Bernd Steinbrink, Gastautor / 23.01.2019 / 06:10 / Foto: Tomaschoff / 46 / Seite ausdrucken

Schule schwänzen für das Klima

Von Bernd Steinbrink.

Vor gut vierzig Jahren: Studentenstreiks waren an der Tagesordnung, auch viele Professoren ließen ihre Vorlesungen ausfallen. Einer nicht. Und das war gerade jener, der als Vertreter der Frankfurter Schule als besonders „progressiv“ galt. Seine Begründung teilte er uns in der Vorlesung mit: Wenn ein Beschäftigter in einem Betrieb streikt, dann stehe die Produktion still, er habe also ein Machtmittel gegenüber dem Arbeitgeber. Wenn Studenten streiken, welches Machtmittel hätten sie? Sich künstlich dumm zu halten durch Lernverweigerung? Für ihn sei das keine Option.

Seit einiger Zeit gelingt es Grünen und Umweltschützern, die Klimadebatte anzuheizen. Autofahrer, Vielflieger, Bauern, Kaminbetreiber, alle sollten sich ihrer Umweltsünden bewusst werden. Sogar Brauereien appellierten an das schlechte Gewissen von Biertrinkern und verschafften Ablass für den Verbrauch von Tropenhölzern, indem ein Teilerlös vom Verkauf dem Erhalt des Regenwaldes zugutekommen sollte. Der Umgang mit dem schlechten Umweltgewissen trieb seltsame Blüten.

Ein langjähriger Mitarbeiter des Weltklimarats (IPCC) und engagierter Aktivist für den Klimaschutz, Stephen Schneider, legte bereits 1989 die Marschroute fest: „Wir müssen Schrecken einjagen, Szenarien ankündigen, vereinfachende dramatische Statements machen und irgendwelche Zweifel, die wir haben mögen, nicht erwähnen“. Man benötige breite Unterstützung, dazu „sind viele Medienberichte notwendig“. Nun scheint das Prinzip solcher Panikmache aufzugehen, denn es ist sicherlich ein gängiges Mittel, um Opferbereitschaft zu erzeugen. Zumal wenn es sich um ein wenig reflexionsfähiges Publikum handelt und die Opferbereitschaft nicht zu arg strapaziert wird, vielleicht sogar positiv angenommen wird: saufen für den Regenwald, Schule schwänzen fürs Klima. Das macht vielen Freude, das bedarf keiner besonderen Anstrengung.

Lernen erfordert Anstrengungsbereitschaft, Schwänzen nicht

Ob Pimpfe, Hitlerjungen, Jungmädel, Jungpioniere, FDJler – immer schon hatten Kinder und Jugendliche als zukunftsweisende Generation Platz in der Propaganda totalitärer Staaten. Unter diesem Aspekt erscheint der Auftritt der 15-jährigen Greta Thunberg beim UN-Klimagipfel in Kattowitz degoutant. Sie brachte eine durchaus mit rhetorischen Figuren und gängigen Topoi gespickte Anklage gegen die reichen Länder und Menschen hervor, die angeblich für ihren Luxus die Umwelt opfern: Das alte Lied von der Schuld der Industrienationen. Aber wer hat ihre Rede vorbereitet? Wer die Formalitäten für diesen Auftritt besorgt, wer die Schulschwänz-Initiative organisiert, wer die propagandistische Wirkung geplant? Allein dieses Mädchen? Wohl kaum. Oder steckte dahinter womöglich eine gezielte Strategie von Klimaaktivisten? Das wäre sicherlich eine recht perfide Form des Kindesmissbrauchs. 

