Gunter Weißgerber / 24.02.2022 / 12:06 / Foto: Achgut.com / 40 / Seite ausdrucken

„Putin-Doktrin” löst „Sinatra-Doktrin” blutig ab

Kaum war dieser Text fertig, kamen die ersten brutalen Kriegsnachrichten und -bilder aus der Ukraine auf den PC-Schirm. Unter der Parole „Putin beginnt militärische Sonderoperation zum Schutz des Donbass und Entnazifizierung der Ukraine“ (RT) läßt er „zurückschießen“ wie weiland um 5:45 Uhr. Wladimir Putin geht es um die „Curzon-Linie“. Er betätigt sich damit als Großverweser des „Hitler-Stalin-Paktes“. Auch 1989 waren für ihn die Demonstranten von Leipzig und in der gesamten DDR „Konterrevolutionäre und Faschisten“.

Die „Putin-Doktrin" löst die sogenannte „Sinatra-Doktrin" blutig ab. Die gestattete den Ländern das Motto „I did it my way": „Jedes Land entscheidet selbst, welchen Weg es gehen will", sagte Michail Gorbatschow am 7. Dezember 1988 vor der UN-Generalversammlung. Und propagierte: „Dass jedes Volk selbst das Schicksal seines Landes bestimmt und das Recht hat, selbst das gesellschaftspolitische und ökonomische System, die staatliche Ordnung, die es für sich als geeignet betrachtet, zu wählen. Für die Gestaltung der Gesellschaft gibt es nicht nur einen Standard […] Kein Land darf den Verlauf der Ereignisse innerhalb eines anderen Landes diktieren, keiner darf sich die Rolle eines Richters oder Schiedsrichters anmaßen.“

Am 26. Oktober 1989 berichtete die „New York Times“ über die Aussage Gennadi Gerassimows, des Sprechers des sowjetischen Außenministers Eduard Schewardnadse, mit folgenden Worten: „Der Weg zur „Sinatra-Doktrin" Erst mit dem Amtsantritt von Michail Gorbatschow als Generalsekretär der KPdSU im Jahr 1985 fand die Breschnew-Doktrin ein Ende. Die sowjetischen Truppen zogen aus Afghanistan ab. Und am 25. Oktober 1989 erklärte Gorbatschow bei einem Staatsbesuch in Finnland den Verzicht auf den Einsatz von Gewalt gegen Staaten des eigenen Bündnisses.

Der Sprecher des sowjetischen Außenministeriums, Gennadi Gerassimow, fasste die neue Linie bei einem Auftritt beim amerikanischen Fernsehsender ABC am gleichen Tag wie folgt zusammen: „Wir haben jetzt die Frank-Sinatra-Doktrin. Er hat ein Lied, 'I Did It My Way'. So entscheidet nun jedes Land selbst, welchen Weg es gehen will." In einem weiteren Journalistengespräch sagte Gerassimow: „Ungarn und Polen gehen ihren eigenen Weg. Ich denke, die Breschnew-Doktrin ist tot."  

Es war die damalige sowjetische Regierung, die jedem Staat weltöffentlich den eigenen Weg zusicherte. Diese sowjetische Regierung sagte nicht, dass diese Freiheit nicht für die Sicherheitsbelange der Staaten gelten soll. Die Sowjetunion mit Gorbatschow an der Spitze machte den Weg für alle Bündnisse frei, die jeder Staat für sich selbst suchen kann. Weder „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft / heute Europäische Union“ noch NATO wurden dabei von der Sowjetunion ausgeklammert. Die hätten sonst beide offizielle Erwähnung gefunden.
Offiziell und völkerrechtlich gilt der „2+4-Vertrag“ vom 12. September 1990. In diesem Vertrag wurde abgehandelt und beschlossen:

  •  Die endgültigen mitteleuropäischen Grenzen und damit das Staatsgebiet des vereinten Deutschlands mit der Erklärung, dass Deutschland keine Gebietsansprüche an andere Staaten stellt.
  • Die Personalstärke der deutschen Streitkräfte auf 370.000 Personen mit der Erklärung, dass Deutschland auf die Herstellung, die Verfügung über und den Besitz von ABC-Waffen sowie auf das Führen von Angriffskriegen verzichtet
  • Eine Vereinbarung über den Abzug der sowjetischen Truppen aus Ostdeutschland bis 1994 und das Recht, Bündnissen anzugehören.

Der „2+4-Vertrag“ behandelte nicht die zukünftige und zu dem Zeitpunkt nicht absehbare Entwicklung in der Sowjetunion/Russland mit den beiden Putschen 1991 (Sowjetunion) und 1993 (Russland). 1990 war nicht sicher, dass der NATO der Warschauer Pakt durch dessen Selbstauflösung im Dezember 1991 abhandenkommen würde. Zusammen mit der sowjetischen Festlegung von 1988 über die Freiheit des Weges aller Staaten und dem Nichtvorhandensein völkerrechtlicher Verträge über einen Ausschluss der NATO als möglichem Bündnis war der Weg frei für alle Staaten, auch in der NATO ihr Sicherheitsbedürfnis abzusichern. 

