Von Martin Toden.
Die identitätspolitischen Auswüchse in den USA haben auch die Streitkräfte erreicht, was bei normalen Soldaten eine Menge Unmut erzeugt. Auch bei der Bundeswehr geht es jetzt „woke“ zu. Die harten Jungs werden davon wohl eher abgeschreckt – und der Personalmangel wird größer und nicht kleiner.
In den Streitkräften der USA ist eine heftige Debatte aufgeflammt, angesichts dramatischer Rekrutierungsdefizite (25 Prozent beim Heer, 20 Prozent bei der Marine) – ein weiterer Rückgang der ohnehin schon stetig schwindenden Zahlen gegenüber dem Vorjahr. Der Streit dreht sich um die Frage, inwieweit der seit Jahren zunehmende Einfluss identitätspolitischer Strömungen dafür verantwortlich ist, dass immer weniger junge Menschen den Militärdienst antreten wollen. Die Versuche, dem entgegenzutreten (sowohl dem Mangel an Rekruten als auch der Diskussion über die Gründe), treiben seltsame Blüten.
In den vergangenen Jahren haben das US-Verteidigungsministerium (Department of Defense, DoD) und das ihm unterstellte Heeresamt (Department of the Army, DA) ein spezielles Programm entwickelt – eine Art Vor-Grundausbildung – um auch körperlich weniger leistungsfähigen Menschen den Einstieg in die Soldatenlaufbahn zu ermöglichen.
Hier soll übergewichtigen und körperlich leistungsschwachen Rekruten zumindest eine Chance gegeben werden, die Mindestanforderungen zu schaffen, die es für die Aufnahme in den Militärdienst zu erfüllen gilt. In typisch realitätsferner Manier loben die Verantwortlichen das Programm über den grünen Klee: „Wir haben schon zu Beginn des Programms positive Ergebnisse zu verzeichnen, und ich freue mich, dass es auf weitere Bereiche (der Streitkräfte) ausgeweitet wird, damit wir weiterhin die besten Talente unseres Landes anziehen und in sie investieren können.“ Ob die beschriebene Zielgruppe tatsächlich die Besten sind, die das Land für den Soldatenberuf begeistern will, sei dahingestellt.
Das erinnert uns fatal an die Idee des deutschen Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw), die Rekruten der Freiwilligen Wehrdienst Leistenden (FwDL) morgens bis acht Uhr schlafen zu lassen, weil das frühe Aufstehen mit der inzwischen unter jungen Menschen allfälligen Anspruchshaltung an die "Work-Life-Balance" nicht kompatibel sei. Die damit verbundenen Implikationen und Schlussfolgerungen habe ich hier ausführlich beschrieben.
Nun könnte man einwenden, dass der Beruf des Soldaten ein deutlich höheres Maß an Fitness, Kraft, Durchhaltevermögen und Widerstandsfähigkeit erfordert, als es den durchschnittlichen TikTok-Hampelvideostars, Menstruationshygiene-Awareness-Aktivisten, Klima-Straßenklebern und Photoshopgesicht-Influencern tunlich erscheint. Das sind aber inzwischen alles Attribute einer immer weniger angesagten sozialen Randgruppe, den sogenannten „Boomern“ oder auch „alten, weißen Männern“.
In den Vereinigten Staaten kommt dazu noch ein weiteres, (noch) US-typisches Problem, nämlich das der epidemischen Fettleibigkeit junger Menschen. Laut einer aktuellen Studie unter Menschen im Alter von 20 bis 44 Jahren ist die Prävalenz von Diabetes von 3 auf 4,1 Prozent gestiegen; laut der im Journal of the American Medical Association veröffentlichten Studie, die Daten aus den Jahren 2009 bis 2020 heranzog, stieg die Fettleibigkeit in dieser Alterskohorte von 32,7 auf 40,9 Prozent.
Ein Blick über Kasernenhöfe von Standorten rund um meinen Heimatort und die Begegnung mit Einheits- und Verbandsführern in den letzten Monaten und Jahren bestätigen mir: Das ist auch in Deutschland ein wachsendes Problem. Doch zunächst zurück in die USA.
