Matteo Salvini, ein erfahrener Selbstversorger

Matteo Salvini ist immer salopp unterwegs. Jeans, aufgeknöpftes Hemd, die Jacke geschultert. Und ständig am Handy, um die restlichen offenen Fragen zu klären. Davon gibt es mehr, als Salvini lieb sind. Wenn Salvini in Rom zum Sitz des Staatspräsidenten schreitet, verweigert er niemandem ein Selfie. Matteo Salvini ist freundlich. Er gibt sich jugendlich, sein Outfit ist es, sein Stil.  

In Wirklichkeit ist Salvini inzwischen länger in der Politik als sein ehemaliger Partner Silvio Berlusconi. Als 17-Jähriger engagierte sich Salvini bereits in der Lega, damals in der alten Lega Nord, der föderalistischen Partei des legendären Umberto Bossi. 1993, als Berlusconi sein Fininvest-Imperium gründete, saß der 20-jährige Salvini für die Lega im Gemeinderat von Mailand.

Einem richtigen Job, einer Arbeit, ist Salvini nie nachgegangen. Das schrieb Davide Vecchi in der liberal-konservativen Tageszeitung Corriere della Sera. Salvini zeigte deshalb Vecchi an. Die Klage wies der Richter mit der Begründung ab, dass Salvini nicht belegen konnte, tatsächlich gearbeitet zu haben.

Dafür hatte er auch gar keine Zeit. Ständig bewarb er sich für politische Ämter, zwanzig Mal kandidierte er für die Lega für den Gemeinderat, für Kammer und Senat, für den lombardischen Regionalrat und für das Europaparlament. Ein Vierteljahrhundert verbrachte Salvini für die Lega in verschiedenen Gremien. Den großen Durchbruch schaffte er in der Rechts-Allianz mit Berlusconi und seiner Forza Italia und den Neofaschisten von der Liste Fratelli d’Italia. Zur Überraschung seines Paten Berlusconi überholte die Lega aber am 4. März deutlich Forza Italia. Bei den Regionalwahlen in den autonomen Regionen Aosta und Friaul-Julisch-Venetien schaffte es die Lega sogar auf Platz eins.

Italiener zuerst!

Seine Slogans heute: „Prima gli Italiani“, Italiener zuerst, „legittima difesa sempre“, Verteidigung des nationales Interesses, “Stop invasione”, Schluss mit der Migranten-Invasion, “Fornero va fan culo”, weg mit der Rentenreform Fornero.

Salvini tauschte sein Polit-Programm völlig aus. Zwei Jahrzehnte lang bekämpfte Salvini mit der Lega Nord die Süd-Italiener, die meridionali. Auf dem Volksfest der Lega in Pontida in der Lombardei vor einigen Jahren hetzte Salvini ungeschminkt gegen die Süditaliener. "Napoli merda, Napoli colera, sei la vergogna dell'Italia nera." Beschissenes Neapel der Cholera, du bist eine Schande. Oder: “Senti che puzza, scappano anche i cani, stanno arrivando i napoletani." Riechst du den Gestank, sogar die Hunde flüchten, die Neapolitaner kommen.

Das ist inzwischen Geschichte. Salvini, der vor zwei Jahren Chef der Lega wurde, krempelte die Partei um. Zum Entsetzen der Veteranen um Ex-Parteichef Bossi und seinen Mitstreiter Calderoli. Es war ein historischer Schwenk, denn plötzlich hieß es: "Amici del sud, siete miei fratelli." Freunde im Süden, ihr seid meine Brüder.

Im Wahlkampf für die Parlamentswahlen beschrieb Salvini seine politische Haltung als „coerenza da sempre“, immer schon kohärent. Das hängt aber von der Sicht der Dinge ab. Bei einer Kundgebung in Mailand trat Salvini mit Bibel und Rosenkranz auf. Er legte einen Eid auf das Evangelium ab. Irritiert darauf reagiert der Erzbischof, weil der kohärente Salvini zwei Kindern von zwei verschiedenen Frauen hat und inzwischen mit seiner dritten Frau zusammenlebt.  

Salvini kann aber nicht vorgeworfen werden, seine ehemaligen Lebensabschnitts-Gefährtinnen im Stich gelassen zu haben. Nach der Trennung vermittelte er seiner ersten Ex-Frau einen Job in einer Gemeinde, die vom Rechtsbündnis verwaltet wird. Seine zweite Ex brachte Salvini in der lombardischen Regionalverwaltung unter, zufällig wird die Region von der Lega regiert. Seine aktuelle Lebensgefährtin, die TV-Moderatorin Elisa Isoardi, postet auf Facebook immer wieder Fotos, die sie beim Bügeln der Hemden ihres Freundes zeigen.

