Steffen Meltzer, Gastautor / 25.04.2022 / 14:00 / Foto: Pixabay / 30 / Seite ausdrucken

Überforderte Tafeln

Deutschlands Medien berichten, dass die Tafeln die vielen Bedürftigen nicht mehr ausreichend versorgen können. Die neuen und alten Probleme müssten eigentlich bekannt sein. Außer man ist in Bullerbü zu Hause... oder in Potsdam.

Auch in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam reichen die gespendeten Lebensmittel nicht mehr für alle aus. Ein Nachspiel, das ein altbekanntes Vorspiel hat. Mir war die Tafel mit ihren vielen fleißigen Mitarbeitern ziemlich gut bekannt. Da ein Anteil der Wartenden immer aggressiver auftrat, wurden an Ort und Stelle mit jeder Schicht Verhaltenstrainings durchgeführt. Die ansteigende Tendenz der unschönen Auseinandersetzungen muss bei den Verantwortlichen und Mitarbeitern einen teilweise beängstigenden Eindruck hinterlassen haben. Ich erhielt damals als Sicherheitstrainer den Auftrag, dort mal sehr genau hinzuschauen und mit den Mitarbeitern ein „Deeskalationstraining" durchzuführen. 

Das erste Mal kam ich Ende Februar 2018 ins Staunen, als ich etwa anderthalb Jahre nach den ergriffenen Akut-Maßnahmen einen ZDF-Beitrag über die Potsdamer Tafel sah. Diese wurde als positives Gegenbeispiel zur Essener Tafel angepriesen. Zur Erinnerung: Die Essener hatten einen zeitweiligen Aufnahmestopp für Personen ohne deutschen Pass angeordnet. Vereinschef Jörg Sartor berichtete, die deutsche Oma und die Alleinerziehende hätten sich „zuletzt unwohl gefühlt durch die zunehmende Zahl ausländischer Männer". Teilweise sei es zu Drängeleien gekommen.

Das ZDF ging deshalb in Potsdam gezielt der Frage nach, ob durch anstehende Migranten ebenso wie in Essen die Aggressionen zugenommen hätten. Der Tenor der Sendung: Von Sicherheitsbedenken könne keine Rede sein, hier ginge alles friedlich und geordnet zu. Die Lebensmittel reichten für alle aus. Der Moderator der Sendung und die zusammengeschnittenen Aufnahmen verstärkten im Gleichklang diese Aussagen. Der Beitrag wurde daraufhin auch in der ARD gesendet. Die umfangreichen praktischen Zustandsbeschreibungen der Mitarbeiter, die auch viele Beispiele enthielten, und meine eigenen Beobachtungen hingegen sagten etwas ganz anderes. 

Und damit sind wir im Jahr 2022. An überlaufenen Essensstellen, in denen Mangel herrscht, geht es selten vornehm zu, sondern vorzugsweise mit Lautstärke, Ellenbogen und Ganzkörpereinsatz. Die Lokalzeitung Potsdamer Neueste Nachrichten (PNN) schreibt:

„Zusätzlich zu den 1.200 regulären Kunden pro Woche versorgt die Tafel mittlerweile auch 1.400 Geflüchtete aus der Ukraine, sagte Tafel-Geschäftsführerin Imke Eisenblätter den PNN. Das sei deutlich mehr als 2015, als viele Kriegsflüchtlinge aus Syrien in Potsdam aufgenommen wurden. Erschwerend kommt hinzu, dass derzeit wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise auch mehr Rentner und Hartz-IV-Empfänger Hilfe suchten: Zehn bis 20 neue Tafel-Kunden seien das pro Woche.“

Rutschen einheimische Rentner ins Sekundäre ab?

Beim Lesen dieser Zeilen rieb ich mir die Augen. Die Ursprungsidee der Tafeln war, benachteiligten Menschen gleichrangig mit (fast) kostenlosen Lebensmitteln auszuhelfen, die Unternehmen spendieren. Ich konnte die Vorgänge mitten im Hochbetrieb verfolgen. Viele ehrenamtliche und fleißige Helfer sorgen dafür, dass jeder Berechtigte, der den Eingang betreten hat, gleichrangig behandelt wird, seine ersehnten Waren erhält und zufrieden nach Hause gehen kann. Keiner wird bevorzugt oder benachteiligt, unabhängig von seinem Alter, Geschlecht oder Nationalität. 

Nun sind zu den 1.200 regulären Kunden noch einmal 1.400 Geflüchtete aus der Ukraine hinzugekommen. Unkontrollierte Grenzen und Einreisende führen dazu, dass über die tatsächlich eintreffenden Flüchtlinge und deren Aufenthaltsort niemand einen genauen Überblick hat. Dann müssen gemeinnützige Organisationen wie die Tafeln für deren Verpflegung zusätzliche und kostenlose staatliche Aufgaben übernehmen, für die eigentlich Kommunen und Länder zuständig sind.