Thunbergs Beispiel, am Freitag die Schule fürs Klima zu schwänzen, macht nun auch in Deutschland Schule – besser als sich schulfrei zu nehmen und auf zum verlängerten Wochenende! Wie viele Kinder würden wohl kommen, wenn die Demonstrationen in der Freizeit wären? Viele Medien äußern Verständnis, auch Lehrer verweisen auf das angebliche Verantwortungsbewusstsein der jungen Menschen. Da steht dann ein vielleicht zehnjähriges Mädchen vor der Fernsehkamera und erklärt, man möge ihm nicht die Zukunft rauben, eben deshalb schwänze es die Schule. Doch taugt Schwänzen dazu? Schafft Lernverweigerung Zukunft? Da gibt es ein besseres Mittel: Lernen und Wissen erwerben. Und das tut man vor allem in der Schule - wenn denn die Lehrer dafür taugen. Aber Lernen erfordert im Gegensatz zum Schwänzen Anstrengungsbereitschaft. Doch im Ergebnis durchschauen die Kinder dann vielleicht in Zukunft die unappetitlichen  Methoden mancher Grünen und Umweltschützer.

Bernd Steinbrink, geb. 1951, arbeitete als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Rhetorik-Institut der Universität Tübingen, als Professor für Mediensystemtechnik an der HTWK Leipzig, anschließend hatte er eine Professur an der FH-Kiel, ist seit 2017 im Ruhestand. Er schrieb im Literaturteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter Reich-Ranicki und zahlreiche Artikel in technischen Zeitschriften (u. a. c’t, Byte, European Computer Sources, Mémoires Optiques). Er schrieb Artikel Bücher zur Literaturgeschichte, digitalen Medien und Rhetorik.

Foto: Tomaschoff

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Katrin Schmidt / 23.01.2019

@Sabine Heinrich. Hallo Frau Heinrich, in Mittelfranken durften sich die angehenden Abiturienten ( die gerade nichts Besseres zu tun haben ) in Listen eintragen, welche von den Sozialpädagogen ausgelegt wurden. Die Teilnahme war freiwillig und fand unter Begleitung der Sozialpädagogen statt.

Bettina Jung / 23.01.2019

Liebe Kinder, verzichtet auf Smartphone, Tablett und geht zu Fuß nach Hause, anstatt Euch von Mama mit dem Cayenne von der Schule, dem Klavierunterricht, vom Sport etc. abzuholen. Und ja, Mc Donald ist auch Tabu. Lasst Euch von Mutti Merkel das Rezept für die Kartoffelsuppe geben. Schmeckt auch gut!

H.Milde / 23.01.2019

Zuerst die “Lufthoheit über die Kinderbetten” (Olaf Scholz, sPD, ehem HH-OB), weiterführend die Schulen, dann Universitäten hin zum Plenarsaal/Volkskammer2.0, Ministerien, Politbüro2.0, das Endziel die Komintern? Die Schulverdummung in diese Richtung scheint in HH, ua BundesLänder, ja auch prächtig zu gedeihen ->“Dividieren….. versteht kaum ein Schüler” ->WOnline. Von Genossen, Grünnen*Innen weiß man aber, daß die ihre Ableger gerne in PrivatSchulen verräumen, wie in DDR 1.0. Gibt´s da schon analoge NAPOLA´s 2.0/W.Pieck-JugendHochSchule? -> Gebäude gehörte mW früher J.Goebbels, gute Weiternutzung.    ; ) Die sPD, LinkeGrüne*innen, Geschwister im Geiste, sind anscheinend auf ihrem “langen Marsch” durch die Institutionen weit vorangekommen. Nur eine äußere rotbraune Uniformierung fehlt noch.  33/45, 46/89 lassen grüßen.

