

Foto: Timo Raab

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Andreas Rochow / 16.10.2018

Wichtige Anmerkung am Rande: Als “Knödeln”, ist die Marke linker Klassenkampf des mutigen Konstantin Wecker gesetzt. Für Grönemeyers Lyrikstil gilt der Begriff “Gröhlen”, auch “Allzweckgröhlen”. Dass man für “Revolutionen” vom Staat angeheuert wird, haben sich die beiden Propagandabarden am Anfang ihrer Karriere nicht träumen lassen. Sie werden es ddmnächst auch nicht mehr wissen wollen, vor welchen Karren sie sich haben spannen lassen.

Walter Kobert / 16.10.2018

Ich verstehe nicht warum so viele überrascht sind. Die SPD hat 10% verloren davon sind die Meisten zu den Grünen. Was übrig bleibt sind 27% linksgrüne Parteien (bisschen weniger als bisher) die in den Landtag gewählt wurden und über 60% liberal und oder konservative Parteien. (deutlich mehr als bisher) Das ist ein absolut bayerisches Ergebnis und nicht im Geringsten überraschend. Hätten wir eine starke selbstbewusste CSU wie unter Strauß würden wir uns jetzt alle beglückwünschen und auf konservative fünf Jahre freuen.

Joachim Lucas / 16.10.2018

Katharina die Kleine und Antonie Hofreiter würden die Leute am Ende zu Tode knuddeln, wenn sie es könnten. Schon der “Wohlfahrtsausschuss” der Jakobiner wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als die Leute zu Reinheit, Tugend und Toleranz (gegenüber den eigenen Einsichten) durch die Ehre des scharfen Stahls zu erziehen. Beginnen könnte man mit weißwurstfreien und ökoalhoholfreien Besinnungstagen in Biergärten; jedenfalls die Ermahnungen und Glaubensvorschriften werden nimmer enden, bis am Tage des Lichts alle gleichgeschaltet essen, denken und - heucheln. Was sind schon 87,5% gegen 17,5% wahre Erkennntnis zur Welterrettung?

Joe Haeusler / 16.10.2018

Unser aller Lieblings-Claudi meinte anlässlich der Wahl , dass Bayern mehr Empathie denn Technokratie bräuche. Da wissen wir nun, was zukünftig den relativen bayerischen Wohlstand sichert.

August Klose / 16.10.2018

“...unter Franz-Josef Strauß war ja wenigstens ein ehemaliger Wehrmachtsoffizier in Bayern am Ruder und damit war Ruhe am rechten Rand.” Nicht ganz so erfolgreich war SS-Brigadeführer und Goebbelsreferent Werner Naumann, FDP-Mitglied und guter Freund von Friedrich Middelhauve, Mitglied im FDP-Bundesvorstand bis so 1956. Die FDP wurde Gott sei Dank rechtzeitig von den Briten geläutert. Haben wir ein Glück, erst nach dieser Sch…zeit geboren wurden zu sein, nicht Herr Schneider?

Martin Landvoigt / 16.10.2018

Ich bin überrascht, dass Thilo Schneider eine Artikel ohne AfD Bashing veröffentlicht. Das ist fast so bemerkenswert wie der Wahlsieg der CSU.

C. Bauer / 16.10.2018

Danke für diesen kritischen Artikel zur Wahl in Bayern unter der Beleuchtung der Grünen. Es geht doch auch so Herr Schneider :) Ich teile Ihre Auffassung. Viele Menschen sind eben naiv und wünschen sich ein “grünes multi- kulti Paradis”. Diesen Menschen empfehle ich regelmäßig die Emigration in die USA… Da gibt es multi-kulti bis zum Umfallen. Meiner Meinung nach hat sich die Wählerquote der Grünen u.a., insbesondere in Bayern, deshalb so erhöht, weil viel Zuzug aus dem Norden nach Bayern kommt und viele Menschen sich von dem Gerede des “menschengemachten Klimawandels” verwirren lassen. Wer will schon Fakten hören, zur Kenntnis nehmen und dementsprechend handeln, wenn er auch einfach einer wundervollen Heilewelt-Utopie folgen kann?

Margit Broetz / 16.10.2018

Das Problem war schon immer, die meisten Menschen können nicht bis drei zählen (etwas zuende denken). Niemand verachtet oder ignoriert Mülltrennung so, wie gläubige Muslime. Seh ich an jeder Mülltonne, in jedem Stadtpark, wo immer ich Muslime sehe. Aber offenbar gibt’s in Bayern noch zuviel grüne Wiese.

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