Sehr geehrter Herr Etscheit, ich kenne natürlich S. Rattles Beweggründe nicht und kann nur vermuten. Für mich sind sie nachvollziehbar, weil ich auch mit einem Englisch-Muttersprachler verheiratet bin. Erstens: nicht jeder ist ein Sprachtalent. Es gibt Menschen, die auch nach vielen Jahren nicht flüssig sprechen können. Zweitens: ein englischer Muttersprachler wächst i.d.R. nicht multilingual auf. Die meisten Beispiele, die Sie erwähnten, sind keine englischen Muttersprachler. Die meisten europäischen Menschen (außer Engländern) können mindestens 2 Sprachen: die eigene und Englisch - oft noch eine dritte oder sogar vierte. Es ist ein riesiger Unterschied, wenn man bereits mit dem Konzept “Fremdsprache lernen” groß geworden ist. Wenn man jedoch als englischer Muttersprachler jenseits der 40 in einem Sprachkurs sitzt, so ist man möglicherweise der einzige, der nur eine Sprache gelernt hat und fällt in eine seltsame Kathegorie: man ist natürlich besser als ein Analphabet, aber man hat trotzdem keine Chance, mit den multilingual aufgewachsenen Mitschülern mitzuhalten. 3) es ist sehr entwürdigend für einen hochgebildeten lebensreifen Menschen auf ein Kleinkind-Sprachniveau reduziert zu werden - und nichts anderes ist B1. Wer etwas anderes behauptet, hat damit noch keine Erfahrung gemacht. Besonders Menschen mit genuiner Sprachbegabung überschätzen die Geschwindigkeit des Spracherwerbs von Null komplett. Mein Tipp: einfach mal vorstellen, Sie müssten innerhalb von 2 Jahren (durchschnittliche Sprachkursdauer) Chinesisch lernen. Zu kurz? Dann vielleicht 5 Jahre? oder 10? Würden Sie nach 20 Jahren sich zutrauen, öffentliche Interviews zu geben?—-
Die Sprache des Gastlandes zu lernen ist nicht nur, aber auch eine Frage der Höflichkeit. Wenn Sir S. Rattle grundsätzlich nicht deutsch spricht, dann scheint sein Verhältnis zu diesem Land nicht das Beste zu sein. Warum nur lebt er seit 20 Jahren in unserem Land?
Im postmigrantischen Deutschland spielt die Sprache keine Rolle mehr. Hauptsache läuft irgendwie. Geht doch auch im Sport. Trainer und Spieler sprechen oft nicht die gleiche Sprache. Am Theater oder Ballett ist das auch kein Problem, wird durch Kreativität ausgeglichen. Und die Musiker haben ja noch ihre Noten, und Begriffe wie adagio, andante, forte, mezzo alle nicht deutsch. Aber allen geläufig.
Mal unter umgekehrten Vorzeichen betrachtet - der Bayerische Rundfunk ist ein gutes Stichwort, denn ein regelmäßiger Gast ist (oder war, meine persönliche Frequentierung besagten Programms ist nun auch schon eine Weile im Abnehmen begriffen) Prof. Dr. Anthony Rowley, ein englischstämmiger Sprachwissenschaftler und absoluter Experte für den bayerischen Dialekt. Eine weitere Ironie in Deutschland, dass jemand, dessen Wurzeln im Ausland liegen, unsereins eine Lektion in Muttersprache erteilt.
Meinetwegen kann Mr.Rattle englisch sprechen. Das macht auf mich den gleichen Eindruck, wie wenn ein deutscher Dirigent im anderssprachigen Ausland deutsch spricht. Und da ich keiner seiner Orchestermusiker bin, interessiert mich ausschließlich die Musik, für die er sorgt und was er sagt, marginal bis gar nicht. Das überlasse ich den Bildungskleinbürgern und sonstigen Kennern.
Auf diesen Artikel habe schon lange gewartet! Das ist mir schon seit Jahren aufgefallen. Dankeschön.
“Servas die Madln, Servas die Buam… lossts uns aufspuin, gfreid mi dass i bei eich bin, und mir zomm musiziern. Eia Simon Rättel…..” Soon…
Die Weigerung, deutsch zu sprechen, finde ich äußerst respektlos gegenüber Deutschland, in dem er seit 20 Jahren gut lebt und den Menschen, die ihn mit den GEZ-Zwangsgebühren bezahlen müssen. Wie spricht er denn mit seiner Frau, seinen Kindern, seinem Frisör?
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