Rainer Hanisch / 23.01.2019

In Erlangen fand auch eine solche “Demo” statt. Als ich die fehlerbehafteten Texte auf den mitgeführten Plakaten las, graute mir vor der Zukunft! “FCK AFD” gehört ja nun bei den “wenig reflexionsfähigen” Akteuren zum guten Ton, aber Klima mit Doppel-M und Erwärmung mit “e” - da sollten die Schüler besser doch versuchen, wenigstens etwas mehr zu lernen, statt zu “protestiren”. “Wald statt Kohle”  schafft im Winter nicht unbedingt einen warmen Hintern und der Aufruf Veganer zu werden zeugt auch nicht gerade von einem höheren Bildungsgrad. Unsere “Zukunft”, wie die Kinder immer gern bezeichnet werden, sollte sich ernsthaft Gedanken über ihren Weiterbestand machen, statt linksgrüne Parolen nachzuplappern. Auch die Grünen haben nicht für jeden Bildungsnotständler einen halbwegs gut bezahlten Posten, so alt sind die gegenwärtigen Postenhalter ja noch nicht. Und die linientreuen Lehrkräfte ändern an der Misere auch nichts.

Werner Arning / 23.01.2019

Damals, zu Grundschulzeiten, gab es nur einen einzigen akzeptierten Grund, um in gesundem Zustand den Unterricht zu schwänzen : Es musste jemand in unserem Dorf gestorben sein. Dann wurden Messdiener benötigt. Beerdigungen fanden immer morgens statt. Und kurz vor der Beerdigung kam jedes Mal ein Kirchenvertreter in unseren Unterricht, flüsterte unserem strengen Lehrer Herrn L. etwas zu und darauf hin fragte dieser die Klasse : Wer will heute Messdiener sein?  Es gab sieben qualifizierte Messdiener in der Klasse (nur Jungen, es gab noch keine Frauenquote), die natürlich alle aufzeigten. Nicht selten wurde ich erwählt. Verboten war allerdings, der meistens ausgesprochenen Einladung zu dem nach der Beerdigung stattfindenden Beerdigungsessen (belegte Brötchen, Streuselkuchen und Kaffee) Folge zu leisten. Wir (immer zwei Jungen) gingen natürlich trotzdem hin. Denn die Verlockung war zu groß. Während die Anderen büffelten, aßen wir Kuchen. Nur wenn dieses dann zu lange dauerte, wurde es gefährlich. Denn Herr L. wusste ziemlich genau, wie lange eine Beerdigung dauert. Ich zittere heute noch, wenn ich an das „Wo wart ihr so lange?“ denke. Und dann setzte es eine Tracht Prügel, für welche er heutzutage wohl hinter Gittern landen würde. Aber das war der einzige Weg, die Schule zu schwänzen. Zum Glück gibt es heute den Klimawandel.

Martin Rühle / 23.01.2019

@Hubert Bauer Verehrter Hr. Bauer, ein wirklich origineller Vorschlag ! Leider ist nicht die fehlende Intelligenz und Leistungsbereitschaft unserer Kinder Ursache für den Streikunfug! Es sind v.a. jene, die ihre ideologisch verzerrte Weltsicht auf die Schüler übertragen und eben nicht Wissen durch Lehre vermitteln! Wenn die Schüler streiken, sollten ihre Lehrer Nachhilfe in Naturwissenschaft, Psychologie (Herdenverhalten und Demagogie) und Geschichte (Gleichschaltung in autoritären Regimen) erhalten.

Bernd Große-Lordemann / 23.01.2019

Schwänzen für den “Klimaschutz”? Wäre es nicht sinnvoller, anhand der vom IPCC veröffentlichten und anderer Daten, im Unterricht nachrechnen zu lassen, wie groß der Einfluss Deutschlands bei null CO2 Emission auf die globale Temperatur ist? Vermutlich würden zumindest einige Schüler feststellen, dass sie für dumm verkauft werden sollen.

H.Roth / 23.01.2019

Wenn man die Pappschilder der Schüler sieht,  dann hat man den Eindruck,  daß uns nichts Geringeres als der unmittelbare Weltuntergang bevorsteht, wenn wir weiterhin Strohhalme verwenden und Dieselautos fahren. Wer vermittelt den Kindern denn eine solche Sicht der Dinge? Die Lehrer? Social Media? Und ist dieser Ökopopulismus nicht schon Volksverhetzung?

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