Ulrike Stockmann / 18.03.2023 / 16:00 / Foto: Achgut.com / 28 / Seite ausdrucken

Sind die Tage der Gendersprache gezählt?

Die Stralsunder Bürgerschaft hat gegen das Gendern in der Verwaltung gestimmt. Der AfD-Antrag war unter anderem mit Stimmen von CDU und FDP durchgebracht worden. Nach der Hamburger Volksinitiative gegen die Gendersprache scheinen die Zeichen auf Protest zu stehen.

Die Stralsunder Bürgerschaft – also das oberste Beschlussorgan der Hansestadt in Mecklenburg-Vorpommern – hat gegen das Gendern in der Verwaltung gestimmt, schreibt unter anderem die Welt. Die AfD hatte einen Antrag mit dem Titel „Gendern konsequent unterbinden – Kommunikation in regelkonformer Sprache“ zur Abstimmung gebracht, der städtische Einrichtungen und Betriebe anweisen will, sich an die Vorgaben des Rates für deutsche Rechtschreibung zu halten. Dieser hatte das Gendern bereits 2021 abgelehnt – etwa in Form von Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt.

Am Donnerstag hatten 21 Stadtvertreter für und 17 gegen den Antrag gestimmt. Von insgesamt 43 Stralsunder Bürgerschaftsmitgliedern gehören nur sechs der AfD an. Die weiteren Stimmen für den Antrag stammen von der CDU und FDP sowie den „Bürgern für Stralsund“ (BfS). Zwei CDU-Frauen sowie die Teilnehmer von Linke, SPD, Grünen und Die Partei hatten dagegen gestimmt. Die SPD-Landtagsfraktion in Schwerin nannte dieses Abstimmungsverhalten einen „Tabubruch“ und befand es für „nicht hinnehmbar, dass die CDU und die FDP mit der AfD stimmen und deren Antrag zur Mehrheit verhelfen“. Und Paul Benduhn, Sprecher der Grünen Jugend Mecklenburg-Vorpommern, gab zu Protokoll: „Die Brandmauer gegen Rechts ist einmal mehr löchrig wie ein Schweizer Käse.“

Dass es nicht um Inhalte, sondern ums Image geht, ist eine der größten Krankheiten unserer Politik. Und in der Tat werden vergleichbare Anträge nicht selten abgeschmettert, wenn sie von der AfD stammen. So geschehen etwa im Januar im Landtag von Sachsen-Anhalt, als sich die CDU gegen den AfD-Antrag „Gendern? Nein danke“ stellte. Diese hatte pikanterweise vom gleichnamigen Antrag der CDU in Thüringen abgeschrieben, welcher im vergangenen November mithilfe von AfD und den „Bürgern für Thüringen“ durchgebracht worden war.

Und im Juni 2021 hatte die AfD in Hessen einen Antrag zum Verbot der Gendersprache in den Landtag gebracht, welcher von den anderen Parteien abgelehnt worden war (dieser Antrag soll wiederum fast wortgleich von der Hamburger CDU übernommen worden sein). Bemerkenswert sind diese Geschehnisse nicht zuletzt auch deshalb, weil es laut einer Umfrage von 2021 in keiner Partei eine Mehrheit für die Gendersprache gibt.

„Nun ist das Volk an der Reihe“

Neben dem Thüringer Antrag stellt der Stralsunder Beschluss also einen seltenen Erfolg parteiübergreifender Kooperation gegen die Gendersprache – auch mit der AfD – dar. Womöglich hat sich das politische Klima auch durch die Hamburger Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ von Sabine Mertens gedreht (Achgut berichtete hier und hier. Ich habe Sabine Mertens außerdem für meinen YouTube-Kanal interviewt). Bis August müssen 10.000 Hamburger Unterschriften gesammelt werden, um im nächsten Schritt innerhalb drei Wochen 66.000 gültige Unterschriften zu bekommen, damit es dann, gekoppelt an eine Landtags- oder Bundestagswahl, zum Volksentscheid kommen kann.

Die Kunsttherapeutin und Autorin hatte die Initiative mit Rückenwind der Hamburger CDU gestartet, die die Aktion schon im Vorhinein unterstützte und deren Fraktionschef Dennis Thering gar dafür plädierte, im Senat aus eigener Initiative gegen die Gendersprache vorzugehen. Auch FDP und AfD äußerten Zustimmung, auf Solidarität seitens der umstrittenen Letzteren legt die Initiative jedoch ausdrücklich keinen Wert.

So oder so macht ihr bisheriger Erfolg – mit bereits 6.000 gezählten gültigen Unterschriften sollte die erste Etappe bis August genommen werden können – Mut, dass sich Engagement wieder lohnt. Ob nun parteipolitisch oder zivilgesellschaftlich. Ein „Ableger“ der Hamburger Initiative findet sich bereits in Baden-Württemberg um den Heidelberger Rechtsanwalt Klaus Hekking: Seit Beginn dieser Woche sammelt das CDU-Mitglied Unterschriften gegen die Genderpflicht. Wie RTL berichtet, war ein Antrag der FDP gegen das Gendern in öffentlichen Institutionen im Februar im Landtag bereits gescheitert.