Statt Russland könnte genau so gut ein anderer der zwölf ehemaligen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS-Staaten) Ansprüche auf die Sowjetunion und auf angebliche manifeste NATO-Ausschlusskonditionen im Zuge der deutschen Einigungsverträge erheben. Russland ist eine von zwölf ehemaligen Sowjetrepubliken. Dazu heißt es im „Informationsportal östliches Europa": „Zuletzt, 1993, wurde Georgien aufgenommen. Mit Ausnahme der baltischen Staaten (Estland, Lettland, Litauen) umfasste die GUS damit alle ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken. Die gegenseitige Achtung staatlicher Souveränität ist als ein wesentlicher Kooperationsgrundsatz festgelegt worden.“

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Ludwig Luhmann / 24.02.2022

Wie ich es in den ketzten Tagen schon mehrfach erwähnt hatte: Von Anfang an - eigentlich schon vor 2014 - kam von russischer Seite massive Propaganda, die die Ukrainer als Nazis oder Neonazis oder Faschisten bezeichnete. Das war für mich immer ein Hinweis darauf, dass hier von russischer Seite ein dreckiges Spiel gespielt wird. - Wer sich an die ersten Videos von der Annektion der Krim erinnert, weiß, dass es zweifellos um Leben oder Tod ging. - Nutzt Putin, der auch ein Young Global Leader von Schwabs Gnaden ist, jetzt den Great Reset oder ist Putins Aktion ein Spielzug im Great Reset?

Dieter Weiß / 24.02.2022

Diese Sinatra Doktrin klingt zwar schön, ist allerdings völlig unrealistisch. In Ländern die von nur einer Kulturgruppe besiedelt werden, mag das ja gehen, aber das ist doch nicht der Normalfall. Nirgens entlässt man eine Volksgruppe, die die Nase Voll von einem gemeinsamen Land hat, in die Freiheit. Nordirland, Baskenland, Honkong, Uigurien und jetzt die Russen in der Ukraine. Meist kämpfen die jeweiligen Machthaber mit allen Mitteln um dies zu verhindern oder wie in Taiwan um die Macht im abtrünnigen Teil wieder herzustellen. Ich kenne nur ein Beispiel wo eine Trennung ohne Gewalt erfolgt ist und da haben sich die Tschechen von den Slowaken getrennt. Normalerwiese wird da immer gewartet bis es knallt wie z. B. in Jugoslawien. Das Völkerrecht sichert hier nicht das Recht der Völker auf Feiheit sondern das Recht der Machthaber auf uneingeschränkte Machtausübung.  Ein ganz anderer Fall liegt vor, wenn es um die ureigenen Sicherheitsintressen eines Landes geht. Israel kann die Golanhöhen nicht wieder hergeben, weil es sonst von etwaigen Angreifern in wenigen Stunden überrannt wird. Und auch Russand kann die Krim nicht aufgeben, weil dann NATO Kriegsschiffe den freien Zugang zum schwarzen Meer verindern werden. Bei der ganzen Sache muss man sich fragen was die USA wohl tun würden, wenn Mexiko plötzlich russische Radarstationen und Atomraketen an der Grenze stationieren würde. Das hat es so ähnlich schon mal gegeben, die Kubakrise und nur einem Einlenken der Russen ist es zu verdanken dass es nicht zu einem Krieg gekommen ist. Früher gab es mal das Schlagwort von der friedlichen Koexistenz, da sollten wir wieder hinsteuern aber Koexistenz ist in der derzeitigen Politik kein Zielmehr, denn es werden rein ideologische Ziele verfolgt und das Existenzrecht anderer Lebensweisen generell abgelehnt.

Arne Ausländer / 24.02.2022

Will Putin die Curzon-Line als Grenze Rußlands? In der Erstfassung (ohne Ostgalizien) oder in der Version von 1945 bzw. 1939, also mit Lwow etc.? Was wird aus Südbessarabien? Bekommt dies Moldawien als Ersatz für Transnistrien, um ein Pufferstaat zu werden? Oder will Rußland auf das 1812 gewonnene Bessarabien auch nicht verzichten? Seinen Verlust nach 1917 hatte die SU nie anerkannt, anders im Fall von Polen, Finnland und dem Balitikum, wo die neuen Grenzen vertraglich besiegelt wurden. Ganz wie die Grenzen der Ex-Sowjetrepubliken wiederholt bestätigt wurden. Was alles kaum das Papier wert war und ist - wie man dann sah und heute sieht.—Wo hört das auf? Hört das auf?—Noch weniger als im Fall “Corona” erkennt die übergroße Mehrheit der Menschen die Situation klar und unverfälscht. Und wie könnte dann die Vertedigung gegen all die Machenschaften gelingen? So kann uns allenfalls Gott noch retten… (Oder welche Bezeichnung man für das Unkalkulierbare wählen mag)