Als skandalös darf man Formulierungen in der Lokalzeitung empfinden, wenn ausgerechnet Potsdamer Rentner und Hartz-IV-Empfänger als „erschwerend“ empfunden werden. Es darf neben einem Organisationsversagen nicht passieren, dass einheimische Rentner und Sozialempfänger gegenüber Flüchtlingen ins Sekundäre abrutschen. 

Bedürftige dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden

Inzwischen hat die Stadt Potsdam zwei Verpflegungszelte des Technischen Hilfswerks als Provisorium aufgestellt. Allerdings erst wegen eines Hilferufes der Potsdamer Tafel. Es gibt Suppen, Essenspakete und Obst. Die Lokalpresse berichtet: „Dort war der Andrang zum Start 12 Uhr überschaubar, eine ehrenamtliche Übersetzerin der Tafel half beim Begrüßen der Gäste.“ 

Die Dezernentin Brigitte Meier sagte: „Das Angebot richtet sich insbesondere an Geflüchtete, die in ihrer Unterkunft keine Möglichkeit zum Kochen haben oder denen das Geld fehlt, weil sie noch keine Hilfe zum Beispiel über das Asylbewerberleistungsgesetz bekommen“. Natürlich müssen die Vertriebenen aus der Ukraine ausreichend versorgt werden. Ehrensache. Das sollte normalerweise für ein so reiches Land wie Deutschland kein größeres Problem darstellen, ist es aber doch, wie man sieht. Die Versorgung darf jedoch nicht auf Kosten der armen „Menschen, die schon länger hier leben“ gehen, egal ob Deutsche oder Migranten. 

Bedürftige dürfen dabei nicht gegeneinander ausgespielt werden, das produziert vermeidbare Aggressionen. Flüchtlinge haben in Deutschland eine Lobby, Obdachlose und Hartz-IV-Empfänger dagegen nicht. Während registrierte Kunden bei der Potsdamer Tafel einen Unkostenbeitrag von zwei Euro pro Monat zahlen mussten, wird diese Summe von den Ukrainern nicht verlangt (es sei ihnen ausdrücklich gegönnt). Solche tatsächlichen oder vermeintlichen Petitessen sind für die Betroffenen aber oft keine Kleinigkeiten, sondern werden als diskriminierend empfunden. Zwei Euro können den sozialen Frieden kosten, wenn man nichts mehr besitzt. 

Die Politik sorgt zuverlässig dafür, dass Deutschlands Tafeln weiterhin einem dramatischen Zu- und Überlauf ausgesetzt sind. Die PNN schreiben: „Der heimische Energieversorger Energie und Wasser Potsdam verschickt derzeit Schreiben, in denen eine Erhöhung des Preises pro Kilowattstunde um bis zu 65 Prozent angekündigt wird. Einen Singlehaushalt mit 1.500 Kilowattstunden Jahresverbrauch belastet das auf zwölf Monate gerechnet mit rund 270 Euro mehr. Eine Familie mit 4.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch käme auf 720 Euro Mehrkosten im Jahr.“ 

Wenn auch noch die Treibstoffkosten, die Beträge für Heizwärme und dergleichen stark ansteigen, erhöhen sich auch die Preise für die Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs. Die Inflation galoppiert. Es geht ans Ersparte, sofern vorhanden. In der Folge gibt es immer mehr Bedürftige und immer weniger Unternehmen, die es sich leisten können, kostenlos Lebensmittel zu spenden. 

 

Steffen Meltzer ist Buchautor von „Ratgeber Gefahrenabwehr: Wie Sie Gewalt- und Alltagskriminalität in der Gesellschaft begegnen“. Zuletzt erschien von ihm „Die hysterische Republik“ von Steffen Meltzer (Hrsg.), 2021, Potsdam: Ehrenverlag. Hier bestellbar.

Foto: Pixabay

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R. Reger / 25.04.2022

Natürlich werden die verschiedenen Nutzergruppen gegeneinander ausgespielt. Das lässt sich doch garnicht vermeiden. “Die Ursprungsidee der Tafeln war, benachteiligten Menschen gleichrangig mit (fast) kostenlosen Lebensmitteln auszuhelfen, die Unternehmen spendieren”. Das ist richtig. Für massenhaftes Staatsversagen sind Tafeln überhaupt nicht ausgelegt. Die Schwächsten bleiben unweigerlich auf der Strecke. Flüchtlinge missbrauchen die Tafel für eine schnelle Extramahlzeit nebenher, während Obdachlose und Eltern/Kinder aus prekären deutschen Haushalten erst garnicht in den Dunstbereich der Tafeln vorgelassen werden. Wer solche Vorgänge beobachtet wundert sich nicht, wie schnell Politik auf dem Rücken der Armen zu echten Konflikten führen kann.

