Ulrike Stockmann / 10.02.2019 / 06:00 / Foto: Achgut.com / 80 / Seite ausdrucken

Taxi. Berlin. Warschauer Straße. Sonntagmorgen. 4 Uhr

Wir leben in merkwürdigen Zeiten. Es scheint immer schwerer zu werden, unpolitische Gespräche zu führen. Ich erlebe zumindest mehr und mehr, dass harmlos und banal beginnende Unterhaltungen schnell bei den zu hohen Mieten, den zu niedrigen Löhnen, den vielen Obdachlosen, der Migrationspolitik, der Altersarmut, der Klimafrage oder der Notwendigkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens landen.

Dies habe ich des Öfteren in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, aber auch an der Uni beobachtet und vor allen Dingen auch erfahren, wie hitzig Debatten geführt werden, wenn die Diskutierenden eine entgegengesetzte Meinung vertreten. Schon mancher gesellige Abend ist gewissermaßen ruiniert worden, weil eine Diskussion sich zu einem Streit entwickelte und die Stimmung somit nachhaltig getrübt wurde. Die buchstäbliche Spaltung der Gesellschaft macht sich auch in meinem unmittelbaren Umfeld bemerkbar.

Grundsätzlich mag ich es, wenn es in Gesprächen ans Eingemachte geht, denn Smalltalk langweilt mich schnell, und tiefgründigere Themen finde ich viel reizvoller (es muss natürlich bei weitem nicht nur um Politik gehen). Und ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn mein Gegenüber eine andere Meinung vertritt, vielmehr ganz im Gegenteil. Dies macht eine Unterhaltung oft erst spannend. Mir ist jedoch zugleich aufgefallen, wie schwer es fällt, konstruktiv über Politik zu sprechen. Ich merke, dass die verhärteten Fronten, die sich momentan bei politischen Diskussionen auftun, scheinbar durch nichts aufzulockern sind, es scheint nur ein Schwarz oder ein Weiß zu geben, wo die Wahrheit doch oft in der Mitte liegt.

Ich selbst habe mich schon oft in derartigen Gesprächen ereifert und im Gegenzug starke Ablehnung erfahren. Dies hat mich häufig verletzt und somit betrachte ich die Anbahnung politischer Unterhaltungen – wenigstens in gewissen Kreisen – mehr und mehr mit Argwohn und habe stellenweise, trotz meines offenen Wesens, eine regelrechte Phobie dagegen entwickelt.

Erhellende Begegnungen

Doch auch bei flüchtigeren Begegnungen des Alltags, wie beispielsweise mit Kellnerinnen, Ladenbesitzern, Ärztinnen oder Nachbarn, die man nach Wochen mal wieder zufällig auf dem Hof trifft, führen die zumeist wenigen gewechselten Worte schnell zu gesellschaftskritischen, politischen Sachverhalten. Mir ist das neu, ich beobachte diese Entwicklung erst seit ungefähr zwei oder drei Jahren. Ich habe bis dato die deutsche Gesellschaft – im Vergleich mit anderen Ländern – als ziemlich unpolitisch wahrgenommen. Es tut sich etwas, es gibt eine wachsende Unzufriedenheit unter den Menschen, die immer öfter auch gegenüber Fremden geäußert werden will.

Natürlich sind bei weitem nicht alle dieser Gespräche nervlich aufreibend, immer wieder freue ich mich über einen unerwarteten erhellenden Austausch. Stellvertretend für all diese unmittelbaren Begegnungen möchte ich im Folgenden ein Gespräch mit einem Taxifahrer wiedergeben, das ich vor Kurzem führte.

Es war an einem Sonntagmorgen um 4 Uhr früh, als ich die Wohnung meiner besten Freundin verließ. Es war ein schöner Abend gewesen, wir hatten viel geredet und gelacht und so ging ich – mit mir und der Welt zufrieden (und auch ein bisschen beschwipst) – auf das gerufene Taxi zu. Ich war einerseits zu faul, um diese Uhrzeit noch die U-Bahn zu benutzen, andererseits finde ich es immer unangenehmer, zu später Stunde in Berlin mit den Öffentlichen zu fahren. Grundsätzlich bin ich seit einer Weile nicht mehr so gerne nachts unterwegs. Das ist sehr bitter für jemanden, der die Dunkelheit liebt. Denn eigentlich bin ich eine Nachtschwärmerin.

Hat jeder eine Chance verdient?

