2017 war ich das letzte mal in den Kammerspielen, in einem unfassbar blöden und leeren Stück. Ich war schockiert darüber, wie die besten Ressourcen für praktisch nichts verschwendet wurden. Leider kannte ich vorher die hymnische Kritik des Deutschlandradios nicht, sonst hätte ich mir die Theaterkarte gar nicht erst schenken lassen: “Und so haben die Münchner Kammerspiele mit „Tiefer Schweb“ von Christoph Marthaler nun ein Juwel auf dem Spielplan, das viele Zweifler an dem Programm von Intendant Mathias Lilienthal zumindest an ihrem Zweifel zweifeln lassen könnte.” Im Gegenteil! Und alles, was nun unter der Leitung von Barbara Mundel angeboten wird, will ich von vornherein nicht nicht sehen. Eine Intendantin, die sich im Namen der Kammerspiele positiv über die antisemitische BDS-Bewegung äußert bringt mit Sicherheit nichts auf die Bühne, was mich auch nur im geringsten interessieren könnte.
Bitte nicht das Deutsche Theater in Ostberlin vergessen, das schon in den 60er Jahren anfing, intelligent und künstlerisch brillant gegen die Betonköpfe zu wirken und schließlich am 04.11.1989 die Ernte einfahren konnte. Angefangen mit Wilhelm Tell, über Faust, den Drachen, die Neuen Leiden des Edgar W. und mit vielen anderen Stücken fanden über die Grenzen bekannte Regisseure und Schauspieler ein waches und dankbares Publikum, in Ost und West. Dafür mußte kein Klassiker im Grabe rotieren, das war Konsens. Einer der Künstler konnte uns sogar noch im letzten Jahr ein wenig unterstützen und durfte trotzdem am Sonntag in seiner geliebten Rolle wieder mit seiner Genialität angeben…
Ich habe 2019 mein langjähriges Abo (28 Jahre) am Schauspielhaus in Dresden gekündigt. Ich wollte das Haltungstheater nicht mehr zusätzlich (zu meinen Steuern) finanzieren.
Schon seit fast 20 Jahren vermeide ich das Theater wie der Teufel das Weihwasser, vor allem das Schauspiel. Ich lese die mich faszinierenden großen Werke nur noch, zuletzt, da Sie den Hölderlin erwähnen, seinen “Tod des Empedokles” zum wohl fünften Mal. Die Böhmische würde daraus eine “Empedokla” machen.
Mir ist schon immer zuwider, wenn die Klassiker “vermodisiert” werden und man kaum erkennt, was sich da auf der Bühne abspielt! Aber jetzt scheinen alle Dämme gebrochen zu sein. Die Theaterszene ist völlig überspannt, mit woke-überspannten Regisseur*Innen und Indendant*Innen. Ein Theater mit normal inszenierten Klassikern wäre ein Genuss!
Zum Trost gibt es die Shakespeare-Verfilmungen von Kenneth Branagh. Filme, denen man die Spielfreude der Akteure in jeder Szene anmerkt, die einen als Zuschauer mitreißt. Dazu gibt es eine großartige Hollywoodverfilmung des Mittsommernachtstraums. Aber passen Sie auf, es gibt auch eine woke Verfilmung aus britischer Produktion. Wenn Sie die erste SS-Uniform sehen oder einen 4-Zentner PoC-Oberon , dann wissen Sie, daß Sie im falschen Film sind. Übrigens “Wie es Euch gefällt” mit der göttlichen Emma Thompson und Kenneth Branagh in den Hauptrollen und Denzel Washington als italienischen Renaissancefürsten, der in keinem Moment deplaziert wirkt, weil er einfach ein großartiger Schauspieler ist, gehört in meinen Augen zu den heitersten Theaterverfilmungen, streng am Originaltext angelehnt, die ich kenne. Es ist ein Phänomen, daß die Sprache Shakespeares über die Jahrhunderte hinweg noch so anspricht. Wenn alle Stränge reißen, es gibt englische Krimiserien, die in Dramaturgie und Fähigkeiten der Schauspieler an klassisches Theater anschließen. Gelegentlich spielen sie sogar im Schauspielmilieu. Dann hören sie z.B. wundervolle Monologe aus dem Shylock. Wenn man das mit dem “Arbeiter-und Bauern-Theater” im deutschen Fernsehen vergleicht, kann es einen nur schaudern. Die Beschimpfung war unangebracht. Vermutlich wären Arbeiter und Bauern gute Schauspieler, Handwerker sind es todsicher, wahrscheinlich die besten. “Politologen und Soziologen-Theater” trifft es deutlicher. Ich bin der festen Überzeugung, daß die Auswahl von Studenten und Schauspielern in Deutschland nach dem Prinzip der maximalen Talentlosigkeit erfolgt. Oder Talent bedeutet heute öffentliches Kacken auf der Bühne.
Das geht schon seit geraumer Zeit so, nimmt aber immer mehr zu. In der Berliner Oper wird das Libretto auch nur als Hinweis genommen. So werden gerne Hinweise auf die Nazi-Zeit gegeben (Gefangene in scheinbaren KZ-Gefangenenanzügen); der fliegende Holländer wurde als kühl industrielle Version aufgeführt (Schiffs er aus wie ein schwimmender Betonbunker), bei Aida lief dauerhaft ein „Zuschauer“ über die Bühne (der das Geschehen kommentierte), der Gefangenenchor wurde in ein Bienchen-Kostüm mit ausfahrbaren Stachel gesteckt etc. Mit der Zeit ist mir schlicht die Freude an der Oper genommen worden. Und im Theater sieht es nicht besser aus.
Ich bin aus München und froh, dass ich all die wunderbaren Theateraufführungen und die Oper in Hülle und Fülle genießen konnte. Jetzt ist es vorbei. Macht nichts, ich bewahre mir die Erinnerungen in meinem Herzen. Dort sind sie gut aufgehoben.
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