Felix Schnoor
Den Frankfurter Hauptbahnhof konnte ich heute morgen nur über die darunter liegende U-Bahn-Station betreten, die oberirdischen Eingänge hatte die Polizei gesperrt. Der Grund war wieder einmal der Kapitalismus. Diese Ansicht dürften zumindest einige so genannte Kapitalismuskritiker vertreten, denn das System lasse ihnen ja schließlich keine andere Wahl, als auf die Straße zu gehen. Ob die Mehrheit dieser Demonstranten, die dafür sorgten, dass erhebliche Teile der Frankfurter Innenstadt heute stillgelegt waren, tatsächlich so denkt oder doch eher die allgemeine Lust, gegen alles zu sein (und so vielleicht das eigene Nicht-Vorankommen zu rechtfertigen), im Vordergrund stand, weiß ich nicht. Was ich weiß, ist, dass Blockupy ein Sammelbecken von überwiegend verwahrlosten Verrückten ist (habe es mit eigenen Augen gesehen), die unser in der Tat krankes System durch irgendetwas „Sozialeres“ ablösen wollen.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass sie konkreter nicht werden. Inhaltlich ähnlich, wenn auch auf breiterem Intellekt fußend und konkrete Lösungsvorschläge anbietend, äußerte sich Sarah Wagenknecht, die am letzten Dienstag auf dem Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt über „Freiheit, Kapitalismus und Krise“ sprach (und sich über die Absage der Veranstaltung durch die Universitätsleitung hinwegsetzte).
Auch ich finde unser System zu großen Teilen unsozial und vor allem ungerecht. Aber ist an den Missständen wirklich der Kapitalismus, also die Marktwirtschaft, der Wettbewerb, schuld?
Laut Bundesfinanzministerium liegt die aktuelle Staatsquote bei etwa 45%. Blockupy, Wagenknecht und co. unterstellen, dass die übrigen 55% für die Probleme in Deutschland verantwortlich sind. Doch was, an dem der Staat direkt oder indirekt beteiligt ist, funktioniert denn wirklich gut? Mir zumindest fällt da spontan nicht viel ein, selbst, wenn ich die Vergangenheit mit einbeziehe.
Die Staatsquote so zu interpretieren, dass die eine Hälfte vom Staat, also planwirtschaftlich dominiert wird und die andere vom Markt, ist allerdings auch nicht korrekt, wie der große Ökonom F.A. Hayek in seinem Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ schon feststellte: „Obwohl der Staat direkt nur die Verwendung eines großen Teils der vorhandenen Produktionsmittel beherrscht, so wirken sich seine Entscheidungen auf den verbleibenden Teil des Wirtschaftssystems so stark aus, dass er indirekt fast die ganze Wirtschaft überwacht.“ Hayek nannte Deutschland um 1928 als konkretes Beispiel, damals betrug hierzulande die Staatsquote 53%.
Dass für die Blockupy-Aktivisten aber ausgerechnet die EZB als Symbol des (gescheiterten) Kapitalismus herhalten muss, ist schon sehr verwunderlich, schließlich repräsentiert die EZB Planwirtschaft par excellence. Denn nicht der Markt bestimmt den Preis des Geldes, also die Höhe der Zinsen, sondern es sind Technokraten, welche dadurch unfassbar viel Macht über das gesamte Wirtschaftsleben haben.
Wohin das führt, können wir seit mindestens fünf Jahren beobachten: nämlich zu Blasen und Krisen. Vielleicht sind nicht nur die Notenbanken Schuld an der Misere, aber sie sind es sicher zu einem großen Teil. Aber sie haben nicht das Geringste mit Kapitalismus zu tun. Sie sind stattdessen ein Teil eines Systems, welches man als Korporatismus bezeichnen könnte, also eines Systems, in dem „big business“ und „big government“ Hand in Hand arbeiten und die Steuerzahler und zukünftigen Generationen unter dieser Allianz leiden lassen, weil dadurch wirklicher Wettbewerb durch Regulierungen verhindert wird.
Tatsache ist, immer mehr Menschen haben darauf keine Lust mehr. Nicht nur Deutschland, wo die aktuelle wirtschaftliche Lage noch gut ist, scheint vor dem Scheideweg zu stehen, sondern im Grunde der gesamte Kontinent. Der eine Weg, der künftig eingeschlagen werden könnte, ist der Sozialismus. Der Preis dafür wäre die individuelle Freiheit und wohl auch der Wohlstand. Der andere Weg ist die Wettbewerbswirtschaft, also der wahre Kapitalismus, in dem Notenbanken, ebenso wie Bankenrettungen und hohe Steuersätze Geschichte sind und stattdessen derjenige haftet, der auch die Verantwortung trägt. Verantwortung kann aber niemals durch ein Kollektiv getragen werden, sondern nur durch Individuen.
Die Tendenz geht trotz der furchtbaren Erfahrungen zum erst genannten Weg, weil dieser es recht erfolgreich verstanden hat, die wirkliche Alternative als das eigentliche Problem darzustellen. Blockupy ist da nur eine Randerscheinung.