Ich stieg also ins Taxi. Wir waren gerade losgefahren und hielten an einer Kreuzung, als eine Gruppe finster aussehender Gestalten auf uns zukam. Der Taxifahrer betätigte prompt die Zentralverriegelung. Sowas hatte ich noch nicht erlebt! Er bemerkte mein Stirnrunzeln im Rückspiegel und erklärte: „Ach, wissen Sie, es gibt so viele Idioten heutzutage, da gehe ich lieber auf Nummer sicher.“

Ich war also nicht die einzige, die sich gruselte. Nachdem die Gruppe an uns vorbei gezogen war, fragte ich ihn, ob es eigentlich gefährlich sei, als Taxifahrer zu arbeiten. „Naja, Sie sollten schon ein dickes Fell haben, wenn Sie ängstlich sind, kommen Sie nicht weit.“

Unser Gespräch brach ab, müde wie ich war, freute ich mich, bald zu Hause zu sein und ins Bett fallen zu können. Ich lehnte meinen Kopf gegen die Scheibe und sah, wie wir über die Warschauer Straße fuhren. Es waren die üblichen Party People unterwegs, um sich in einem der Clubs des Berliner „Techno Strichs“ zu vergnügen. Dazwischen standen in Grüppchen die ebenfalls üblichen Dealer, bestehend aus afrikanischen Migranten. Sie verteilen sich auf die Warschauer und die angrenzende Revaler Straße, um zumeist sehr aufdringlich ihre Drogen anzubieten. Kommt man dort als Frau vorbei, muss man sich zudem auf einige Obszönitäten gefasst machen. Und wenn man gerade Pech hat – vor allem als Mann – wird man auch schon mal in den Rücken gestochen, wenn man keine Drogen will.

Gleichzeitig überlegte ich: Da haben sie nun den weiten Weg aus Afrika hinter sich gebracht, um am Ende hier als Drogendealer zu arbeiten. Ist das jetzt eine humane Lösung? Sie waren irgendwann, scheinbar wie aus dem Nichts an der Warschauer Straße aufgetaucht. Ich glaube, es war 2014.

„Also, hier würde ich um diese Uhrzeit als Frau nicht alleine langgehen“, meinte der Taxifahrer, als hätte er meine Gedanken erraten. „Naja, es ist jedenfalls nicht sehr angenehm“, entgegnete ich.

„Wissen Sie, ich finde, man sollte grundsätzlich jedem, der hierher kommt, eine Chance geben. Wenn er diese Chance vertut und kriminell wird, dann sollte er abgeschoben werden. Aber wenigstens eine Chance hat doch jeder Mensch verdient oder meinen Sie nicht?“, fragte er mich.

Aufgestautem Ärger Luft machen

Schon wieder so ein schwieriges Thema. Und das um diese Uhrzeit!

„Grundsätzlich schon. Aber ich glaube nicht, dass die grenzenlose Migration aus Entwicklungsstaaten das Wahre ist“, erwiderte ich knapp.

„Tja …“, kam es vom Fahrersitz zurück. „Ich führe sehr häufig mit meinen Fahrgästen Gespräche über dieses Thema. Was meinen Sie, was mir die Leute alles erzählen!“

„Die Migrationsfrage beschäftigt ja mehr oder weniger uns alle“, sagte ich.

Mittlerweile waren wir vor meiner Haustür angekommen. Nachdem ich bezahlt hatte, drehte er sich zu mir um: „Ich befasse mich in meiner Freizeit viel mit politischen Fragen, mit dem Wirtschaftssystem und allem, was da dran hängt. Es ist einfach nur unglaublich, was hier gerade stattfindet. Wie man beispielsweise Italien mit den Target-2-Salden mitgespielt hat …“ Nun legte er los und machte in den nächsten Minuten seinem angestauten Ärger Luft.

Schließlich stieg ich aus und schloss meine Haustür auf. Was wird das Ergebnis all dieser Debatten sein, überlegte ich. Der Groll wächst, und zwar auf allen Seiten. Die meisten Politiker scheint das jedoch wenig zu stören, sodass bestehende Konflikte nicht angegangen werden. Sind die Probleme unserer Zeit überhaupt so leicht zu lösen? Wird es bald heftigere Proteste geben? Stehen uns gar gewaltsame Auseinandersetzungen bevor? Ich stieg die Stufen zu meiner Wohnung hinauf und war plötzlich wieder hellwach. 

Foto: Achgut.com

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Leserpost

netiquette:

Dr. Peter Müller / 10.02.2019

@Thomas Taterka: Gern geschehen. Es wäre eigentlich Aufgabe der Achse, hier für Aufklärung zu sorgen. Dazu gehört mehr, als gelegentlich mal einen entsprechenden Leserkommentar durchzulassen. Beste Grüße. P.S.: Lesetip: Googeln Sie meinen Beitrag: “epetition.bundestag.de Das eigentliche Motiv für die Grenzöffnung”

