Anabel Schunke / 06.02.2020 / 11:12 / Foto: Achgut.com / 100 / Seite ausdrucken

Thüringen und die Methode, dem Idioten Würde zu verleihen

Es dauerte nicht lange, bis auf den „Dammbruch“ der „Kulturbruch“ und anschließend der „Tabubruch“ folgte. Jan Fleischhauer twitterte, dass sich der Niedergang des Journalismus auch in dem „phrasenhaften Überbietungswettbewerb“ zeige, der in Wahrheit eine „furchtbare Sprachunfähigkeit“ offenbare. Wenn die Journalisten genau so klingen wie die Politiker, liefe etwas schief. Folgerichtig dauerte es nicht lange, bis sich mit Georg Restle und ZDF-Chefredakteur Peter Frey in Bezug auf die Wahl in Thüringen die ersten Medienvertreter nicht entblödeten, von der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz und einer „Endstation Buchenwald“ zu fabulieren. Wo in Deutschland nicht im Sinne des linkslastigen Polit-Establishments entschieden wird, ist der Holocaust eben nicht weit. Bei so viel Geschichtsverharmlosung wundert man sich dann auch nicht mehr über den freidrehenden Spiegel, der etwas von einem ersten AFD-Ministerpräsidenten schreibt, den es nicht gibt. Im Kampf gegen das Böse erscheint auch die Methode Relotius wieder legitim. 

Die Sorge scheint jedoch nicht unbegründet. Am Abend ziehen die ersten Fackelzüge durch Thüringen. Okay, nicht ganz. Es sind linke Demonstranten, die, ähnlich wie Linken-Chefin Henning-Willsow, das Prinzip der parlamentarischen Demokratie noch nicht ganz begriffen zu haben scheinen.

Viel erschreckender als das übliche Geschrei aus dem linksextremen Lager, das sich bereits gestern für ein paar Drohanrufe bei Thomas Kemmerich nicht zu schade war, sind die Reaktionen der CDU/CSU-Spitze und Teilen der FDP-Führung. Statt die Wahl in Thüringen als Chance für eine neue bürgerliche Politik zu begreifen, lässt man sich abermals vom linken Juste Milieu und seinen Vertretern in den Medien am Nasenring durch die Polit-Manege ziehen. Mut, die Dinge auch einmal gegen den üblich gewordenen linken Widerstand durchzuziehen, existiert schon lange nicht mehr. Und weil man darum weiß, wirft man sich als Linker abermals mit Freude wie ein kleines bockiges Kind auf den Boden. 

Von mir aus soll es Neuwahlen geben. Sie werden der AfD in Thüringen weitere Prozentpunkte bescheren. Anscheinend will man es so. Ist es doch genau jener Umgang mit den Rechtspopulisten, diese antidemokratische Hysterie der Medien und etablierten Parteien, die der AfD ihre Trotz- und Protestwähler einbringt. Statt die Blauen links liegen zu lassen (eine Koalition mit ihr wird es ohnehin nicht geben) und die Chance zu nutzen, in Regierungsverantwortung gute bürgerliche Politik zu betreiben, bestärkt man sie in ihrem Opferstatus. Durch den Unwillen der Altparteien, eine Kursänderung vorzunehmen, bestätigt man ihre Wähler in der wahrgenommenen Alternativlosigkeit. Besser hätte es für Höcke und seine Parteikollegen in Thüringen nicht laufen können. Ihre Wähler werden das Kreuz beim nächsten Mal noch etwas fester machen, während Neue, die auch genervt von diesem Theater sind, dazukommen. 

Ignoranz, die für viele Wähler mittlerweile unerklärlich ist

Wer bis heute nicht begriffen hat, dass die AfD in erster Linie eine Anti-Establishment-Bewegung ist, der hat es nicht anders verdient. Feststeht: Die wirksamste Methode gegen diese Partei wäre gute konservative und liberale Politik. Aber das erscheint den getriebenen Führungsspitzen der Etablierten als Lösung offenbar zu abgefahren. So lange man dies nicht begreift, wird man den Erfolg der AfD jedoch nicht eindämmen. Man wird ihn mit der eigenen Ignoranz nur weiter befeuern.

