Ein Möchtegern-Kanzler erklärt, die Seinen hätten als Wahlverlierer keinen Regierungsanspruch, gratuliert der Konkurrenz und bietet sich anschließend aus Verantwortung für „unser Land“ als Regierungspartner an – woran erinnert Sie das?
Können Sie sich noch an Martin Schulz erinnern? Der Mann scheiterte bekanntlich im Jahr 2017 furios als Kanzlerkandidat. Vollmundig verabschiedete er sich in die Opposition, schaute dann monatelang dem Spiel „Deutschland sucht die Superkoalition“ zu und erklärte dann seinen Genossen und der Öffentlichkeit, dass seine Partei aus Verantwortung für das Land und für alle möglichen anderen Wichtigkeiten nun doch die unbequeme Rolle als Juniorpartner in einer sogenannten Großen Koalition schlüpfen müsste. Für sich selbst handelte der Genosse die Vize-Kanzlerschaft aus. Doch die Empörung der auf diese Wendung nicht vorbereiteten Genossen war so groß, dass zwar die Partei in die Koalition, aber der Genosse Schulz seines angestrebten Amtes verlustig ging.
Jetzt ist ja alles ganz anders. Schließlich soll sich ja Angela Merkel irgendwann nach der Bildung einer neuen Regierung aus dem Amt verabschieden. Manch ein Möchtegern-Regierender wollte schon eine Regierungsbildung zur Weihnachtszeit versprechen. Aber sieht es danach wirklich aus?
Momentan versuchen ja viele Parteifreunde und Meinungsbildner, den vorerst gescheiterten Kanzlerkandidaten Armin Laschet zur Strecke zu bringen. Von den Medien ist er längst abgeschrieben, ganz so wie sie zumeist schon Olaf Scholz abgeschrieben hatten, bevor sie ihn nach Annalena Baerbocks Fehltritten liebgewannen und nun seit Sonntag als Sieger feiern. Trotz dieser Nörgelei haben die Kollegen angesichts der Lage in der CDU aber allen Grund. Denn etliche Parteifreunde und die Funktionäre aus der CSU arbeiten ja emsig daran, Laschet aus seinen Ämtern zu drängen und ihm eine Solo-Rolle am Wahlverlierer-Pranger zuzuweisen. Dass die Wählerabkehr von CDU und CSU etwas mit deren Politik unter Kanzlerin Merkel zu tun haben könnte, soll bitte niemand sagen. Angela bekommt einen staatsfraulichen Heiligenschein angeheftet und damit würde sich gern ihre eifrige Gefolgschaft aus der eigenen Verantwortung für die Niederlage stehlen.
Weiter so oder Wohngemeinschaft?
Nun kann man gern Wetten abschließen, ob Laschet seinen gegenwärtigen Spießrutenlauf durchsteht und ob das Kalkül von Ministerpräsidenten wie Michael Kretschmer aus Sachsen und dem Bayernherrscher Markus Söder aufgeht, alle Verantwortung an den desaströsen Ergebnissen ihrer Parteien in ihren Ländern beim Kanzlerkandidaten abzuladen. Als Markus Söder am Dienstag vor die Presse trat, um zu erklären, er werde Olaf Scholz gratulieren, denn er müsse jetzt eine Regierung bilden und die Union dürfe als Wahlverlierer keine Ansprüche aufs Regieren erheben, da wurde das nur als Spitze gegen Armin Laschet verstanden. Aber war es nicht auch schon eine Vorbereitung auf die nächste „Große Koalition“? Wer sagt denn, dass er an eine Jamaika-Koalition dachte, als er dann davon sprach, dass die Union im Falle eines Falles natürlich bereit sei, Verantwortung zu übernehmen? Dieses „Wording“, wie man neudeutsch sagt, wäre auch eine gute Vorbereitung auf die Rolle der Union als Koalitions-Juniorpartner, damit das später nicht so überraschend kommt.
Vielleicht führen ja die Ampelparteien trotz vorherigen Kuschelrunden von FDP und Grünen wieder monatelang das Spiel „Deutschland sucht die Superkoalition“ auf. Es wird schließlich eine Weile dauern, bis einer das Projekt für gescheitert erklärt. Christian Lindner wird es sicher nicht sein, denn diese Rolle ist ihm in der Medienwahrnehmung vor vier Jahren nicht gut bekommen. Vielleicht wird das gleiche Spiel auch noch kurz mit einem Jamaika-Bündnis versucht, aber man kann es sich auch sparen. Und dann, irgendwann nach der nächsten Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel, heißt es von Markus Söder erneut, dass die Union aus Verantwortung für das Land und für alle möglichen anderen Wichtigkeiten nun doch in die unbequeme Rolle als Juniorpartner in einer sogenannten Großen Koalition schlüpfen müsste. Für sich selbst wird der CSU-Chef vielleicht die Vize-Kanzlerschaft aushandeln. Und weil er mit den dann allgegenwärtigen Textbausteinen schon länger gespielt hat, gibt es auch nur mäßige Überraschung und Empörung. Im Unterschied zum Genossen Scholz könnte er das Amt übernehmen.
Das ist natürlich alles rein spekulativ, aber es wäre die konsequente Fortführung des Merkelismus. Für die Merkel-Gefolgschaft aus CDU und SPD wäre das die beste Lösung, denn sie wollen natürlich vermeiden, dass eine nächste Regierung einen Kassensturz macht und eine ungeschönte Bilanz der letzten Merkel-Jahre vorlegt. Politiker wie Peter Altmaier und Helge Braun könnten sich freuen, Jens Spahn aufatmen – das System Merkel würde auch ohne Merkel funktionieren. Und falls nicht, dann könnten sie sie ja noch einmal bitten … Nein, an dieser Stelle möchte ich die Spekulationen gern abbrechen. Vielleicht hält ja Laschet auch entgegen aller Prognosen durch und darf zu FDP und Grünen in die Wohngemeinschaft. Aber noch ist das System Merkel nicht vorbei.