Die Navy dreht Satire-Videos
Heutzutage wird ja immer öfter das Bonmot verwendet, man könne die Realität nicht mehr von Satire unterscheiden. Das war auch bei der US-Marine offenbar die Leitschnur des Handelns. Dazu zwei Beispiele:
Als es darum ging, wie der dramatischen Misere beizukommen wäre, kam man mit der Idee um die Ecke, einen Transvestiten und „Influencer“ zu engagieren, um auch aus dem Fundus der queeren, non-binären, genderfluiden und weiteren, mit allerlei Identitätsbesonderheiten ausgestatten Menschen schöpfen zu können.
Ein weiterer, glänzender Einfall der militärischen Führung bestand darin, den Militärangehörigen die sogenannte Diversitäts-, Gerechtigkeits- und Inklusionsideologie (diversity, equity, inclusion, DEI) obligatorisch aufzuerlegen und sie in Rekrutierungskampagnen einzubeziehen. Selbstverständlich gehört dazu auch die Schulung zum korrekten Gebrauch von Pronomen, wie ein bereits zwei Jahre altes Video der US Navy anschaulich zeigt. Zu diesem Aspekt gibt es weiter unten noch ein kleines Schmankerl.
All das erzeugt auf der Seite der normalen Soldaten eine Menge Unmut, deutlich unterlegt mit einer echten Sorge um die Zukunft der Verteidigungsfähigkeit der USA im Besonderen und der freien, westlichen Welt im Allgemeinen. Die Effekte des „Get Woke, Go Broke“, den man auch andernorts beobachten kann (z.B. bei Disney Pixar und ihren zuletzt zahlreichen, gigantischen Kino-Flops), machen offenbar vor den Kasernentoren nicht halt – junge Menschen, die bereit sind, für ihr Land zu kämpfen, fühlen sich von identitätspolitischen Auswüchsen abgeschreckt. Wer hierfür ein anschauliches Beispiel sucht, durch einen direkten Vergleich zwischen einem Werbeclip, der Soldaten anspricht und einem, der womöglich den gegenteiligen Effekt hat, findet das hier. Man beachte auch die Urheber der jeweiligen Kurzfilme. Auch hier habe ich mich kurz gefragt, ob das nicht ein böser Scherz sei. Ist es nicht.
Die bösen Rechten sind schuld
Die Argumente der Gegenseite, vor allem der offiziellen Kanäle der Teilstreitkräfte und des DoD, erscheinen in diesem Licht als geradezu absurd. In epischer Breite wird versucht darzulegen, dass es nicht die identitätspolitischen Auswüchse sind, die die Rekrutenzahlen schrumpfen lassen, sondern die Diskussion eben darüber – die „Politisierung der Streitkräfte durch die anti-woke Agenda rechter Kreise“ habe eine abschreckende Wirkung und sei die eigentliche Ursache für den Rückgang der Rekrutierungszahlen. Offenbar glaubt man, dass diese wieder in die Höhe schnellen, sobald die ewiggestrigen rechten, alten, weißen Männer aufhören, sich über den woken Wahnsinn zu beschweren.
Auch die US-Heeres-Staatssekretärin Christine Wormuth gab unlängst in Medienauftritten zu, es gebe „keinen Zweifel“ daran, dass die Wahrnehmung, das Militär sei „woke“, zu den Rekrutierungsproblemen beitrage. Im gleichen Atemzug argumentierte sie allerdings, dass das Problem durch „die politische Rhetorik rechter Kreise“ und nicht durch militärische Maßnahmen verursacht werde. Im Klartext heißt das: „Wir wissen, dass wir Blödsinn verzapfen. Wir wissen, dass ihr es wisst. Aber wir wollen euch zwingen, so zu tun, als sei es real.“
Fazit: Die Situation in den Vereinigten Staaten ist (nicht nur) hinsichtlich der Entwicklung der Streitkräfte mehr als besorgniserregend. Während der Druck durch die Biden-Regierung auf DoD und DA steigt, die identitätspolitische Agenda auch in der Truppe umzusetzen, versucht die militärische Führungsebene („Top Brass“) den Eiertanz. Man bemüht sich, eine Agenda, die alle erforderlichen Aspekte und Fähigkeiten eines militärisch wertvollen Kämpfers ad absurdum führt, als Fortschritt für die Soldaten, die Teilstreitkräfte, das Militär im Allgemeinen und für das ganze Land zu verkaufen. Die Reaktion der „normalen Menschen“ hierauf – mithin auch die der potenziellen Rekruten – spricht für sich.