Nun sei das Volk an der Reihe, findet Hekking. Seit Montag hätten bereits knapp 1.500 Menschen digital unterschrieben (hier kann unterzeichnet werden). Auch in Baden-Württemberg werden zunächst 10.000 Unterschriften benötigt, um im zweiten Schritt ein Volksbegehren zu starten. Kommen hier in sechs Monaten rund 780.000 Unterschriften zusammen (10 Prozent der Wahlberechtigten), wird im dritten Schritt der Gesetzesentwurf dem Landtag zur Abstimmung vorgelegt. Findet er keine Mehrheit, folgt eine Volksabstimmung.

 

Ulrike Stockmann, geb. 1991, ist Redakteurin der Achse des Guten. Mehr von ihr finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.

Foto: Ulrike Stockmann

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Leserpost

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Gerd Heinzelmann / 18.03.2023

Was bin ich froh, dass Sie mich nicht lieben, liebe Frau Stockmann. Das würde ich nicht überleben. Die Entwicklung auf der Achse gefällt mir.

Henri Brunner / 18.03.2023

Frau Mertens zeigt exemplarisch das Problem des Konservatismus in Deutschland: es ist die Stuten issigkeit der Konservativen gegen ihresgleichen, also gegen die AfD.

Thomas Hechinger / 18.03.2023

Ich habe mir das YouTube-Video mit Frau Stockmann und Frau Mertens angesehen. Frau Mertens argumentiert bis auf eine Ausnahme sehr souverän. Die Ausnahme ist wieder einmal die völlig überflüssige und unsinnige Distanzierung von der AfD. Nach Argumenten gefragt, fällt ihr nichts Besseres als der Vorwurf, die AfD haben Menschen „entsorgen“ wollen, ein. Mit Hilfe einer Internetrecherche gelang es mir, meine Erinnerung zurückzuholen. Es war Alexander Gauland, der in einer Rede Frau Özoğuz „in Anatolien entsorgen“ wollte. Das war 2017. Einverstanden, sind wir also nachtragend: An dieser Aussage will ich nichts beschönigen, sie ist menschenverachtend. Ich weiß aber gut, daß es damals ein Leichtes war, ähnliche Wendungen auch von Politikern anderer Parteien aufzufinden. Diese Sprache ist keine AfD-Sprache, die Verrohung der Sprache durchzieht die gesamte Kommunikation in den Kommentarspalten der Medien und den sozialen Netzwerken. Da wird nicht nur entsorgt, da wird auch mal ein Blinddarm entfernt, oder es wird Menschen gesagt: Ihr seid mal raus aus dem öffentlichen Leben! Wenn es Frau Mertens daher ernst mit ihrer Distanzierung wäre, dürfte sie vermutlich mit keiner Partei zusammenarbeiten, schon gar nicht mit der CDU, die maßgeblich an der Spaltung der Gesellschaft beteiligt war. Es ist wohl wieder einmal der Versuch, dem Kontaktschuldvorwurf von vorneherein auszuweichen. Aber keine Sorge, Frau Mertens, der wird sowieso irgendwie auf Sie überkommen. Das verspreche ich Ihnen. Denn nicht ungestraft treten Sie auf der Gendersprache herum. Wenn man Kindern ihr Spielzeug nimmt, können die so was von eklig werden.

Sam Lowry / 18.03.2023

ChatGPT (jetzt auch auf “german”) schreibt: Aufgrund des großen Widerstandes sollte man zukünftig einen anderen Weg suchen zu gendern… (“Gendern” ist, wenn ein Sachse mit dem Boot umkippt)

Jens Kegel / 18.03.2023

Sprache verändert sich von unten durch Viele, nicht durch Beschluss von oben durch Wenige. Diese Tatsache lässt sich genausowenig wegideologisieren wie jene, dass Energie nur umgewandelt, nicht erneuert werden kann. Oder jene, dass Fortpflanzung per Sex funktioniert, wozu es Männchen und Weibchen bedarf. Naturgesetze haben noch immer den längeren, weil faktischen Atem gehabt.

M. Feldmann / 18.03.2023

Oh Frau Stockmann! Wie heißt das alte Sprichwort? “Eine Meise oder Amsel macht noch keinen Frühling!” Oder so ähnlich. ... Ich würde es Ihnen, uns Allen und der Deutschen Sprache wünschen! Allein ...! - Der Terror legt noch Einen drauf. In Düsseldorf werden jetzt Strassen in arab. Schrift und entsprechenden Namen gekennzeichnet. Ich überlege schon arabisch zu lernen, dass ich auf Behörden noch verstanden und bedient werde. Das Gleiche trifft dann irgendwann auf den täglichen Einkauf zu. - Ich werde vermutlich verwahrlosen und verhungern. Na ja, im Pappkarton im Park braucht man nicht viel.

Fred Burig / 18.03.2023

Schade für die Genderfachkraft! Der Genderbeauftragte war quasi wie ein Gendarm, der in einer Art Gendarmerie seiner Beauftragung nachkommen musste. Ob Orte, die nach ihm benannt wurden, z.B. “Gendarmenmarkt"nun wieder umbenannt werden sollen, muss noch von einem Umbenennungsbeauftragten geprüft werden. MfG

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