Arne Ausländer / 25.04.2022

Wenn es weiter nach Plan geht, halbwegs zumindest, dann ist das alles erst der recht harmlose Anfang des Elends, das uns in den nächsten Jahren erwartet. Angesichts der vielen freiwilligen Maskenträger zweifle ich, daß wir dies mehr als bestenfalls etwas bremsen können. Zu viel Selbstverblödung, zu viele willige Mitläufer, Mittäter. Weil die nicht begreifen (wollen), was gespielt wird, werden wir mit hinuntergezogen. Die zu bekämpfen würde aber wenig ändern. Würde eher das erwünschte Chaos vergrößern. An die Urheber kommen wir nicht heran. Jene zu ignorieren wäre möglich und würde die Pläne stoppen. Das scheitert aber an den allzu vielen willigen Idioten. Ein teuflisches Spiel. Genauso ist es gedacht.

H.Wess / 25.04.2022

Ach…. doch, amerikanische Verhältnisse…. im besten Deutschland aller Zeiten! Schaltet endlich den Strom ab… dann reguliert sich alles… und die “Besetzer” dürfen wieder für “Recht & Ordnung” sorgen! Es ist Ausdrücklich untersagt Hilfsbedürftige Menschen fremder Wurzeln in Deutschland zu benachteiligen, außer es handelt sich um die eigene Bevölkerung. Was isst der Deutsche auch immer so gierig!

Sara Stern / 25.04.2022

Hoffentlich ziehen weiter Millionen Flüchtlinge nach Deutschland, damit sich die Mentalität im Lande vom Untertanentum hin zu Stärke entwickelt. Die jüngere Generation Deutscher macht sich zum Glück nichts aus Feminismus und sozialisiert sich patriachal geprägt. Warum die Deutsche Natur so wiederwärtig ist? Weil sie fürs virtue signaling selbst die schwächsten der eigenen Leute schlechter als den fernsten wohlhabendsten Fremden behandeln. Daher hat die Deutsche Kultur auch nicht wirklich das Überleben verdient und wird hoffentlich irgendwann durch individuelle regionale Konzepte ersetzt. Eine Zerschlagung des gesamten Landes und aufteilung an die Nachbarländer wäre tatsächlich auch im Interesse der indigenen Deutschen, da sie so die Deutschenfeindliche Regierung loswerden würden.

Oliver König / 25.04.2022

Geliefert wie bestellt. Alles bestens.

Walter Weimar / 25.04.2022

Ziel der Politik war es schon immer die Menschen gegeneinander auszuspielen. sonst brauchten wir keine Blockwarte, Denuzianten und Melder aller Art im Lande. Je weniger die Menschen haben, wird ihnen selbst das Hartz-Vier-Geld mitunter nicht mal gegönnt. dafür wird dann in ein fremdes Land zur Gewisensberühigung gespendet.

Harald Unger / 25.04.2022

Zur Erinnerung: “Im Jahr 2030 wirst du nichts besitzen, keine Privatsphäre haben und glücklich sein” (WEF). Wir sind auf einem guten Weg, voll im Zeitplan. Also aus Sicht unsere Zurichter & Abdecker. Selber habe ich die Zeit seit dem Todestag der Bundesrepublik, dem 04.09.‘15 genutzt, mich von dem, was Deutschland einmal war und noch hätte sein können, zu verabschieden. Die große Mehrheit der Geimpften hingegen, wird der 4. Deutsche Totalzusammenbruch der Zeitgeschichte “plötzlich und unerwartet überraschen” (Klaus Schwab). Wobei diesmal keine Sieger aus dem gleichen Kulturraum bereitstehen, zu übernehmen. Was dann einsetzt, davon gibt der Bericht von Steffen Meltzer einen kleinen ‘Vorgeschmack’. Wenn Michel un sin Fru Sugarmama gar nicht verstehen können, weshalb bei der 110 keiner mehr abhebt.

Steffen Huebner / 25.04.2022

Die Alten, die keine Pensionen beziehen, können leider nichts mehr dagegen tun. Die müssen die Tafeln nehmen, wie sie sind, denn sie sind überflüssig, kosten nur Geld, werden nicht mehr vom Staat gebraucht und sollen deshalb ja auch bevorzugt als vulnerable Gruppe “geboostert” werden. Die Jugend kann dem aber vorbeugen: Wer nicht in den Schlamm, wo er am dicksten ist, hineinspringen und eine Parteibuch- Kariere als Sülzer bei den Altparteien anstrebt, um später eine reichliche Pension zu beziehen, sondern einen ehrenwerten wertschaffenden Beruf erlernt, sollte nach Abschluss desselben sofort in ein Land seiner Wahl wechseln, ehe die Einzahlungen in das deutsche Sozial- und Steuersystem beginnen. Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott! Außerdem sind die Oligarchen überall gleich.

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