Werner Arning / 10.02.2019

Ich meine festgestellt zu haben, dass je „einfacher“ die Gesprächspartner sind, mit denen man sich über die Problematik der Folgen der offenen Grenzen unterhält, desto kritischer sie gegenüber dieser Politik eingestellt sind. Und dieses nicht etwa, weil sie aufgrund mangelnder Bildung zu einer „populistischen“ Sichtweise neigten, sondern weil sie offensichtlich einen unverstellteren, klareren Blick auf die Geschehnisse zu haben scheinen. Man könnte auch vermuten, dass sie sich nicht nicht so leicht belügen lassen, weniger anfällig für die Propaganda der politisch Korrekten sind. Auch in Orwells „1984“ ist es „das einfache Volk“, welches nicht so leicht im Sinne der Staatspropaganda zu erziehen ist. Sie scheinen weniger anfällig für ein Selbstbelügen zu sein, welches möglicherweise typisch für linksgrüne Intellektuelle ist, die es partout nicht ertragen können, wenn die Realität nicht der von ihnen unterstützten Theorie gleicht. In solchen Fällen passen sie mitunter lieber die Realität ihrer Ideologie an, oder versuchen dieses zumindest. Da dem „einfachen Volk“ häufig der Zugang zu dieser Ideologie fehlt, betrachtet dieses die Realität eher so, wie sie wirklich ist. Daher rührt vielleicht der unverstellte Blick und die mangelnde Bereitschaft, sich belügen zu lassen.

C. J. Schwede / 10.02.2019

Schade, dass nicht ausgeführt wurde was der Taxifahrer zu sagen hatte. Vielleicht gibt es ja einen Folgeartikel.

Jürgen Schnerr / 10.02.2019

Dr. P. Müller, danke für die Details!  Und das Linke mittlerweile zu Helfershelfern des globalen Kapitals geworden sind, diese Einschätzung teile ich, wenn ich auch bezüglich Wagenknecht eher misstrauisch bin. Bei der ordnet sich am Ende auch alles politischem Kalkül unter.

Uta Buhr / 10.02.2019

Ich weiß aus Erfahrung, dass viele Berliner Taxifahrer das Herz am rechten Fleck haben und sich keinen Maukorb anlegen, wenn sie über die katastrophalen Zustände sprechen, die sie täglich bei ihren Fahrten durch die Stadt erleben. Da kann man als Passagier auch mal richtig vom Leder ziehen, ohne dass irgendwer einem moralinsauer auf die Füße tritt. Privat und beruflich sieht das oft ganz anders aus. Ich habe mir inzwischen angewöhnt, auf die seltsamen, häufig verlogenen Äußerungen gewisser Mitmenschen zu reagieren, wenn es um Masseneinwanderung und verwandte Themen geht. Es ist vollkommen sinnlos, mit jemandem zu diskutieren, der ohnehin nur seine auswendig gelernten regierungsgenehmen Worthülsen zum Besten gibt und keinerlei Gegenargumenten zugängig ist. Gerade gestern traf ich einen Bekannten, der sich stolz dazu bekennt, auch mit über 70 noch Altachtundsechziger zu sein. Natürlich ist er dafür, jeden “Flüchtling” hier aufzunehmen. Aber bitte doch nicht in seinem vornehmen Stadtteil an der Alster. “Die passen doch gar nicht hierher”, lautet sein Argument. Und alles ist doch so teuer in seiner Umgebung, dass “die” sich das doch gar nicht leisten können. Als ich ihm vorschlug, diesen armen Leuten von seinem Überfluss etwas abzugeben, verabschiedete er sich umgehend. So sind sie halt, diese “Gutmenschen.” Über Teile des Artikels von Ulrike Stockmann musste ich den Kopf schütteln. Wie kommt sie nur darauf, dass es sich beim Dealen mit Drogen um eine Arbeit handelt. Aber sicherlich ist ihre Sicht auf manche Dinge ihrer Jugend geschuldet. Sie wird wohl noch lernen müssen, mit den immer größer werdenden Problemen umzugehen. Ich wünsche ihr noch viele Fahrten mit aufgeweckten Taxifahrern und Gespräche mit Menschen, die den Realitäten mutig ins Gesicht blicken. Diskutieren bildet bekanntlich. I

Lutz Muelbredt / 10.02.2019

Herr Bechlenberg, innerhalb eines Jahrhunderts Untergang 3.0 für dieses Land halte ich für eine historisch hohe Untergangsdichte und sollte mal näher betrachtet werden. Obwohl die Löschung Karthagos war auch erst nach dem 3. Anlauf geritzt. Mal blättern…

Karl Napp / 10.02.2019

Aus meiner Sicht, Frau Dexel, dokumentiert Frau Stockmann und überlässt es dem Leser, vieles mit der eigenen Erfahrung abzugleichen und zu werten. Eine anerkennenswerte Form der Darstellung, finde ich.  Anerkennenswert innerhalb gängiger Berichterstattungen welche dem Leser vorgeben wie er gefälligst etwas zu sehen hat.

Werner Liebisch / 10.02.2019

Das Schlimme, es ist genauso wie in Diktaturen, man muss mittlerweile aufpassen, wen man was, bzw. ob man überhaupt was sagen kann. Man denke an die physischen Übergriffe, verbrannte Büros, Häuser und Autos, Job-Verluste etc.. Wäre ich alleine, hätte ich überhaupt keine Angst, als Vater leider schon… GsD, gibt es Leute mit genug Courage die weiterhin ihre Meinung kundtun, ohne Rücksicht auf Verluste. Das sind die wahren Helden der heutigen Zeit….

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