Peter Grimm / 02.11.2018 / 12:00 / Foto: Abbey Hendrickson / 10 / Seite ausdrucken

Sozialdemokratische Prozentrechnung

Es gibt ja dieses böse Vorurteil, die Sozis könnten nicht rechnen und nicht mit Geld umgehen. Dass letzteres nicht stimmt, zumindest wenn es um das eigene und nicht um das Geld anderer Leute geht, beweist die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft, DDVG, die sich selbst als „Unternehmensbereich der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ vorstellt. Dieser Unternehmensbereich ist wirtschaftlich erfolgreich, allerdings auch nicht sozialer als andere gewinnorientierte Unternehmen. Manch einer hält es für problematisch, dass Teile der Presse im Besitz einer politischen Partei sind. Doch im Bundestag wurde dies selten debattiert. Vielleicht auch, weil das alteingesessene Politpersonal weiß, die SPD ist schon seit dem vorvorigen Jahrhundert verlegerisch tätig und dies hinnimmt als Tradition. Dass eine Partei, die sich vom Steuerzahler mittels staatlicher Parteienfinanzierung alimentieren lässt, Unternehmen betreibt, ist ohnehin schon fragwürdig. Wenn sie dabei auch noch als Eigentümer Einfluss auf die Presse hat, umso mehr.

Wird dann aber doch mal im Deutschen Bundestag über die Beteiligungen der DDVG in der deutschen Presselandschaft gesprochen, zeigen wichtige SPD-Funktionäre plötzlich, dass sie im Umgang mit Zahlen doch auch große Schwierigkeiten haben können. Wäre das nicht so, müsste man ja unterstellen, die Genossen hätten das Hohe Haus belügen wollen. Aber das wäre eigentlich zu dumm, weil sich eine solche Lüge viel zu leicht entlarven lässt.

Es geschah in der Debatte über das „Gesetz zur Dynamisierung der Verdienstgrenzen der geringfügigen Beschäftigung“. Dieses Thema nutzte der AfD-Abgeordnete Uwe Witt, um das SPD-Unternehmen anzugreifen. Zunächst, indem er ihm unsozialen Umgang mit Zeitungszustellern und anderen geringfügig Beschäftigten vorwarf. Doch abschweifend vom Thema hatte er auch generell noch etwas zum SPD-Verlagshaus zu sagen:

„Die DDVG hat über ganz Deutschland verteilt eine Verflechtung von Unternehmensbeteiligungen im Presse- und Medienbereich aufgebaut. Diese Unternehmensbeteiligungen sind derart komplex, dass 452 DIN-A4-Seiten gerade ausreichen, um alle darzustellen. Hierüber verbreitet die SPD nicht nur ihre sozialistische Ideologie. Nein, sie verdient damit auch nicht schlecht.“

Reden wir heute mal ganz vornehm nicht vom Geld, sondern freuen uns, wie gewinnbringend Sozialdemokraten wenigstens mit eigenem Geld umgehen können. Hier geht es darum, wie groß der Einfluss der SPD-Unternehmensgruppe auf die deutsche Presse ist.

Folgt man der Genossin Dr. Barbara Hendricks, gibt es keinen DDVG-Einfluss. Als ehemalige SPD-Schatzmeisterin sollte sie eine Frau der genauen Zahlenkenntnis sein, insbesondere, was die DDVG angeht, war sie doch qua Amt jahrelang zuständig für die Unternehmensgruppe. Sie rechnete dem AfD-Kollegen nun im Bundestagsplenum vor, dass das SPD-Unternehmen bei seinen Zeitungen eigentlich überhaupt nichts zu melden haben kann:

„Bei allen Tageszeitungen, an denen die DDVG beteiligt ist, gibt es keinen bestimmenden Einfluss. Der höchste Anteil, den die DDVG an einem Verlag hat, beträgt 23 Prozent. Alle anderen Beteiligungen sind niedriger.

Das heißt also, es gibt keinen ökonomisch bestimmenden Einfluss und infolgedessen auch keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik. Die Geschäftsführer agieren selbstverständlich nach dem GmbH-Gesetz frei. Wie soll das denn auch anders sein? Wenn man einen kleineren Anteil als 25 Prozent hat, kann man ja überhaupt gar niemanden in der Geschäftsführung bestimmen.“

23 Prozent, sagt die Genossin der Zahlen, nicht mehr von einem Verlag seien in DDVG-Besitz. Warum sagt sie so etwas? Ist sie verwirrt oder dachte sie, es merkt keiner? Immerhin sprach der AfD-Abgeordnete von 456 Seiten, die man lesen müsse, um das Firmengeflecht zu verstehen. Wer tut sich das schon freiwillig an? Vielleicht wusste die Genossin Hendricks nicht, dass ihre früheren Untergebenen inzwischen eine grobe Übersicht der DDVG-Beteiligungen ins Netz gestellt haben, was eine Überprüfung ihrer Angaben ermöglicht. Und was liest man auf der interessanten Seite unter der Rubrik „Medienbeteiligungen“?

„‘Presse-Druck GmbH‘ mit 100%: ist mit 100% an der „Zeitungsverlag Neue Westfälische GmbH & Co. KG“ in Bielefeld beteiligt (Neue Westfälische)“ oder „‘Dresdner Druck- und Verlagshaus GmbH & Co. KG‘ mit 40% (Sächsische Zeitung, Morgenpost Sachsen)“ und „‘Oliva Druck- und Verlagsgesellschaft mbH‘ mit 100%: ist mit 32,5% an der „Cuxhaven-Niederelbe Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG“ beteiligt (Cuxhavener Nachrichten, Niederelbe Zeitung)“, um mal drei Beispiele zu nennen, die einem auf den ersten Blick ins Auge stechen.

100 Prozent? 40 Prozent? 32,5 Prozent? Irgendwie klingt das nach mehr als 23 oder 25 Prozent. Gibt es vielleicht eine besondere sozialdemokratische Prozentrechnung? Oder sind das solche Fake-News, für die die scheidende Bundeskanzlerin politische Parteien künftig mit Kürzungen der Parteienfinanzierung bestrafen wollte? Immerhin, das könnte sich die SPD leisten, hat sie doch die DDVG.

Der Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de

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Detlef Dechant / 02.11.2018

Sagen Sie doch ruhig, dass es die SPD war, die die Zeitungszusteller vom Mindestlohn ausgeschlossen hat! Und dann kann man auch gleich erwähnen, dass es auch die SPD war, die - gottseidank - mit einem Antrag im Bundestag gescheitert ist, die Mehrwertsteuerermäßigung für Flusskreuzfahrten weiter auf 7 % zu belassenen, statt auf 19 % anzuheben. Organisiert sie doch über ihren SPD-Reiseservice dergleichen!

Thomas Taterka / 02.11.2018

” Da kommen ja schöne Dinge zum Vorschwein! ” (Arno Schmidt)

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