Millionen, erst kassiert, dann abgenommen

Die Lega versteht sich als die Partei der aufrechten Italiener. Salvini kündigte an, keine Vorbestraften kandidieren zu lassen. Umberto Bossi, Ex-Parteichef, durfte aber auf die Liste. Bossi ist wegen Missbrauchs öffentlicher Gelder rechtskräftig verurteilt worden, wie auch der ehemalige Lega-Schatzmeister Francesco Belsito und die beiden Bossi-Söhne Renzo und Riccardo.

Die Richter ließen zwei Millionen Euro beschlagnahmen, die die Lega unrechtmäßig vom Staat kassiert hatte. Für Salvini eine Attacke gegen die Demokratie. Auch Salvini kassierte vom Staat für die von ihm geleitete Parteizeitung La Padania viele Millionen Euro. Die Zeitung wurde Ende 2014 abgewickelt, die Journalisten entlassen.

Das scheint seinen Wählern egal zu sein. Die nördlichen Regionen Italiens, mit Ausnahme der beiden autonomen Provinzen Südtirol und Trentino, werden inzwischen von der Lega regiert. Jüngste Umfragen sehen die Lega staatsweit bei 25 Prozent, Tendenz steigend. Ein starker Rückenwind für Salvini. Er kündigte deshalb an, die Regierung des Wandels werde den vielen Worten Taten folgen lassen: Abschiebung von 600.000 illegalen Migranten, 400 Euro für jedes Kind bis zum 18. Lebensjahr,  kostenlose Kindergärten für alle Familien mit Einkommen unter 60.000 Euro,  Abschaffung des verhassten Fornero-Rentengesetzes.

Für Rätselraten sorgt das angekündigte Vorhaben, sich die nationale Souveränität zurückzuholen, um den Volk helfen zu können. Die hohe Staatsverschuldung, die 40-prozentige Jugendarbeitslosigkeit, die Mafia und die Korruption sind nicht Folgen der EU-Mitgliedschaft und der fehlenden Souveränität. Die wieder zu gewinnende Souveränität will Salvini dafür nutzen, das Christentum zu verteidigen. Gleichzeitig kritisiert Salvini den Papst für seine Aufrufe, Flüchtlingen zu helfen und solidarisch zu sein.  

Salvini hat seine Bibel veröffentlicht. "Secondo Matteo - – follia e coraggio per cambiare il paese." Nach Matteo – verrückt couragiert das Land verändern.

In dem Buch zeichnet Salvini seinen politischen Aufstieg nach. Ein Aufstieg mit stalinistischen Methoden, warnt Parteifreund Roberto Maroni, einst Innenminister unter Berlusconi und inzwischen Präsident der Region Lombardei.

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Leserpost

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Frieda Wagener / 26.05.2018

Zwei Kinder von zwei verschiedenen Frauen? Ei der Daus! Kann man zwei Kinder von zwei gleichen Frauen haben?

Heiner Hardschmidt / 25.05.2018

Der letzte Absatz hätte auch wegbleiben können, kommt die Aussage doch von einem direkten politischen Gegner. Insgesamt passen die Italiener jetzt in die Achse Brexit-Trump-Italien. Es braucht nicht viele der verfügbaren Statistiken zu Wirtschaft, Finanzen und Gesellschaft Italiens, um zu wissen, dass es so kommen musste. Wer fleißig aussät, der wird eben auch mit einer ordentlichen Ernte belohnt. In dem Sinne ist unsere gemeinsame Obrigkeit gut wie nur wenige in der Geschichte.

Peter Zentner / 25.05.2018

Ich mag Italien sehr; die meisten Italiener sind liebenswerte und intelligent lebenslustige Zeitgenossen. In der italienischen Politik, die sich seit Mussolini nur in Nuancen geändert hat, ist ein Matteo Salvini nixxx Besonderes; die Italiener sind es gewohnt, dass Mäntelchen über Nacht nach dem Wind gedreht und Parteien gewechselt werden wie Unterhosen. || Südlich von Rom hat die Zentralregierung schon vor vielen Jahrzehnten das Handtuch geworfen. Dort ist die mit lokalen Schranzen (zu beiderseitigem Gewinn) eng verzahnte Mafia die einzige Instanz von Gesetz und Ordnung, agiert aber durchaus sozial — besonders im Mezzogiorno und auf Sizilien etabliert und akzeptiert. || Was Mario Puzo in “Il Padrino” / “The Godfather” / “Der Pate” (1969) so fesselnd beschrieben hat, stimmt heute noch mehr als damals, die internationalen Verflechtungen der Mafia eingeschlossen. || La bella Italia und ich können damit leben. Es ist halt, wie’s ist, und ich fahr’ auch in diesem August wieder hin, zu vertrauten, vermutlich unkriminellen Freunden und Gespielinnen.

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