Alex Feuerherdt / 28.10.2015 / 21:13 / 1 / Seite ausdrucken

Tee trinken mit Jeremy

Der neue Vorsitzende der britischen Labour Party steht dem jüdischen Staat mit grosser Ablehnung gegenüber und pflegt gute Kontakte zu einigen von dessen Feinden. Mit seiner Wahl verschärft sich ein Trend, der bereits unter seinem Vorgänger zu beobachten war.

Wenn man eine Vorstellung davon bekommen will, wie Jeremy Bernard Corbyn politisch gestrickt ist, lohnt sich ein Blick darauf, mit wem er sich umgibt. In Abwandlung eines Bibelzitats könnte man sagen: An seinen Freunden sollt Ihr ihn erkennen. Und zu diesen Freunden zählt der neue Vorsitzende der britischen Labour Party nicht zuletzt Hamas und Hisbollah. So hat er die beiden islamistischen Terrororganisationen jedenfalls in einer Rede genannt, als er sie 2009 zu einer Veranstaltung ins Parlament einlud.

Zu seinem Bedauern konnte damals allerdings nur die libanesische Gotteskriegertruppe kommen, denn ihrem Pendant aus dem Gazastreifen hätten die Israelis, so Corbyn, die Ausreise verweigert. Und das sei beklagenswert, schliesslich handle es sich bei der Hamas um «eine Organisation, die dem Wohle des palästinensischen Volkes dient und dauerhaften Frieden sowie soziale und politische Gerechtigkeit im gesamten Nahen Osten bringt», weshalb es überhaupt nicht einzusehen sei, dass die britische Regierung sie als terroristische Organisation einstuft. Vielmehr müsse man unbedingt direkt mit ihr und der Hisbollah sprechen, sie unmittelbar in den Friedensprozess einbinden.

Wenn Corbyn heute auf sein überschwängliches Lob für diese beiden antisemitischen Vereinigungen, die sich die Vernichtung Israels auf ihre Fahnen geschrieben haben, angesprochen wird, reagiert er pampig. Davon distanziert hat er sich gleichwohl nie. Und wenn man – wie es Liam Hoare im amerikanischen Online-Magazin «The Tower» getan hat – einen Blick auf die Aktivitäten des linken Parlamentariers wirft, der für die Labour Party seit 1983 den Wahlkreis Nord-Islington im britischen Unterhaus vertritt, dann wird schnell deutlich, dass seine Äusserungen vor sechs Jahren keineswegs ein Ausrutscher waren.

Vielmehr stellen sie eine ideologische Konstante in seiner politischen Laufbahn dar. So unterstützt der 66-Jährige beispielsweise auch die «Palestine Solidarity Campaign», eine 1982 gegründete britische Organisation, die immer wieder mit antijüdischen Cartoons und Verschwörungstheorien auffällt. Den notorischen Pfarrer Stephen Sizer, der Israel beispielsweise für die Terroranschläge des 11. September 2001 verantwortlich macht, verteidigte Corbyn ebenfalls. Als Sizer sich wegen abstruser Äusserungen zum Nahen Osten die Kritik kirchlicher Autoritäten zuzog, ergriff der Labour-Funktionär umgehend Partei für ihn. Pfarrer Sizer, so glaubte er, werde «von bestimmten Individuen mit der Absicht angegriffen, seine exzellente Arbeit zu den Ungerechtigkeiten im palästinensisch-israelischen Konflikt zu diskreditieren».

2012 pries Jeremy Corbyn zudem in einer Rede den antisemitischen Hassprediger Scheich Raed Salah, einen Führer des nördlichen Zweiges der «Islamischen Bewegung» in Israel, als «ehrenwerten Bürger», der «sein Volk extrem gut vertritt und eine Stimme ist, die gehört werden muss». Corbyn – der bereits im März 2011 gemeinsam mit Salah in Genf an einer «Konferenz für die palästinensischen Häftlinge in Israel» teilgenommen hatte – lud ihn sogar ins Parlament ein und versprach: «Sie werden herzlich willkommen sein, und ich freue mich darauf, mit Ihnen auf der Terrasse einen Tee zu trinken, denn den haben Sie sich verdient.»