A. Ostrovsky / 24.02.2022

Herr Weisgerber, ich respektiere Sie und Ihre Position. Aber ich mahne an, dass momentan die Propaganda bitte hinter den FAKTEN zurück stehen muss. Ich bitte Sie, zu der Karte, die beisoielsweise auch von der NZZ veröffentlicht wird, Position zu beziehen. Dort wird ein russischer Angriff aus die Ukraine im Südwesten behauptet. Es handelt sich um das Gebiet Transnistrien, das dort rot gefärbt wird und das den Eindruck erwecken soll, Putin wäre dort von der Republok Moldau aus in die Westukraine einngefallen. Was ist da los? Seit Mitte der 90-er Jahre herrscht dort stabil ein Separatisten-Regime, das sich von MOLDAWIEN abgespalten hat, nicht von der Ukraine. Es sollen dort zwar russische Truppen (ca 1000 bis 1500) stationiert sein, aber bereits seit 2014. Das Gebiet nödlisch des Dnistr-Flusses gehörte meines Erachtens NIEMALS zur Ukraine und niemals zu Russland. Jetzt sollen also dort russische Truppen in die Ukraine einmarschiert sein. Glauben Sie an so ein Himmelfahrtskommando von 1000 Russen, die von jedem Nachschub abgeschnitten sind? Das ist KRIEGSPROPAGANDA des WESTENS. Das können nur Falschnachrichten sein, wenn wir beide, Sie und ich noch einen Rest logischen Denkens haben. Glauben Sie wirklich, dass dieser schmale Streifen, hoffnungslos separiert vom Rest der Welt, von den Russen als Ausgangspunkt eines Einmarsches in die Ukraine genutzt wird?

S.Buch / 24.02.2022

Alles nur eine Frage der (militärischen) Macht. Nicht mehr und nicht weniger. Ob es einem nun recht ist oder nicht. Und ob man nun den marxisitisch-woken “Werte-Westen”, der gerne auch schon mal mit Schlagstöcken auf Andersdenkende einprügelt (zuletzt in Kanada), oder den Holzhammerkommunismus von Putin lieber mag, ist Geschmackssache.

Dirk Jungnickel / 24.02.2022

Wenn sich P. an den Baltischen Staaten auch noch vergreifen sollte, dann sind wir über die NATO involviert. Deren notorische Kritíker müßten dann logischerweise zur “Roten Armee” überlaufen ..... ;- @Dr. Kunze Offensichtlich gehören wir beide zu den weinigen mit denen es der HERR gut gemeint hat und   Vernunft auf uns regnen ließ. Heute und hier scheiden sich wahrlich die Geister. Die “Trolligen”  wie Herrn F.   u.a. kann und wird man nicht zum Schweigen bringen. Ich würde mir allerdings wünschen, dass die “Politniks ” hier auf der Achse, die hier schon seit Wochen dem Kriegsverbrecher mit Kreml - Sitz wohlwollend hinterherhecheln, wenigstens mal für einige Zeit schweigen. Das sind sie a l l e n   Kriegsopfern schuldig.

Klaus Keller / 24.02.2022

Die Sowjetunion und die USA garantierten den Verzicht auf jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten Afghanistans. Der Rückzug der sowjetischen Truppen sollte bis Mitte Februar 1989 beendet sein….Der Abzug der sowjetischen Truppen hinterließ Afghanistan politisch und militärisch ohne Ordnung… steht bei Wikipedia…Es folgte erst mal ein Bürgerkrieg… PS Ich bedaure sehr das 1990 (fast) niemand die militärische Neutralität* Deutschlands gefordert hat. Wir hätten uns längst daran gewöhnt und hätten uns um andere Dinge kümmern können als das Gutmachen der Welt mit militärischen Mitteln. * Das Buch “Neutralität ist kein Verrat”, von 4-Sterne-General Günter Kießling erschien 1989. Er beschäftigte sich also vorher schon mit den Bedingungen für die deutsche Wiedervereinigung und einer europäischen Friedensordnung.

Marc Greiner / 24.02.2022

Wer seit heute morgen immer noch Putin vestehen kann, dem ist nicht mehr zu helfen. Genauso wie jenen, die nach zwei Jahren Corona-Massnahmen immer noch nicht aufgewacht sind. Aber die haben wenigstens noch weitere 20 Jahre Zeit. Die anderen haben 22 Jahre lang Putin verstanden und es geht fröhlich weiter.

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