Volle Zustimmung, Herr Bühler, Sie haben es auf den Punkt gebracht : “Handeln und politische Gesinnung historischer Personen muß man an ihrem historischen Kontext messen und nicht an heutigen Moralvorstellungen.”
...zum Leserbrief von Frau Eden noch ein kleines Bonmot: es gab in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts tatsächlich einen Komponisten namens Karl Marx (!) ...aber den werden Sie wohl sicher nicht gemeint haben (ein Schelm, wer jetzt böses denkt…) Lieben Gruß: F. v.Szita - Dámosy
Typisch deutsche Debatte, würde ich sagen. Herrn Weimer empfehle ich, sich mal den Text der Marseillaise übersetzen zu lassen, falls er kein Französisch kann. Ein Pazifist war der Verfasser sicher nicht. Was ist an “Einigkeit und Recht und Freiheit” falsch? In Zeiten der Spaltung der Gesellschaft, der zunehmenden nicht geahndeten Rechtsbrüche und der schleichenden Einschränkung der Meinungsfreiheit haben wir sie nötiger denn je. Und die wunderschöne Melodie des Österreichers in ungarischen Diensten war einmal mit einem Gebet unterlegt (“Gott erhalte Franz den Kaiser”). Der Charakter des Schöpfers ist nicht das Entscheidende - oder wie Reich-Ranicki einmal sagte: “Es gibt sympathischere Menschen als Richard Wagner - aber leider haben sie den Tristan nicht komponiert.”
Wenn Herr Ramelow einen Punkt hat, dann sollte er diesen schleunigst vom Hausarzt untersuchen lassen. Anders als die Linke ist die von Fallerslebensche Besinnung auf das deutsche Volk kein Krebsgeschwür, sondern eine Frage der Selbstfindung. Linke haben nichts zu finden, das mag ja sein. Aber für Hoffmann von Fallersleben war das deutsche Volk der Begründer seiner Identität. Seine Vorfahren haben gekämpft und sind gestorben für ihre Familien und ihre Kinder, haben etwa seit dem siebten Jahrhundert ihre Heimat und ihre Lebensweise mit ihrem Blut gegen die islamische Eroberer verteidigt; später auch den Invasionen der Franzosen nach Möglichkeit Widerstand geleistet. Alles nichts für Linke, welche sich lieber den Gewalttätern unterwerfen. Aber für aufrechte Menschen ein aufrechtes Vorbild.
All das fällt Ihnen erst jetzt auf! In zwanzig Jahren wundern Sie sich auch ganz bestimmt, wie ein weiterer Bundespräsident Fan von FSFF sein konnte.
Bekanntlich ist ja auch schon das Alte Testament stark “antisemitisch” geprägt, eine wahre “Hetzschrift”, da wird den Juden ordentlich eingeschenkt ob ihrer Laster (Batseba) und Zaster (Mammon). Und dann diese geschmacklose Sache mit dem Goldenen Kalb. Nackte Blasphemie! Generationen von Kindern wurden so mit starken Vorbehalten gegen die Juden indoktriniert und für ihr Leben gezeichnet. Der Dichter wünscht sich also durchaus nachvollziehbar bekehrte Juden, die sich nicht “von Gott gekehret” haben. Was aber hat das mit “judenfreier Einigkeit” zu tun? Ist “Der Kaufmann von Venedig” nicht eigentlich auch “antisemitisch” und könnte Herr Weimer nicht auch hier mal ein Verdikt sprechen? Nein, denn Shakespeare ist eine andere Hausnummer und vor allem war er kein Deutscher.
Herr Weimer, machen Sie sich doch bitte nicht die Weltsicht unserer sühnestolzen linksgrünen Gutmenschen zu eigen. Handeln und poltische Gesinnung historischer Personen muss man an ihrem historischen Kontext messen und nicht an heutigen Moralvorstellungen.
Was Herr von Fallersleben sonst noch geschrieben hat, ist für die Beurteilung der Nationalhymne als geeignet oder ungeeignet völlig unerheblich, es tut nichts zur Sache. Ebensowenig wie die Antwort auf die Frage, ob der Komponist Haydn etwa ein Haustyrann, Zechpreller oder Linkshänder war. Allein der vorliegende Text interessiert; und der ist wesentlich braver und friedfertiger als die Texte so manch anderer Nationalhymnen unserer europäischen Nachbarn, und das gilt sogar auch für die erste und zweite Strophe. - Eine völlig überflüssige und an den Haaren herbeigezogene Debatte.
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