Thomas Rietzschel / 10.07.2015 / 16:18 / 7 / Seite ausdrucken

Rocker im Parkverbot

Nur für alle Fälle, falls es mal wieder Zeiten geben sollte, in denen man derartige Geschichte für üble Nachrede halten könnte, für die Ausgeburt des Irrsinns, wollen wir festhalten, was sich der Bundesgerichtshof gestern, am 9. Juli 2015, geleistet hat.

Nach langer Beratung und reiflicher Abwägung entschieden die Richter in Karlsruhe, dass sich die Rocker „nicht strafbar“ machen, wenn sie auf ihren Lederjacken die Symbole gewalterprobter Motorradclubs tragen, Totenköpfe, Revolver, Säbel und sonstige Scheußlichkeiten, mit denen sich Bandidos, Hells Angels und andere mehr zu erkennen geben. Nur weil einzelne „Chapter“, Ortsvereine, wegen krimineller Delikte unter Anklage stehen, dürfe man nicht jeden Rocker strafrechtlich verfolgen, der mit den Symbolen seiner Gang zeigen möchte, welche Macht hinter ihm steht. Das liefe auf eine Diskriminierung hinaus, gegen die zwei der Betroffenen geklagt hatten.

Nun ist es das gute Recht eines jeden, die Gerichte anzurufen, wenn er sich unrechtmäßig verfolgt fühlt; die Gerichte müssen der Klage stattgeben, wenn sie sie für begründet halten. Schließlich leben wir in einem Rechtsstaat, für dessen Erhalt die Justiz einzustehen hat, egal, was sonst in der Welt geschehen mag. Mögen noch so viele Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken, mag der Krieg in der Ostukraine weiterhin seine Opfer fordern, über 6.200 bisher, mag sich die Politik entschlossen haben, die Griechen am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen, die befürchtete Einschränkung des Persönlichkeitsrechts der Rocker verdient es, höchstrichterlich verhandelt zu werden. Das Problem brennt uns offenbar schon seit längerem unter den Nägeln.

Hier darf es, so einer der Verteidiger, „keine Sippenhaft“ geben. Dass die Mitglieder darauf bestehen, die Abzeichen ihrer kriminell auffälligen Vereine zu tragen, muss ja nicht heißen, dass sie über deren Geschäfte informiert sind. Schließlich haben wir gelernt, dass auch die Mehrheit derjenigen, die das Hakenkreuz am Revers trugen, keine Ahnung von der Judenverfolgung hatte, dass die SED-Genossen nichts von der Existenz eines Schießbefehls an der innerdeutschen Grenze wussten, dass die Moslems, die mit dem Koran in der Tasche zum Morden ausrücken, nichts mit dem Islam zu tun haben.

Man muss eben differenzieren, erst recht, wenn es um die Rocker geht, in deren Milieu nur gelegentlich der eine oder andere umgelegt wird. Das wussten schon Gerhard Schröder und Christian Wulff, wohl auch Sigmar Gabriel, als sie in Hannover noch vertrauten Umgang mit Frank Hanebuth pflegten. Seit 2013 sitzt der einstige Bordellbetreiber und Präsident des Hannoverschen Hells Angel Charters in spanischer Untersuchungshaft.

Dafür, dass ihre Vereine gleichwohl nicht in Vergessenheit geraten, können die Männer auf den schweren Maschinen jetzt wieder sorgen, indem sie die Markenzeichen der Gangs ausführen, ohne sich eines strafrechtlich zu ahndenden Vergehens schuldig zu machen. Dennoch, erklärte die Rechtsexpertin des Hessischen Rundfunks gestern Abend, könnten die Clubs natürlich verboten werden. Es verhalte sich eben wie beim Parkverbot. Auch wer das nicht beachte, begehe keine Straftat, nur eine Ordnungswidrigkeit, für die er strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.

Mit anderen Worten, die Rockerbanden schlagen nur ein bisschen über die Stränge mit ihrem Drogenhandel, mit Zuhälterei und Schutzgelderpressung, mit Mord und Gewalt. Kein Grund also, ihnen das Tragen der Totenkopf-Symbole zu verwehren. Das ginge dann doch zu weit, entschieden der Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland am 9. Juli 2015.

Und weil sich das Größere immer im Kleinen vorbereitet, wollten wir das wenigstens festhalten, journalistischer Chronistenpflicht genügen, damit es nicht eines Tages wieder heißt, man hätte nicht bemerken können, was die Stunde im Rechtsstaat geschlagen hat, wie der Irrsinn epidemisch wird.