Diese Ignoranz, die für viele Wähler mittlerweile unerklärlich ist, hat ihre Ursachen zuvorderst in einer betriebsblinden Polit-Elite, die sich nur noch auf das verlässt, was medial als Mehrheitsmeinung suggeriert wird. Das Problem ist, dass es in Deutschland mittlerweile eine erhebliche Kluft zwischen suggerierter Mehrheitsmeinung und tatsächlicher Mehrheitsmeinung gibt.

Die suggerierte ergibt sich aus dem, was man im engen öffentlichen Meinungskorridor ohne großen Mut sagen darf. Die tatsächliche aus dem, was die Verfechter der Political Correctness zwar unterdrückt wissen wollen, als Meinung aber dennoch nicht verschwindet. Der Erfolg der AfD, die sich daraus ergebende Zwickmühle für die Altparteien, irgendwie mit ihr umgehen zu müssen, resultiert unmittelbar aus dieser Diskrepanz zwischen der suggerierten und der tatsächlichen Meinung. Es sind ihre Wähler, die diese Dissonanz am wenigsten aushalten und – ob nachvollziehbar oder nicht – zur Überzeugung gelangt sind, dass es mitunter eines sehr rechten Korrektivs zur linken Übermacht bedarf, damit Deutschland politisch irgendwann wieder in der Mitte landet. 

Genau dieser Plan ging gestern in Thüringen auf. Als die Wahl zwischen einem linksaußen- und einem rechtsaußen-Ministerpräsidenten lag, wählten CDU und FDP einen Kandidaten der Mitte. Wem das nicht passt, weil die Stimmen mitunter aus der „falschen“ Ecke kamen, der offenbart eigentlich nur etwas über sich selbst: Dass er das Extreme der Mitte vorzieht. 

Der Journalist, der nach einer Entschuldigung verlangt

Und so ist es wohl nicht der Wähler, vor dem sich FDP und CDU laut hiesigen Medienvertretern erklären müssen, sondern der Journalist, der nach einer Entschuldigung dafür verlangt, dass man gegen seinen Willen agiert hat. 

Dabei sollte gerade die Presse mit nüchternen, sachlichen Analysen ein Gegengewicht zur öffentlichen Hysterie und bisweilen grotesker Geschichtsverharmlosung linker Akteure in den sozialen Netzwerken und auf der Straße bilden. Nach solchen Analysen sucht man in Deutschland am gestrigen Tage jedoch vergebens. Dass man wieder einmal bis in die Schweiz schauen muss, um fündig zu werden, zeigt: Wer bis dato immer noch davon ausging, dass wir über eine zumindest in Teilen ausgewogene und um seriöse/sachliche Berichterstattung bemühte Presselandschaft verfügen, wurde erneut eines Besseren belehrt. 

Die AfD wird all das nicht aufhalten. Im Gegenteil. Aber wer glaubt, dass ein paar Stimmen dieser Partei für einen Ministerpräsidenten der FDP für ein Viertes Reich mitsamt eines erneuten Holocaust ausreichen, der scheint ohnehin nicht sonderlich überzeugt von der Demokratie, der Gesellschaft in diesem Land und dem eigenen Kampf gegen faschistische Kräfte zu sein. Und so lässt sich das, was wir gestern und in den nächsten Tagen noch erleben werden, einmal mehr vor allem unter linker Selbsttherapie verbuchen. 

Fest steht: Es gibt den Verantwortungsethiker, der auf die Konsequenz politischer Entscheidungen abzielt und den Gesinnungsethiker, dem es um die „gute“ Absicht, die vermeintliche Moral hinter der Sache geht. In Thüringen haben sich FDP und CDU für die Verantwortung entschieden. Man kann nur hoffen, dass sie trotz aller Widerstände dabei bleiben. Denn wie sagte der kanadische Philosoph Marshall McLuhan einst so schön über die Moral: Eine Methode, dem Idioten Würde zu verleihen.

Foto: Achgut.com

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Martin Stumpp / 06.02.2020

Der Unterschied zwischen der suggerierter Mehrheitsmeinung und tatsächlicher Mehrheitsmeinung ist der Unterschied zwischen Wunsch in Wirklichkeit. So einfach ist die Welt in diesem Fall.