Deutschland zieht nach
All das bahnt sich – wie erwähnt – auch in Deutschland an, nur mit einer gewissen Verzögerung. Hierzu nun das oben angekündigte Schmankerl. Wie Kollegin Anabel Schunke in diesem sehr edukativen Tweet darlegt, enthält der Entwurf für das kommende Selbstbestimmungsgesetz ein sogenanntes Offenbarungsverbot. Wenn Günter plötzlich Gudrun genannt werden will, darf man seine Eigenschaft als biologischer Mann nicht mehr offenbaren, zum Beispiel sagen, dass Günther ein Mann ist. Es droht ab Beschluss des Gesetzes ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro.
Allerdings bedarf es dieses Gesetzes schon jetzt nicht mehr. Ein mir bekannter Kamerad der Reserve hat vor einigen Wochen seinen Abschied eingereicht, nachdem ihm ein eifriger Vorgesetzter ein mögliches Disziplinarverfahren in Aussicht stellte, sollte er sich nicht von seiner Aussage distanzieren, dass Oberstleutnant Biefang ein biologischer Mann sei.
Der aufmerksame Beobachter tut ja bekanntlich gut daran, auch das relevante Umfeld eines Phänomens zu betrachten, um mögliche Einflüsse von Nebengleisen zu erkennen, Parallelen in anderen Bereichen zu beleuchten und dann ein möglichst schlüssiges Bild des Gesamtkontextes zu zeichnen. Ich beschränke mich hier aus Platzgründen nur auf ein aktuelles Beispiel aus dem nichtmilitärischen Bereich: die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, die ja in letzter Zeit von einer Katastrophe in die nächste taumelt. Was eine Menge mit Nachwuchsproblemen bei den Jüngeren und der sich wandelnden Einstellung zum Beruf bei den Älteren zu tun hat. Wer da noch aus der „Alten Welt“ stammt und sich so benimmt, sieht kein Land mehr.
So sinniert der Kicker aktuell darüber, warum denn der Stürmer Niclas Füllkrug nicht zur Stammelf gehört, obwohl er Deutschlands einziger echter Stürmer (und dazu noch der erfolgreichste) ist. Die Kollegen vom Kicker eiern mehr oder weniger erfolglos um des Pudels Kern herum, um dann in seltener Klarheit das Dilemma der Medien des Juste Milieu offenzulegen. Unter einem Zitat von Füllkrug als Zwischenüberschrift: „Ich bin stolz auf jedes Länderspiel, ich liebe es, für Deutschland zu spielen und bin immer mit Stolz und 100 Prozent dabei“ schreibt der Autor des Textes die Zeile: „Es ist ein Rätsel um Füllkrug.“
Vielleicht sollte er sich mal das Auftreten und die Mimik des Restes unserer Gurkentruppe anschauen. Lustlos, freudlos, antriebslos und missmutig irren sie umeinander, selbst dann, wenn sie mal ein Tor erzielt haben. Mit Freude, Stolz und Liebe für Deutschland zu spielen ist offenbar eine so exotische Einstellung geworden, dass sie für den Bundestrainer ein Grund ist, Spieler mit solcherlei Attitüde auf die Bank zu setzen.
Für die Fachpresse ist es ein Rätsel. Für mich nicht.
Martin Toden ist studierter Personalentwickler, Reserveoffizier der Bundeswehr und blickt auf fast 40 Jahre zivile und militärische Führungserfahrung zurück. Er schreibt hier unter Pseudonym.