Rainer Grell / 13.12.2019 / 10:00 / Foto: Sabine Hoffmann / 1 / Seite ausdrucken

„Mit Bildern Partei ergreifen“: Zum Todestag von Sabine Hoffmann

Am 13. Dezember 2016 starb in Stuttgart die Bildende Künstlerin Sabine Hoffmann. Sie wurde 90 Jahre alt. Für sie gilt der Satz von Ambrose Bierce aus Des Teufels Wörterbuch: „Mein Ruf als unbekannter Autor ist weltweit.“ Dabei umfasst ihre Bibliographie 63 Artikel, und in der Landeshauptstadt Stuttgart steht oder besser liegt ihr Hauptwerk EUROTERRA seit 1993 an exponierter Stelle zwischen Universität und Kultur- und Kongresszentrum: am Platz der Deutschen Einheit.

Wir haben uns 1972 auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung kennengelernt, die ich für Amnesty International organisiert hatte. Sie hatte ihre Verbindung zur Kunstszene genutzt und Kollegen motiviert, Werke für eine amerikanische Versteigerung zu spenden, darunter so bekannte Namen wie Horst Antes, HAP Grieshaber und Lude Döring. Aus unserer eher zufälligen Begegnung wurde im Laufe der Zeit eine Freundschaft, die bis zu ihrem Tode andauerte und auch meine Frau mit einbezog.

Die Kombination von Kunst und Recht erwies sich für beide Seiten als fruchtbar: Ich erweiterte meinen Horizont, revidierte manches Vorurteil über moderne Kunst und baute uns eine kleine Sammlung von Bildern und Skulpturen auf. Sie gewann einen Berater in allen Rechtsfragen, der bald auch zum Generalbevollmächtigten und später zum Testamentsvollstrecker wurde.

Wehende Hemden und farbige Fußabdrücke

Sabine Hoffmann wurde am 22. Oktober 1926 in Danzig, dem heutigen Gdańsk, geboren. Nach dem Krieg kam sie nach Köln, wo sie von 1947 bis 1950 Freie Graphik an den Kölner Werkschulen bei Alfred Will studierte. Ein zweijähriger Parisaufenthalt eröffnete ihr den Zugang zu den Werken moderner Kunst, der ihr während der Nazizeit verwehrt gewesen war. Weil ihre eigene Kunst buchstäblich brotlos blieb, war sie gezwungen, jahrelang berufsfremd bei einer Fluggesellschaft zu arbeiten (zunächst in Frankfurt, später in Stuttgart). Erst 1969 bot sich ihr die Möglichkeit einer Dozentur für Freie Graphik an der 1918 von Albrecht Leo Merz gegründeten Merz Akademie in Stuttgart.  

Mit der neuen Tätigkeit begann zugleich ein intensives künstlerisches Schaffen, das sich zunächst auf Malerei, Zeichnung und Druckgrafik konzentrierte. 1982 entstanden dann die ersten dreidimensionalen Arbeiten. Wer der zierlichen Person bei ihrer bildhauerischen Arbeit zusah, konnte sich nur wundern über ihren kraftvollen Umgang mit Hammer und Meißel und schweren Marmorblöcken aller Art. Im Gegensatz dazu standen luftige ephemere Werke, wie wehende Hemden am polnischen Ostseestrand oder farbige Fußabdrücke auf Felsbrocken an der französischen Mittelmeerküste, die nur als Fotografien überlebten.

Sabine Hoffmanns Werke orientierten sich allein an den beabsichtigten künstlerischen Aussagen, mit denen sie sich vor allem für Menschenrechte, gegen Folter und gegen Krieg einsetzte. „Mit Bildern Partei ergreifen“ war ihr Motto. Kriterien wie Verkäuflichkeit oder Platzbedarf waren nie maßgebend. So kam für die tonnenschwere Skulptur EUROTERRA aus Crailsheimer Muschelkalk nur ein Platz im öffentlichen Raum infrage. Bestimmte Installationen wie ihre „Schutzräume“ können nur in Sälen oder im Freien aufgestellt werden, wie beispielsweise 1997 bei einer Ausstellung im der Klosteranlage Bebenhausen (bei Tübingen).

Höhepunkte ihres Lebens

In der rund ein halbes Jahrhundert währenden Schaffensperiode der Künstlerin fanden zahlreiche Ausstellungen ihrer Werke statt, sei es in Form von Einzelausstellungen, Doppelausstellungen oder Ausstellungsbeteiligungen. Außerdem ist ihr Werk in zwei Kunstbüchern und einem Katalog sowie dem Gesprächsbuch „Farben der Geschichte“ der Kunsthistorikerin Krisztina Jütten dokumentiert (1).

Besondere Höhepunkte ihres Lebens, an denen ich mitwirken durfte, waren der Vertrag mit Würth, die Errichtung der Kunststiftung Sabine Hoffmann und die Feier ihres 90. Geburtstags.

Durch Kauf und Schenkung übernahm die Sammlung Würth, „eine der größten und bedeutendsten Privatsammlungen von Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts in Deutschland“ (Wikipedia), im Sommer 2002 insgesamt 212 Werke von Sabine Hoffmann. Seither werden einzelne Arbeiten im Rahmen von thematischen Ausstellungen immer wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Der einzige Mann unter vier Frauen

Um ihr Lebenswerk zu sichern, errichtete die Künstlerin 2008 die Kunststiftung Sabine Hoffmann, die von der Stiftung Hospitalhof Stuttgart verwaltet und im Rechtsverkehr vertreten wird. Hauptzweck der Stiftung ist die Verleihung des Kunstpreises Sabine Hoffmann. Einziges Organ der Stiftung ist das Kuratorium. Dieses entscheidet über die Verleihung des Kunstpreises. Der Preis ist mit dreitausend Euro dotiert und wird alle drei Jahre vergeben. Bisher geschah das viermal. Die nächste Preisverleihung findet 2020 statt.

Soweit die Werke von Sabine Hoffmann sich nicht bei Würth oder im Privatbesitz befinden, werden sie von der Stiftung Hospitalhof Stuttgart aufbewahrt und im Rahmen der periodischen Verleihung des Kunstpreises Sabine Hoffmann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Kuratorium bestand zu Beginn aus zwei Frauen (darunter die Stifterin) und drei Männern; mittlerweile bin ich (als Generalbevollmächtigter und Testamentsvollstrecker) der einzige Mann unter vier Frauen.

Am 22. Oktober 2016, dem 90. Geburtstag von Sabine Hoffmann, hat die Staatssekretärin im baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Petra Olschowski, der Künstlerin die von Ministerpräsident Wilfried Kretschmann verliehene Staufermedaille feierlich überreicht. In ihrem Testament hat Sabine Hoffmann ihre Kunststiftung zur Alleinerbin eingesetzt.

An ihrem 93. Geburtstag, am 22. Oktober 2019 ging die Homepage von Sabine Hoffmann, eine Gemeinschaftsarbeit des Kuratoriums ihrer Kunststiftung, online.

 

(1) WEG-MARKEN. Bilder, Plastiken und Installationen aus zwanzig Jahren. 1971–1991

Unter dem Licht. Im innersten Kreis

Aus der Stille. Werke in der Sammlung Würth.

Foto: Sabine Hoffmann

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Frank Holdergrün / 13.12.2019

Künstlerin erst mit 60, eine wirklich ermutigende Frau – mit dem Auge für Wesentliches und Händen der Tat. Wirklich beeindruckende Werke! Insbesondere die Buchköpfe sind etwas ganz Besonderes, noch nie Gesehenes.

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