Martin Landvoigt / 06.02.2020

Es gehört schon eine seltsame Chuzpe dazu, wenn ein Ministerpräsident von den Volksvertretern korrekt gewählt wurde, eine Revision zu verlangen. Es ist der Selbstmord der FDP, die hier öffentlich zelebriert wurde: Wer will diesen noch einen politischen Gestaltungswillen abnehmen, wenn sie sich ohne Not in die Geiselhaft der linken Blockparteien begeben haben. Was wurde ihnen dafür als Gegenleistung versprochen? Nichts? Dann wären sie nicht nur zahn- und rückgratlos, sondern auch strunzdumm. Wer kann die dann noch wählen?

Michael Elicker / 06.02.2020

Hallo Frau Shrey, es kann doch durchaus sein, dass manche Menschen besser schreiben als eloquent in eine Kamera sprechen können. Warum sollte Frau Schunke ihren Namen und ihr Gesicht für das hergeben, was Sie hier unterstellen?

Sabine Schönfelder / 06.02.2020

Sibille@ Shrey, es sind nicht alle Ihre Geschlechtsgenossinnen von solch überzeugender Einfalt beseelt wie Sie. Tragen Sie es mit Fassung. Frau Schunke ist kein Teenager mehr, sondern eine Frau in Topform, in ihren besten Jahren, frisch und intelligent. Das hat nur insofern etwas mit der AFD zu tun, als daß sich in dieser Partei, nach deren Programm zu urteilen, die clevereren Deutschen befinden. Falls Sie jemals in die Stimmung kommen sollten, einer Partei beizutreten, darf ich Ihnen die eher schlichteren Grünen oder Roten empfehlen. Sie wissen: Gleich und gleich gesellt sich gern!

Klaus Herbert FRITZ / 06.02.2020

Verehrte Frau Anabel Schunkel mit dem Ausdruck ...“dem Idioten Würde zu verleihen” verheissen Sie nichts Gutes für die Situation in Thüringen. Tatsächlich ist nicht ganz klar, ob die parlamentarische Demokratie zuerst zum Idioten herabgewürdigt worden ist, um ihr dann mittels einer medialen Narrenkappe “Würde” zu verleihen, Indem man Abstimmungen/Kanditatenkür nur akzeptiert, wenn der mediale Mainstream damit irgendwie einverstanden ist. Ja wenn die Politiker wie weiland die Leierkastenäffchen hüpfend hinter den immer die gleiche Melodie herunterleiernden Medienleierkasten-Kurbelakteuren mitziehen, könnte sich der Begriff vervielfältigen, haben wir doch verschiedene Parteien mit ihren vielfältigen, manchesmal einfältigen Akteuren. Jedenfalls ist der AFD ein Coup gelungen, der die Geister vieler Politiker offenbar werden lässt, um die Bibel zur Feststellung dieser Tatsache zu bemühen. Sollten die nun angestrebten Neu- wahlen ähnliche Klarheiten wie die in Großbritannien unter Johnson herbei führen, wäre dem Idioten nicht nur Würde, sondern auch ein Krönlein verpaßt worden, Zur Genugtuung vieler zum Schweigen gebrachter Zaungäste.

Karl-Heinz Vonderstein / 06.02.2020

Deutschland könnte erneut daran scheitern, wie am Ende der Weimarer Republik, dass es zu wenig echte Demokraten gibt.Aber nicht aus den selben Gründen wie damals und nicht mit den selben fatalen Konsequenzen.Nein, Deutschland oder besser, die etablierte deutsche Politik und seine linksliberalen Medien zerstören die deutsche Demokratie, indem man demokratische Spielregeln und Grundbedingungen opfert, die für eine funktionierende Demokratie unerlässlich sind, um größenwahnsinnige Ziele erreichen und Andersdenkende mundtot machen zu können.Dabei geht man sogar einen Pakt mit Linksextremen und Islamisten ein, weil man diese braucht im Kampf gegen den, wie man meint, schlimmsten Feind unserer demokratischen Grundordnung, den Rechtspopulisten und Rechtsextremen.Dies führt dazu, dass unser Land islamisiert wird und Linksextreme das unterstützen werden.

