Ich sehe die Ursache für dieses Verhalten darin, dass die Politiker schlicht und einfach die Verhältnisse umgekehrt haben. Statt uns zu dienen, meinen sie in ihrer Hybris, dass sie uns beherrschen und dass wir ihnen zu dienen haben. Da sind dann unsere Opfer halt inklusive und nicht weiter von Belang. Unsere Politiker zelebrieren das schon fast tagtäglich wie ein gottgegebenes Recht und nur in Wahlkampfzeiten lassen sie sich zu etwas “Volksnähe” herab. Wie den römischen Cäsaren sollte man ihnen daher täglich ins Ohr flüstern: Gedenke, dass Du sterblich bist! Denn genau das werden sie erfahren, wenn sie so weiter machen. Sie vergessen nämlich: Wir sind die Vielen, sie sind die Wenigen.
Ganz anders die Anteilnahme des italienischen Staates. Der Leichnam des italienischen Opfers des Berliner Anschlags, einer jungen Frau aus den Abruzzen, wurde mit einer Militärmaschine nach Rom gepflogen. Der Sarg wurde von dem italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella, der Verteidigungsministerin, dem Präsidenten der Region Abruzzo und der Bürgermeisterin der Heimatgemeinde des Opfers auf dem Militärpflughafen in Rom in Empfang genommen. Das nenne ich eine würdige Anteilnahme.
Das Totengedenken- leider gibt es kaum mehr eine Kultur, die das würdig leistet. Die rührenden, aber kaum würdevollen Kerzen auf dem Pflaster. Wie ist es mit den Verletzten, den vielleicht lebenslang Verstümmelten? Bei allem Respekt vor den Toten - sollte es nicht vor allem um die Verletzten gehen? Ich hoffe sehr, dass im Stillen - warum nicht im Stillen - das Menschenmögliche getan wird.
Sehr geehrter Herr Haferburg! Danke für diesen aussagekräftigen Report über das skandalöse Verhalten unserer politischen Eliten gegenüber den Angehörigen der Opfer. Ich fühle mich immer mehr an die frühere DDR erinnert. Probleme totschweigen , lügen, andere Meinungen diffamieren, die Liste ließe sich noch verlängern. Dafür sind wir 1989 nicht auf die Straße gegangen.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Regierung der Fall Amri einfach nur unangenehm ist und sie die Sache schnellstmöglich vergessen machen will. So viel Dilettantismus, Ignoranz und Desinteresse gegenüber den Opfern und Angehörigen ist einfach nur beschämend. Man stelle sich nur mal vor, ein Nazi hätte vor einer Flüchtlingsunterkunft ein ähnliches Massaker unter Migranten verursacht. Mit großer Sicherheit wären bundesweit Großdemonstrationen und Lichterketten von allen möglichen Netzwerken, Initiativen und “breiten Bündnissen” veranstaltet worden. Jeder Politiker, Kunstschaffende und gesellschaftlich Aktive hätte seine Bestürzung direkt in die Kameras gesprochen und ein öffentlicher Betroffenheitsorkan wäre über das Land gefegt. Warum nicht im Fall Amri ? Weil hier die große Angst seitens der Regierenden und der öffentlich-rechtlichen und “befreundeten” Medien besteht, dass dies den “Falschen” in die Hände spielt, den Populisten, den Ausländerfeinden, den Ewiggestrigen und Zurückgebliebenen. Lieber geht man schnellstmöglich zum business as usual über, in der Hoffnung dass so etwas nicht nochmal vor den Wahlen passiert. Es ekelt einen an.
Nur die Kommunikation verbessern? Wie wäre es denn , wenn man “ähnliche Ereignisse” lieber gleich verhindern würde? Das soll in anderen Ländern möglich sein.
Das erinnert mich an die Terroropfer aus Würzburg. Auch da hat kein deutscher Politiker in den vier Monaten seit dem Attentat bis zur stillen Rückreise der Touristen aus Hongkong die Zeit gefunden, die Familie zu besuchen und das Mitgefühl jenes Landes auszudrücken, in dem die Familie heimtückisch von einem Attentäter während einer Bahnfahrt überfallen wurde. Es gab keine Selfies und kein Bedauern, dass man sie nicht habe schützen können. Dieser Regierung und ihren Angehörigen sind die Kollateralschäden egal.
Siebter Akt: Ich habe gestern gelesen, dass der polnische Spediteur sein Arbeitsgerät noch immer nicht zurückhat - mit den entsprechenden wirtschaftlichen Folgen. Außerdem soll es möglich sein, dass man seine Versicherung für Folgen des Anschlags in Anspruch nehmen will. Muss jetzt nicht alles stimmen, erscheint mir bei den bisherigen Abläufen aber nicht als unmöglich.
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.