Der so Umworbene hatte einige Jahre zuvor in einer Predigt in Jerusalem vor einer grossen Menschenmenge die alte antijüdische Ritualmordlegende verbreitet und war daraufhin wegen Aufstachelung zur Gewalt von einem israelischen Gericht zu einer achtmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Auch mit Verschwörungstheorien zu «Nine-Eleven» fiel Salah auf.

Überdies hatte er bereits 2003 eine zweijährige Haftstrafe in Israel wegen finanzieller Unterstützung der Hamas und Kontakten zum iranischen Geheimdienst verbüsst. Corbyn versuchte sich später damit herauszureden, seine Würdigung Salahs als «ehrenwerter Bürger» sei lediglich als «diplomatische Floskel» und «Dialogangebot» gemeint gewesen und nicht als Billigung von dessen Äusserungen.

Verbindungen pflegt Jeremy Corbyn auch zur stramm antiisraelischen Organisation «Deir Yassin Remembered» (DYR), deren Gründer Paul Eisen den Holocaust leugnet. Aus diesem Grund hat sich selbst die «Palestine Solidarity Campaign» von ihm und seiner Gruppierung distanziert. Corbyn hat gleichwohl mehrmals an Veranstaltungen von DYR teilgenommen und der Vereinigung dort nach eigenen Angaben auch Geld gespendet. Eisen ist für die Unterstützung des Parlamentariers dann auch dankbar: «In der Zeit, als ich marginalisiert und isoliert war und die Bewegung, mit der er verbunden ist [gemeint ist die «Palestine Solidarity Campaign», A.F.], mich verschmähte, hat mich Jeremy immer freundlich begrüsst», sagte er.

Mit der Wahl von Jeremy Corbyn zum neuen Vorsitzenden der Labour Party setzt sich ein Trend fort, der bereits unter Corbyns Vorgänger Ed Miliband zu beobachten war: Die Partei positioniert sich immer deutlicher gegen den jüdischen Staat. Im vergangenen Jahr etwa verurteilte sie die gegen die Hamas gerichtete israelische Militäroperation «Protective Edge» und sprach sich für eine einseitige Anerkennung eines Staates Palästina aus. Schon seit 2010 geht der Einfluss der Freunde Israels in der Labour Party stetig zurück, wie Liam Hoare in seinem Beitrag für «The Tower» schreibt.

Einige proisraelische Politiker hätten die Partei wegen deren antiisraelischer Linie verlassen, zudem seien israelfreundliche Parlamentarier vielfach nicht wiedergewählt worden. In Corbyns Schattenkabinett gibt es Hoare zufolge nur noch zwei Abgeordnete, die dem jüdischen Staat wohlgesinnt sind, während sich siebzehn klar auf der Seite der Palästinenser positionieren. Eine Entwicklung, die von etlichen radikalen «Antizionisten» wie Roger Waters, George Galloway und Gilad Atzmon begrüsst wird.

Liam Hoare dagegen ist desillusioniert. «Leute wie ich, denen linke und liberale Werte in Grossbritannien sowie ein freiheitlicher Internationalismus und universell gültige Menschenrechte sehr wichtig sind – und für die der Zionismus in der politischen Linken einen festen Platz hat –, sollten sich Sorgen machen», schreibt er. Früher sei die Ansicht, dass Israel, die Vereinigten Staaten und die Nato für alle Übel der Welt verantwortlich sind, an den politischen Rändern beheimatet gewesen. Nun jedoch werde sie vom Vorsitzenden der Labour Party und seinen zahlreichen Anhängern vertreten. Für Israel, aber auch für die jüdische Gemeinschaft in Grossbritannien ist das eine grässliche Entwicklung.

Zuerst erschienen auf http://www.audiatur-online.ch

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Wolfgang Schmid / 29.10.2015

Mit den paar englischen Juden wird die Labour Party keine Wahlerfolge feiern können - und die in Israel scheren sich nicht drum und ziehen ihr Ding durch. Labour muss aus wahltaktischen Erwägungen - in Ermangelung traditioneller Arbeiter - auf die wachsende Gruppe der Underdogs in den Vorstädten bauen, wenn sie nicht verschwinden will. Und die sind halt mehrheitlich Moslems. Das ist - wie in Deutschland bei der SPD ja auch - das letzte Gefecht im Kampf gegen die Überflüssigkeit. Dafür kann man doch auch mal Israel und den Rest guten Geschmacks opfern, oder?

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