willi müller / 06.02.2020

Sybille Eden, Sie glauben “nur die AfD kann dieses Land noch retten”??? Nennen Sie mir einen AfD-Politiker, der in der Lage ist, einen guten Politiker zu spielen??? Auch Sie werden keinen einzigen finden, der in der Lage ist, rhetorisch die sachlichen Notwendigkeiten so zu vermitteln, dass sein Programm von Fachleuten und dem “normalen” Volk als fundiert und realistisch bewertet wird. Den Sachverstand hat schon Frau Petry aus dieser Partei entfernt, wer heute noch als “Heilsbringer” in diesem Verein als Sprachrohr unterwegs ist, naja ersparen Sie mir die Aussage. Das liegt aber auch zum erheblichen Teil an den sog. “demokratischen Parteien”, die im Grunde ebenso austauschbar sind. Solange bei diesen Parteien “political correctnes” wichtiger ist als Probleme zu benennen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten, kann die AfD mitschwimmen und mit der nationalen Keule punkten. Armes Deutschland!

Marc Greiner / 06.02.2020

Wer jetzt nicht die AFD wählt, Differenzen hin oder her, dem kann man nicht mehr helfen. Dann muss man sich über die Gesinnungsdiktatur auch nicht beklagen. Jetzt sollte dem hinterletzten auch klar geworden sein, was Demokratie für die Blockparteien bedeutet, nähmlich Nichts!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Anabel Schunke / 14.06.2023 / 15:00 / 37

Der Fall Julana

In der Stadtbibliothek München fand gestern eine Vorlesestunde für Kinder mit Dragqueens und -kings statt. Eigentlich sollte auch das Transkind Julana auftreten. Alles an ihrem…/ mehr

Anabel Schunke / 25.05.2023 / 17:00 / 20

Nachruf auf Tina Turner: „What‘s love got to do with it“

Am Mittwochabend verstarb das Stimmwunder Tina Turner im Alter von 83 Jahren. Ihr Weg zum Erfolg war steinig, ihre musikalischen Triumphe umso größer. Tina Turner…/ mehr

Anabel Schunke / 25.09.2021 / 06:15 / 53

In bester antisemitischer Gesellschaft

Wer in Deutschland einen Eindruck davon bekommen möchte, wie groß das Problem des Antisemitismus ist, sollte sich einmal – am besten während einer erneuten Eskalation…/ mehr

Anabel Schunke / 25.08.2021 / 14:00 / 84

Afghanistan: Weltrettung ohne jeden Zweifel 

In Afghanistan herrschen wieder die Taliban. Jetzt muss alles ganz schnell gehen. In der deutschen Presse werden die Zahlen der ausgeflogenen Afghanen durchgegeben wie die…/ mehr

Anabel Schunke / 11.08.2021 / 12:00 / 73

„Keine Ahnung, wie man Männer besser integrieren kann“ 

Elke Breitenbach (Linke) hat etwas gesagt, das vielen übel aufgestoßen ist. Die Berliner Senatorin für „Soziales, Arbeit und Integration“ störte sich gegenüber dem Tagesspiegel jüngst…/ mehr

Anabel Schunke / 20.07.2021 / 14:00 / 80

Weil ich Bock dazu habe 

„Autofreie Innenstädte“ ist eine immer mal wieder aufflammende Diskussion. Sie wird aber, wie so oft, rein moralisch und nicht praktisch geführt. Außerdem: Ich muss mich…/ mehr

Anabel Schunke / 29.06.2021 / 17:28 / 89

Kein Zeichen gegen den Islamismus beim DFB

Vier Tage sind seit dem islamistischen Attentat eines somalischen Asylbewerbers in Würzburg vergangen. Drei Frauen verloren ihr Leben, als der 24-jährige Abdirahman J. „seinen Beitrag…/ mehr

Anabel Schunke / 01.05.2021 / 14:47 / 123

Die Angst vor Hans-Georg Maaßen

Hans-Georg Maaßen kandidiert für den Bundestag, und die deutsche Presse, deren Vertreter überwiegend nicht Schwarz, sondern Grün wählen, läuft Sturm und ist sich sicher, dass…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com