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Leserpost

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Rudolf Borrmann / 11.07.2015

Jemand seit 2013 in U-Haft sitzen zu lassen beweist lediglich, dass dem “Täter” wenig nachgewiesen werden kann oder der Rechtsstaat in Spanien noch nicht angekommen ist. Ziemlich menschenverachtend. Und leider habe ich von Herrn Rietzschel noch keinen Artikel gelesen, der sich mit dem Herzeigen von DDR-Symbolen in der Öffentlichkeit beschäftigt. Das zu verachten und sich für ein Verbieten einzusetzen, wäre wirklich von Nöten und wichtiger. Übrigens: Der Drogenhandel und anderes wird durch Verdrängung deutscher “Vereine” von Amts wegen ersatzweise von ausländischen Mitbürgern aus Albanien, Russland usw. übernommen, habe ich in der Presse gelesen. Bekanntermaßen brutaler und menschenverachtender als bisher, nur keinen stört´s. Auch Mafiamitglieder tragen keine Vereinskutten, na so was aber auch… Da ist der Rechtsstaat offenbar blind, und die investigative Journalistik auch. Vereine und ihre Symbole verbieten bringt also gar nichts zum Besseren, im Gegenteil. Der BGH hat richtig entschieden.  

Marcus Wenck / 11.07.2015

Eigentlich sollte es so laufen, dass kriminelle Kuttenträger ihre verdiente Strafe bekommen und die anderen weiter mit Ihrer Harley fahren. Offenbar hat die Polizei aber keine Übersicht. Ich verstehe entsprechend überhaupt nicht, was ein “Kuttenverbot” gegen organisierte Kriminalität effektiv ausrichten soll. Es scheint wohl eher darum zu gehen, die schwäche des Rechtsstaates in der Bekämpfung derselben etwas weniger sichtbar zu machen. Einziger Unterschied: Nun liest man in der Zeitung nicht immer direkt von einem Rockerkonflikt, sondern erst mit einer Woche Verzögerung wenn es niemand mehr interessiert. Weniger Negativ-PR ist ja auch im Sinne der betroffenen “Clubs”. Im Grunde ist das alles nur unendlich peinlich.

Bernd Naumann / 11.07.2015

Lieber Herr Rietzschel, auch wenn ich mit den Typen nichts am Hut habe, freue ich mich über das Urteil. Es weist in Richtung Freiheit, nicht in Richtung Verbot. Jeder hat Intellekt genug, die Zeichen zu deuten und deren Träger einzuordnen. Viele Grüße B. Naumann

Ansgar Ankelmann / 11.07.2015

Naja, also mit einem Verbot hätte das Gericht gleichzeitig alle Cowoboy und Indianerverkleidungen für Fasnacht verboten. Was soll dann als nächstes kommen? Ein Verbot von Knallerbsen, weil sie peng machen wie eine Pistole??

Mona Rieboldt / 11.07.2015

So lange Moslems hier öffentlich ihren al-quds-Tag feiern und ihren Hass auf Juden und Israel heraus schreien dürfen, im letzten Jahr jüdische Personen angegriffen haben, aber niemand von denen juristisch zur Rechenschaft gezogen wurde, was sind dagegen ein paar martialische Jacken. Rocker bewegen sich im kriminellen Milieu ähnlich Zuhältern etc., wobei es in diesem Milieu immer zu Auseinandersetzungen, Revierkämpfen kommt.  Aber im Gegensatz zu demonstrierenden Moslems schreien sie nicht “Jude, Jude, feiges Schwein…“wollen sie weder Juden umbringen noch ein ganzes Land wie Israel vernichten.

Rainer Bayer / 10.07.2015

Lieber Herr Rietzschel, Respekt für Ihre für libertäre und liberale doch eher unübliche Sicht.      

Michael Krenn / 10.07.2015

Es wird doch einer katholischen Ordensschwester auch nicht untersagt ihr Kreuz zu tragen, nur weil ein paar pädophile Priester aus ihrem Verein sich an kleinen Jungs vergangen haben. Da kann doch die Schwester nix dafür! Angesichts der ansonsten einwandfreien Historie und gelebten Praxis dieses rechtschaffenen Klubs sollte man doch nicht die kleinen Mitglieder bestrafen.

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