Sieg der Selbstbestimmung? Dann ist es ja auch kein Problem, wenn man als möglicher Spender, die Spende verweigert und dann eben auch als möglicher Empfänger nicht mehr in Frage kommt, oder? Das wäre nur konsequent selbstbestimmt… Aber die Wirklichkeit sieht anders aus: Sich selber ganz selbstbestimmt als Spender ausschliessen und dann vehement eine Organspende einfordern, wenn man doch selber eine benötigt… Ist wie mit der Blutspende - alle wollen eine im Notfall, aber keiner geht Blut spenden.
Die intelligenteste Lösung wurde allerdings garnicht zu Abstimmung gestellt: 1) es gibt eine zentrale Datenbank in Deutschland, in der sich jeder als Organspender eintragen und dann auch wieder austragen lassen kann. Dieser Teil von der Idee von Spahn und Lauterbach ist gut. Man ist dort aber nicht automatisch - wie von Spahn und Lauterbach vorgeschlagen - eingetragen, sondern muß dies selbst durch eine Unterschrift vornehmen. Daß man stattdessen einen Organspendeausweis immer mitführen muß, ist eine Zumutung und verkompliziert das ganze Prozedere. 2) wer in der zentralen Datenbank als Organspender eingetragen ist, kann ggf. als Organempfänger, wenn es zu wenig Organe gibt, gegenüber denjenigen priorisiert werden, die nicht in der Datenbank eingetragen sind.
Für meine Familienangehörigen würde ich hinnehmen, daß man mir Organe entnimmt, weil ich sie liebe, und ich würde die Ungewißheit verdrängen, die mit diesem Verfahren für mich verbunden ist, wie ich auch bereit wäre, für meine Kinder mein Leben hinzugeben. Niemand sonst wäre mir wichtig genug, meinen höchstpersönlichen, einmaligen Sterbeprozeß stören zu lassen. Wenn es etwas, nur ein einziges gibt, was allein mir gehört, dann bin ich das. Das teile ich mit niemandem, den ich nicht mehr liebe, als mich selbst. Es ist gut, daß die Mehrheit des Parlaments davon abgesehen hat, eine übergriffige Widerspruchs"lösung” zu verabschieden. Die Opferbereitschaft für Wildfremde wird mit dem Abgabensystem schon über die Grenze des Zumutbaren hinaus eingefordert- auch noch den Zugriff auf den Körper des Bürgers zu legitimieren, hätte jedes Maß gesprengt.
Die “Innereien-Abgabe” ist vom Tisch, wann folgt die “Demokratie-Abgabe”?
Leider bleibt für kranke Menschen, die ein Organ benötigen, auch alles beim Alten: sie werden vorzeitig und jung sterben. Der Sieg der Selbstbestimmung ist ein Desaster der Mitmenschlichkeit. Ahnungslosigkeit, Egoismus und mittelalterliches Denken im Bundestag, wie so oft. Ein weiterer Tiefpunkt. Für den Arztberuf sind diese Anti- Transplanteure völlig ungeeignet, da bräuchte man Charakter und Barmherzigkeit.
Es könnte so einfach geregelt werden: Nur wer sich zur Organspende bereit erklärt, erhält auch ein Spenderorgan im Bedarfsfall. Punkt. Aber im Land der Bedenkenträger sind Lösungen, die auch nur einen Hauch von gesundem Menschenverstand aufweisen schon immer verdächtig und damit chancenlos gewesen.
@Arndt Siewert @all “Richtig Gestorbene dienen nicht als Spender- sie dürfen nur Hirntot sein und werden dem noch lebenden Körpern entnommen…..oder? Nein Danke….” Im Abendland gab es immer zwei Weisen, den Eintritt desTodes zu bestimmen: 1) die christliche Variante - “Ein Mensch ist tot, wenn sein Herz aufgehört hat zu schlegen” (Herztod) 2. die (u. a.) jüdische Variante -“Ein Mensch ist tot, wenn er seinen letzten Atemzug getan hat (Hirntod). In beiden Fällen ist der Mensch tot. Dem Hirntod folgte der Herzstillstand in geringem zeitlichen Abstand. Jetzt, heute, tritt die moderne Medizin mit ihrer “Apparate-Medizin” auf den Plan und stellt den zeitlichen Abstand zwischen Hirn- und Herztod auf Dauer. Das mag gruselig sein, frankensteinmäßig, spricht aber nicht gegen Organentnahme, die maßgeblich nur in diesem Intervall gelingen kann. Alles hat seine Vor- und Nachteile. Ich erinnere mich an einen Fall in NRW vor fast dreißig Jahren als eine hirntote Frau mithilfe der Apparate ein gesundes Kind zur Welt brachte, nachdem das Abschalten der Apparate (gerichtlich) verworfen wurde.
Ich bin auch froh, dass diese Widerspruchsreglung nicht kam. Schon, weil Herr Spahn es sich für meine Sichtweise damit zu einfach machen wollte. Wenn wir allein die Spendenbereitschaft sehen, laut Umfragewerte, kann es wohl kaum allein nur daran liegen. Das Thema ist ja nun auch schon einige Jahre immer wieder aktuell. Und bilsang fehlten wirkliche Bemühungen einer Regierung, da wirklich mal aktiv zu werden. Wer horente Summen an Geldern an externe Berater ausgeben kann, wird doch bitte dafür auch Gelder haben, um eine grundlegende Kampagne zu machen. Gleiches gildet für die Krankenkassen. Gerade nach dem in der Vergangenheit liegenden Skandal, hätte es schon lange eine richtige Aufklärung gebraucht, um Vertrauen zu schaffen und eine deutlich stärkere Werbung dafür. Allein die Foren und soz. Medien dieser Tage zeigen, was für falsche Horrorvorstellungen über Organentnahme und -spende bei nicht wenigen vorherrschen. Und während ich in vergangen Monaten und Jahren schon penetrant von Werbungen verfolgt wurden, in denen man mir z.B. meine Lebensversicherung als Minusgeschäft prgnostiziert, kann ich mich an gerade mal wenige Werbung erinnern, um sich als Knochenmarkspender typisieren zu lassen. Wenn also ein Herr Spahn wirklich mehr Spenderorgane erzielen möchte, sollte er dabei vielleicht mal bitte die vier Buchstaben hoch bekommen. Und, alle Spendenbereitschaft ist nichts Wert, wenn Krankenhäuser nicht mal über die Kapazitäten einer Organentnahme verfügen. Geschweigedann an dafür ausgebildetes Fachpersonal. Und um einem Herrn Spahn die Arbeit zu erleichtern, sollten also alle die von einer Wiserspruchsreglung betroffen sein, die wie gehabt wenigstens einen Schutz genossen haben. Und da rede ich von u.A. von geistig behinderten oder nicht der deutschen Sprache mächtigen. Ebenso denke ich an Kinder und Jugendliche, die natürlich zu einem Großteil sich gar nicht mal mit dem Tod, geschweigedenn mit dem eigenen Tod befassen wollen.
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